Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Ab Montag gelten verschärfte Corona-Maßnahmen. Landrat Olaf Schade reagiert verärgert auf Hickhack in Berlin. Handel reagiert mit Galgenhumor.

Exakt 10.000 Corona-Fälle im Ennepe-Ruhr-Kreis seit Ausbruch der Pandemie vermeldet der Ennepe-Ruhr-Kreis, 301 von ihnen sind verstorben. Die Inzidenz steigt, die Fallzahlen schießen in die Höhe. Die Kreisverwaltung könnte mit den aktuellen Inzidenzwerten bereits reagieren und deutliche Beschränkungen im öffentlichen Leben einführen. Weil ab kommenden Montag ohnehin wieder deutliche strengere Regen greifen, verzichtet der Kreis jedoch darauf. In der Geschäftswelt blickt ohnehin kaum noch jemand durch, Galgenhumor ist an der Tagesordnung.

Die Maßnahmen

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Klarer ist die Lage in Sachen Notbremse, hier hat Ministerpräsident Armin Laschet angesichts einer Inzidenz von mehr als 100 in Nordrhein-Westfalen angekündigt, sie zu ziehen. Am kommenden Montag, 29. März, soll dies nun umgesetzt werden. Was heißt das konkret? Im Prinzip ist dieser Schritt gleichbedeutend mit der Rücknahme der Öffnungsschritte von Anfang März. Betroffen von Schließungen sind beispielsweise das Einkaufen mit Termin, das Öffnen von Museen sowie Sport auf Sportplätzen.

„Im Ennepe-Ruhr-Kreis orientieren wir uns an dieser Vorgabe und setzen das, was mit der Notbremse verbunden ist, auch ab Montag um“, macht Michael Schäfer, Leiter des Krisenstabs im Schwelmer Kreishaus, klar, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis nicht bereits vorher drastischere Schritte macht. Zwar sei es theoretisch denkbar und rechtlich möglich mit einer auf den Kreis zugeschnittenen Verfügung bereits vorher Ge- und Verbote auf den Weg zu bringen. Denkbar wären hier beispielsweise Ausgangssperren, ein stärker eingeschränkter Schulbetrieb oder die Pflicht zum Tragen von Masken.

„Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens im Ennepe-Ruhr-Kreis sehen wir es Stand heute aber nicht als notwendig an, noch vor Montag Entsprechendes mit dem Land abzustimmen und uns genehmigen zu lassen“, sagt Schäfer.

Zum einen liege der Inzidenzwert für den gesamten Kreis derzeit relativ stabil bei um die 100. Zum anderen begründe sich dieser Wert vornehmlich mit der hohen Zahl von Neuinfektionen in Schwelm.

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„Hierauf hatte die Stadt bereits am Dienstag reagiert. Bücherei, Museum und Sportanlage wurden geschlossen, der Musikschulbetrieb findet wieder online statt und das Ordnungsamt wird insbesondere in der Innenstadt und vor den Schulen verstärkt kontrollieren, ob Auflagen eingehalten werden“, sagt der Leiter des Krisenstabs. Wie sich der Beschluss des jüngsten Bund-Länder-Gipfels ansonsten auf den Ennepe-Ruhr-Kreis auswirken wird, hänge davon ab, ob und in welcher Form die Landesregierung die Coronaschutzverordnung anpassen werde. Die derzeitige Fassung ist noch bis Sonntag, 28. März, gültig. Das Chaos in Berlin sorgt auch im Schwelmer Kreishaus für kollektives Kopfschütteln und ein gewisses Maß an Ratlosigkeit.

Die Reaktion der Politik

Ruhetage und Notbremse – diese zwei Begriffe bestimmen auch im Ennepe-Ruhr-Kreis Diskussionen und Berichterstattung. Ruhetag – darüber, wie dieser im Arbeitszeitgesetz definierte Begriff einmalig auch für Gründonnerstag (1. April) und Karsamstag (3. April) gelten und damit den Weg für eine „erweiterte Ruhezeit zu Ostern“ freimachen sollte, gab es seit Dienstag viele Spekulationen. Auch innerhalb der Verwaltungen und Unternehmen im Ennepe-Ruhr-Kreis warteten die Verantwortlichen auf verbindliche Vorgaben.

Noch am Mittwochmorgen diskutierten beispielsweise Landrat, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über ein abgestimmtes Vorgehen in Kreis- und Rathäusern zwischen Breckerfeld und Hattingen, Herdecke und Schwelm. Mittwochmittag hatten das Warten und Diskutieren ein Ende, Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete das Aus für den erst 48 Stunden alten Beschlussteil zu den Ruhetagen.

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„Dafür Worte zu finden, fällt schwer“, kommentiert Landrat Olaf Schade die völlig unerwartete Wende. „Schon Ablauf und Ergebnisse des Treffens selbst waren wenig geeignet, um bei den Bürgerinnen und Bürgern die Vertrauenspunkte zu sammeln, die alle Akteure nach wie vor benötigen, um das Land, um die Menschen so unbeschadet wie möglich durch diese Pandemie zu bringen. Gut gemeint war an dieser Stelle leider alles anders als gut gemacht und zu Ende gedacht. Die Verantwortung hierfür liegt nicht bei der Kanzlerin allein, ihre Entschuldigung und die Fehlerkorrektur verdienen trotz allem Respekt.“

Die Reaktion des Handels

Der Einzelhandel in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal ist kollektiv auf der Palme (wir berichteten). Es fällt den Protagonisten vor allem aus den Werbegemeinschaften schwer, in irgendeiner Art und Weise Verständnis für den bevorstehenden Lockdown der Innenstädte aufzubringen. Sie begrüßen daher die Worte der Kanzlerin vom Donnerstag, die in ihrer Ansprache klar machte, dass niemand Landräte und Oberbürgermeister davon abhält, kreative Lösungen für die Innenstädte zu erdenken und umzusetzen, wie sie beispielsweise in Tübingen Schlagzeilen machten. Dort sind Läden und Außengastronomie unter bestimmten Voraussetzungen – Stichwort Tübinger Tagesticket – bereits seit einige Tagen vom Land Baden-Württemberg als Modellprojekt wieder geöffnet.

Die Infektionslage

Zwischen dem vorletzten Bund-Länder-Gipfel am 4. März und dem Treffen am Montag haben sich die Infektionszahlen im Ennepe-Ruhr-Kreis wie folgt entwickelt: Aus 9125 Infektionen wurden 9836, der Inzidenzwert steig von 78,06 auf 109,53 und statt 1053 waren 1491 Menschen in Quarantäne.

Den bisher höchsten Inzidenzwert – 233,87 – mussten die Verantwortlichen kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, verzeichnen. Anschließend dauerte es bis zum 26. Januar, bis der Wert wieder zweistellig (97,80) war. Nach dem Tiefstwert in 2021 – 55,84 am Freitag, 12. März – ist der Inzidenzwert seit Sonntag, 21. März, wieder dreistellig.