Schwelm. In der Kreisstadt Schwelm wurde die erste Kippen-Sammelstelle in unserer Region eröffnet. Es geht um eine der größten Umweltsünden unserer Zeit.

Zigarettenstummel sind nichts für den Restmüll, sondern gehören wegen ihrer Giftstoffe in den Sondermüll. Dass sie täglich zu zig Millionen auf den Straßen und im Grünen landen, gehört zu den weit verbreitetsten Umweltsünden in unserer Zeit überhaupt. In Schwelm gibt es eine Initiative, die aufklären und dagegen ankämpfen will. Heike Philipp, 1. Vorsitzende des AtelierSieben e.V., und Veronika Nagata von der Privatinitiative Schwelm-Cleanup haben dafür die erste öffentliche Kippen-Sammelstelle in der Metropole Ruhr eröffnet.

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Kein Kavaliersdelikt

Aufgeraucht und mal eben mit dem Finger weggeschnippt. Kippen wegschmeißen ist doch nur ein Kavaliersdelikt. So denken viele. Dem ist aber nicht so, machen Heike Philipp und Veronika Nagata klar. „Mit den achtlos weggeworfenen Zigarettenkippen gelangen unzählige giftige Substanzen wie Arsen, Blausäure, Schwermetalle, Formaldehyd und Teer in die Umwelt und damit in unser Grundwasser“, erklären sie. Genau genommen seien Zigarettenstummel Giftmüll pur. „Ein Stummel reicht aus, um 40 Liter Wasser zu kontaminieren und braucht 15 bis 400 Jahre, um sich zu Mikroplastik zu zersetzen.“

Heike Philipp (links) und Veronika Nagata halten in ihren Händen das Ergebnis von einem der letzten Schwelm-Cleanups: Vier Flaschen voll mit Zigarettenkippen, die allesamt im Wilhelmspark rumlagen und von dort entfernt wurden.
Heike Philipp (links) und Veronika Nagata halten in ihren Händen das Ergebnis von einem der letzten Schwelm-Cleanups: Vier Flaschen voll mit Zigarettenkippen, die allesamt im Wilhelmspark rumlagen und von dort entfernt wurden. © Andreas Gruber

Wissenschaftler der San Diego State University hatten im Jahr 2011 herausgefunden, dass ein Zigarettenstummel pro Liter Wasser reicht, um Fische verenden zu lassen. Die Gefahr, oder besser die Kenntnis über die Gefahr, die von den Kippen ausgeht, ist also nicht neu. Das Problem in den Griff bekommen, hat man bisher nicht.

Auch in unseren Städten ist es allgegenwärtig. Wie sehr, das merkt Veronika Nagata immer wieder bei den Müllsammelaktionen von Schwelm-Cleanup, die sie seit April immer am letzten Samstag im Monat organisiert. „Kippen liegen eigentlich überall herum. Am meisten an Bushaltestellen, an Treffpunkten oder auch auf Spielplätzen, wo Eltern auf den Bänken sitzen und auf ihre Kinder aufpassen“, berichtet Veronika Nagate.

In die roten Eimer, die zu den Öffnungszeiten vor den AtelierSieben-Ladenlokalen an der Hauptstraße 37 und Untermauerstraße 6 stehen, kann jeder seine eingesammelten Kippen reinwerfen.
In die roten Eimer, die zu den Öffnungszeiten vor den AtelierSieben-Ladenlokalen an der Hauptstraße 37 und Untermauerstraße 6 stehen, kann jeder seine eingesammelten Kippen reinwerfen. © Andreas Gruber

Wie groß das Ausmaß des Problems ist, wurde ihr bei einer der letzten Cleanup-Aktion in Schwelm klar. Da machten sie und die anderen Helfer sich die Mühe, die Kippen gesondert zu sammeln und dann zu zählen. Allein am kleinen Spielplatz im Wilhelmspark pickten sie binnen kurzer Zeit mehr als 400 Kippen auf, im gesamten Park, der nicht so riesig ist, mehr als 2000 Kippen. Auch am Ehrenmal, einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche, finde man neben Müll viele Kippen. „Insbesondere an Orten mit erhöhter Aufenthaltsdauer fällt eine stattliche Menge an Zigarettenstummeln auf. Gleichzeitig fehlen dort oft geeignete Entsorgungsmöglichkeiten“, berichten Heike Philipp und Veronika Nagata.

