Schwelm/Witten. Mitarbeiterin des EN-Kreises empfiehlt gesunden Arbeitnehmerinnen, sich krank schreiben zu lassen und droht Firmenchef aus Witten.

Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamts hat zwei vollkommen gesunden Frauen die Empfehlung ausgesprochen, sich krank schreiben zu lassen. Mit der vortäuschten Arbeitsunfähigkeit hätten sie die Wittener Firma Sico beinahe zum Stillstand gebracht. Geschäftsführer Ralf Skoda hat einen Anwalt eingeschaltet, der Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hat. Kreisdirektor Paul Höller reagiert und macht klar: „Ja, da ist wirklich Mist gebaut worden.“

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Der Ursprung der Geschichte liegt bereits im Februar. In einem Büroraum des Silicon verarbeitenden Betriebs in Witten war es zu einem Corona-Fall gekommen. Einige der Angestellten schickte das Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises daraufhin in Quarantäne. Unsicherheit grassierte nun aber aufgrund des positiven Falls und des korrekten Umgangs damit auch bei den anderen Mitgliedern in der Firmen-Verwaltung. Zwei Frauen, die nicht selbst erkrankt waren, keinerlei Symptome zeigten und auch keine Voraussetzung erfüllten, um in Quarantäne gehen zu müssen, wandten sich am 8. Februar an das Pandemie-Telefon des Kreises. Sie wollten sich davon überzeugen, dass die Maßnahmen alle korrekt sind, andererseits nachfragen, wie sie sich richtig verhalten sollen.

Firmenkontrolle angedroht

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Die Mitarbeiterin bestätigte, dass sie nicht in Quarantäne müssen, empfahl ihnen jedoch, sich einfach krank schreiben zu lassen, um nicht zur Arbeit gehen zu müssen. Das hatte zur Folge, dass eine der beiden Frauen noch am selben Tag die Arbeit niederlegte, beide am nächsten Tag einen gelben Schein vorlegten. Seine Angestellten erzählten Ralf Skoda von der Empfehlung des Kreises. „Das ist aus meiner Sicht Anstiftung zum Betrug, zumal die daraus resultierenden Folgen für die Aufrechterhaltung unserer Produktion eklatant gewesen wären. Mit dem unnötigen Ausfall der beiden letzten Mitarbeiterinnen – weitere waren ja bereits krank oder in Quarantäne – war meine Auftragssachbearbeitung blank“, erläutert er die Lage für seinen Betrieb.

Skoda rief seinerseits die Mitarbeiterin des Kreises an, um Klarheit in der Angelegenheit zu erhalten. Zweimal telefonierten die beiden miteinander. Doch ein Zurückrudern der Corona-Beraterin erfolgte nicht. Sie bestätigte, dass sie keine Quarantäne für die beiden Frauen anordne und ebenso, dass sie die Empfehlung ausgesprochen habe, sich einfach beim Hausarzt eine Krankschreibung zu holen, um auf diesem Wege der Arbeit fern bleiben zu können. „Das habe ich nicht akzeptiert, wollte eine Erklärung. Mein Betrieb stand fast still, und schließlich habe ich auch eine soziale Verantwortung für meine anderen Mitarbeiter sowie meinen Kunden gegenüber“, erinnert sich der Sico-Geschäftsführer.

Paul Höller, Kreisdirektor, entschuldigt sich für das Verhalten seiner Mitarbeiterin.
Paul Höller, Kreisdirektor, entschuldigt sich für das Verhalten seiner Mitarbeiterin. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Umso mehr überraschte ihn die Reaktion der Kreismitarbeiterin. Die war an Schadensbegrenzung nämlich offenbar nicht interessiert, drohte ihm, das Gesundheitsamt werde in seiner Firma ganz genau ermitteln, wenn er nicht aufhöre, mit ihr zu diskutieren. Erst das Telefonat mit einer anderen Mitarbeiterin des Gesundheitsamts brachte das Thema wieder in geordnete Bahnen. Diese nahm die Empfehlung, sich krank schreiben zu lassen, umgehend zurück, teilte mit, dass dies nicht rechtens sei, die Sico-Mitarbeiterinnen sofort ihre Arbeit wieder aufzunehmen hätten. Das taten sie dann auch.

Dienstaufsichtsbeschwerde

Ralf Skoda wollte diese Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. „Wenn dann solche Empfehlungen sogar von Behörden gegeben werden, darf man sich nicht wundern, dass bei Arbeitnehmern keinerlei Unrechtsempfinden mehr besteht, sich den gelben Urlaubsschein verabreichen zu lassen“, sagt der Sico-Chef, der mit Datum vom 18. März über seinen Anwalt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung einlegte. Die auf den 15. April terminierte Antwort von Kreisdirektor Paul Höller trägt den Eingangsstempel der Düsseldorfer Kanzlei vom 11. Mai. „Ich bedaure sehr, dass die Beratung ihrer Mandantin nicht korrekt war“, teilt Höller mit, der in seinem Schreiben die Vorgänge komplett bestätigt. Die Mitarbeiterin sei keine Beamtin gewesen und auch keine langjährige Angestellte des Gesundheitsamtes des Kreises, sagt Höller.

Er erläutert: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamts waren in den Hochphasen der Pandemie nicht dazu in der Lage, das Telefonaufkommen allein zu bewerkstelligen. Daher haben wir viele neue Leute eingestellt, die die telefonische Beratung der Bürgerinnen und Bürger am Telefon mit übernehmen sollten.“ Dies geschah bereits seit dem vergangenen Oktober und in diesem Zuge der Einstellung vieler Fachfremder ohne Behördenerfahrung sei auch die betreffende Mitarbeiterin zum Ennepe-Ruhr-Kreis gestoßen. Alle neuen Corona-Berater seien vor Dienstantritt geschult worden. Sie würden unter enormem Druck den Tag über auch mit aufgebrachten Bürgern zu tun haben. „Dies rechtfertigt aber natürlich nicht das Verhalten der Kollegin“, sagt der Kreisdirektor und weiter: „Sie ist über Verfahrens- und Vorgehensweisen und Ausbruchsgeschehen in Einrichtungen und Firmen sensibilisiert worden. Außerdem wurde sie darauf hingewiesen, auch in Stresssituationen stets höflich zu bleiben“, sagt Paul Höller, der sich zu weiteren disziplinarischen Maßnahmen nicht äußern will.

Ralf Skoda sieht die Sache ernster: „Die Anstiftung zu betrügerischem Verhalten aus einer Behörde hat nach meinem Empfinden schon einen ganz besonderen Charme, der mit dem lapidaren Hinweis auf getroffene Schulungsmaßnahmen nicht abgetan ist“, sagt er, hat bislang aber noch nicht auf Höllers Entschuldigung reagiert.