Ennepetal/Hagen. Der 48-jährige Ennepetaler, der seine Tochter mehrere Jahre lang regelmäßig sexuell missbrauchte, muss für lange Zeit ins Gefängnis.
Die Jugendkammer beim Landgericht Hagen verurteilte ihn zu insgesamt 10 Jahren und 9 Monaten Haft.
Drei Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern, 48 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern – jeweils in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen – und 77 Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten legte die Kammer ihrem Urteil zugrunde. Der Angeklagte hatte die Taten vollumfänglich eingeräumt.
Seit deren elftem Lebensjahr hatte der Mann sich an seiner Tochter vergangen, immer wieder sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen. Nachdem sie 15 Jahre alt geworden war, musste sie regelmäßig Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater über sich ergehen lassen. Im vergangenen Dezember ging die inzwischen 18-Jährige zur Polizei. Kurz darauf wurde der Ennepetaler festgenommen, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. In der polizeilichen Vernehmung gab die Tochter an, dass vor allem ihr älterer Bruder, aber auch ihre Mutter vom Vater regelmäßig beleidigt und geschlagen worden seien. Wenn sie dem Vater zu Willen gewesen sei, habe sie „das nicht abbekommen und die anderen auch nicht so schlimm“ (wir berichteten).
Erhebliche Folgen für weiteres Leben
In ihrem Plädoyer wertete die Staatsanwältin zu Gunsten des Angeklagten, dass er ein glaubhaftes Geständnis abgelegt habe. Auszugehen sei von mindestens 128 Fällen von sexuellem Missbrauch im Tatzeitraum zwischen April 2014 und Dezember 2020, dem Tag als das Opfer zur Polizei ging. Der am schwersten wiegende Vorwurf sei dabei der „schwere sexuelle Missbrauch“. Auch beim vollzogenen Beischlaf handele es sich um eine besonders schwere Art der sexuellen Handlung. Zu berücksichtigen sei zudem „die unglaublich lang anhaltende Tatserie“. „Der Angeklagte hat wie selbstverständlich seine eigene Tochter als Sexobjekt behandelt“, stellte die Anklagevertreterin fest. Er habe ihr die Möglichkeit genommen, erste eigene sexuelle Erfahrungen zu machen, und dadurch, dass er seinen Frust an der Mutter und dem Bruder ausgelassen habe, wenn die Tochter sich verweigerte, unglaublichen psychischen Druck ausgeübt. Letztlich hätten die Taten für die Geschädigte erhebliche Folgen für deren weiteres Leben.
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Da der Angeklagte in dem Zeitraum der Tatbegehung wegen Sozialbetrugs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, teilte die Anklagevertreterin ihre Strafforderung auf: Sieben Jahre für die vor dieser Verurteilung begangenen drei Taten von schwerem sexuellen Missbrauch und 48 Taten von sexuellem Missbrauch von Kindern sowie fünf Jahre (drei Jahre plus die zur Bewährung ausgesetzten zwei Jahre) für die 77 Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen – insgesamt also zwölf Jahre Freiheitsstrafe.
Verteidigung kündigt Revision an
Der Haftbefehl gegen den 48-jährigen Ennepetaler blieb aufrechterhalten und in Vollzug.Gegen das Urteil ließ die Kammer das Rechtsmittel der Revision zu. Verteidiger Christian Isselhorst kündigte nach der Verhandlung gegenüber dieser Zeitung an, davon Gebrauch zu machen. Er halte die verhängte Freiheitsstrafe für zu hoch, sagte der Rechtsanwalt.Das Gericht ordnete zudem die Entnahme von Körperzellen des Täters zur Feststellung der DNA und der anschließenden Speicherung in der sogenannten „Sexualstraftäter-Datenbank“ an.
Verteidiger Christian Isselhorst pflichtete der Staatsanwaltschaft dem Grunde nach bei. Er betonte, dass sich der Angeklagte seiner Verantwortung stellen wolle. „Mein Mandant hat in der U-Haft lange über die Taten nachgedacht und versucht, eine Erklärung zu finden. Das ist ihm nicht gelungen.“ Hinsichtlich des Strafmaßes war der Verteidiger anderer Meinung. Zu Gunsten des Angeklagten sei zu werten, dass er in der U-Haft bereits einige Drangsalierungen habe erdulden müssen. Zu berücksichtigen sei aber vor allem das Geständnis, das dem Opfer eine Aussage erspart und die Beweisaufnahme enorm verkürzt habe. Insofern seien zwölf Jahre in Anbetracht des Strafrahmens von bis zu 15 Jahren zu viel. „Wir brauchen eine Abstufung zwischen einem geständigen und einem bestreitenden Angeklagten“, so Isselhorst. Er sah eine Strafe von insgesamt siebeneinhalb Jahren als angemessen an.
In seinem letzten Wort erklärte der Angeklagte mit tränenerstickter Stimme, dass er die Chance nutzen wolle, sich noch einmal zu entschuldigen. Er wolle alles dafür tun, dass seine Tochter ihm die schrecklichen Taten verzeihen könne. „Ich möchte mich auch bei meiner Frau und meinem Sohn entschuldigen, sie machen die Hölle durch.“ Die Mutter des Opfers will den 48-Jährigen, mit dem sie seit 20 Jahren verlobt ist, offenbar nach wie vor heiraten.
Sie habe sich seit Anzeigenerstattung mehr menschliche Wärme und Unterstützung für ihre Mandantin gewünscht, hatte Rechtsanwältin Heike Tahden-Farhat, die die Tochter als Nebenklägerin vertrat, zuvor erklärt. „Ihr Leben ist nicht mehr das, was es einmal war.“ Hinsichtlich des Strafmaßes schloss sie sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an.
Kammer sieht zu keiner Zeit Freiwilligkeit
Die Kammer verhängte letztlich zehn Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe gegen den Ennepetaler: sechseinhalb Jahre für die Missbrauchstaten vor der Bewährungsstrafe, vier Jahre und drei Monate für die Taten im Bewährungszeitraum. Der Vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz erklärte, dass es sich zwar in keinem Fall um den Tatbestand der Vergewaltigung gehandelt habe, weil eine unmittelbare Gewaltanwendung nicht vorgelegen habe. Eine Freiwilligkeit sei aber definitiv nicht zu sehen gewesen. Auch wenn die Taten geradezu „ins Alltagsleben übergegangen“ seien, sei die Kammer überzeugt, dass sie zu keiner Zeit gewollt waren. Zu Lasten des Angeklagten legte die Kammer insbesondere aus, dass das Opfer bei der ersten Tat erst elf Jahre alt war.