Achtloses Wegwerfen und fehlende Entsorgungsmöglichkeiten machen die Kippe nicht nur hierzulande zu einem handfesten Problem. „Die jährlich weggeschnipste Menge beläuft sich auf 4,5 Billionen Kippen weltweit“, erklären Heike Philipp und Veronika Nagata. Laut WHO seien das 30 bis 40 Prozent des gesamten Abfalls aus dem öffentlichen Raum. „Diese Fakten verleihen dem allseits tolerierten, sorglosen Kippenschnipsen ein anderes Gewicht“, befanden die Beiden und machten sich auf, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Dabei stießen sie aufs Zigarettenrecycling. „Ein innovativer Lösungsschritt mit viel Potential“, wie sie sagen. Da Zigarettenfilter aus Zelluloseacetat bestehen, können aus ihnen neue Kunststoffprodukte hergestellt werden. Die Kippe in ausreichend großer Menge als Wertstoff für neue Materialien.

So sehen die von der Firma Tobacyle hergestellten Recycling-Aschenbecher aus. Es gibt sie ab sofort – auch in einer Taschenversion – in den Ladenlokalen von Atelier Sieben.
So sehen die von der Firma Tobacyle hergestellten Recycling-Aschenbecher aus. Es gibt sie ab sofort – auch in einer Taschenversion – in den Ladenlokalen von Atelier Sieben. © Gruber

Genau diesen Ansatz verfolgt seit Oktober 2018 der gemeinnützige Verein TobaCycle in Köln, dessen Gründer Mario Merella übrigens selbst Raucher sei, wie Heike Philipp erklärte. TobaCyle sammelt Kippen in großen Mengen und recycelt sie zu Taschen-Aschenbechern und Sammelbehältern. Haben diese ausgedient, werden sie dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt.

Als Heike Philipp kürzlich vom Zigarettenrecycling durch TobaCycle erfuhr, stellte sie AtelierSieben e.V. sofort als erste Sammelstelle in Schwelm zur Verfügung. Es sei die erste Sammelstelle im Ruhrgebiet, sagt sie ein wenig stolz und hofft, damit ein Zeichen zu setzen und möglichst bald viele Nachahmer zu finden. Die roten Sammelbehälter, wo ab sofort jede Schwelmerin und jeder Schwelmer eingesammelte Kippen einwerfen kann, stehen vor den AtelierSieben-Ladenlokalen an der Hauptstraße 37 und Untermauerstraße 6 (jeweils zu den Öffnungszeiten).

Aschenbecher aus recycelten Stummel

Die Zusammenarbeit von AtelierSieben mit TobaCycle umfasst auch den Verkauf von Produkten, die aus dem Kippen-Recycling entstanden sind.

Bei den Produkten handelt es sich um Aschenbecher, auch im handlichen Taschenformat, die verschließbar sind und in denen die ausgedrückten Kippen gesammelt werden können. So schließt sich der Recycling-Kreislauf.

Mehr Infos gibt es unter www.tobacycle.de. Siehe auch www.ateliersieben.ruhr

Beide Initiatorinnen sind zuversichtlich, bald schon heimische Unternehmen mit im Boot zu haben. Veronika Nagata sagt zudem: „Auch die Stadt muss aktiv werden, je eher desto besser! Das funktioniert am besten über die Sensibilisierung für das Thema und mit der Bereitstellung öffentlicher Aschenbecher.“

Für Heike Philipp geht es jedoch nicht nur um mehr Sauberkeit in der Stadt, sondern auch darum, mit der Sammelbehälter-Aktion auf die Umwelt aufmerksam machen. „Eins der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, für deren Bekanntmachung wir uns als Verein aktiv einsetzen, ist sauberes Wasser“, betont sie.

Worum es ihnen nicht gehe, sei, Rauchern die Lust auf die Zigarette zu vermiesen. „Wir wollen nicht missionieren“, betonen beide. Vielmehr müsse in die Köpfe, dass man Kippen nicht auf die Straße oder sonst wohin wegschnippt. Ihre Aktion in Schwelm, so hoffen sie, könne Initialzündung für viele Nachahmer sein.