Gevelsberg/Bali. Stefan Flüs aus Gevelsberg nimmt den letzten Flieger vor dem Corona-Lockdown aus Deutschland. So führt er sein Geschäft jetzt von Bali aus.
Stefan Flüs ist dort, wo ihn sein Herz hinführte. Er lebt in einem Strandhaus auf Bali, hat das Leben gefunden, was er sich immer gewünscht hat und das zu ihm passt. „Möglich gemacht hat dies die schöne neue Welt“, sagt der Gevelsberger und beginnt zu erzählen.
Wie er mit seinem Laptop und einer Idee im Gepäck den letzten Flieger nahm, der ihn aus Deutschland führte, bevor die Corona-Pandemie für Stillstand auf der Welt sorgte und den digitalen Fortschritt rasant beschleunigte. Und damit auch ihm etwas ermöglichte, worauf er schon lange hoffte: Freiheit und Unabhängigkeit und eine Aufgabe, die ihn erfüllt, an einem Ort, an dem er sich richtig fühlt.
Seine Freundin nimmt er gleich mit
Er gründete in Estland eine Firma, und bereitete so seine Auswanderung vor. Weil für ihn dort vieles einfacher war, wie er erklärt. In Deutschland habe es für Stefan Flüs nicht die Möglichkeit gegeben, seine Identität per Chipkarte zu bestätigen, rechtskräftig wichtige Dokumente zu unterschreiben, ein Konto zu eröffnen, ohne vor Ort zu sein. „Corona hat die Welt endlich digital vernetzt“, sagt der 30-Jährige. Auch wenn er sich diese Entwicklung aus anderen Gründen gewünscht hätte, die Notwendigkeit sei schon lange da gewesen.
Mit 14 hat er Dinge auf dem Trödelmarkt verkauft, mit 18 ein Gewerbe angemeldet und angefangen, das Internet als Verkaufsplattform zu nutzen. „Wenn man was macht, kommt immer was Neues dazu“, sagt er und erzählt von den Lampen, den Campingsachen, den Keramikartikeln und Spielen. Er begann ein Maschinenbaustudium, das er als Ingenieur für Automatisierungstechnik und Produktentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum beendete, doch ohne in dem Beruf zu arbeiten. Stattdessen reiste er durch die Welt und entfernte sich immer mehr von einem Leben hier.
Statt einer grimmigen Grundstimmung, wie er sagt, die viele in Deutschland hätten, der skeptischen Blicke, wenn man anders sei, sei er auf seinen Reisen auf Menschen getroffen, die ihm mit Toleranz und Freundlichkeit begegneten, auch wenn er mit Yogahose und Ukulele unterwegs war. „Die Menschen in Indonesien lachen, sie sagen, es ist gegen das Leben, wenn man nicht fröhlich ist.“
Engagement für Klimaschutz
Der Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren, reifte immer mehr. Für ihn steht fest: „Man hat immer die Möglichkeit, neue Wege zu gehen, durch das Internet kann man dort auch Fuß zu fassen.“ Ob er Angst gehabt hat? Natürlich, sagt er. Was ihm aber sein Arbeitsleben zeigte, „wenn man Mut hat und etwas wagt, geht es immer weiter, findet man gute Lösungen.“
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Als sich im März die Lage zuspitzte, sah er seine Chance, vielleicht die letzte für lange Zeit, also ließ er Gevelsberg hinter sich und landete auf Bali. Von dort aus vertreibt er nun einen Baumbeutel, der um den Stamm gefasst wird und über Stunden tröpfchenweise Wasser abgibt. Eine Tiefenbewässerung, die nachhaltig ist und Bäume vor anhaltender Trockenheit schützt. Stefan Flüs nennt das Produkt „Baumbad“ und berichtet, dass mehr als 300 Städte und Kommunen in Deutschland Kunden sind, um ihre Stadtbäume vor der Klimaerwärmung zu schützen.
Seine Freundin Tülli hilft mit auf seiner Internetseite, die er Baumbad.de genannt hat. „Ich habe Tülli erst wenige Monate vorher kennen gelernt“, sagt er. Und doch sei sie kurzentschlossen mitgekommen, habe ihren Job gekündigt und mittlerweile auch ihre Wohnung. „Sie und ich schaffen alles zusammen, weil wir an die Liebe glauben.“
Unterstützt wird er auch von Mitarbeitern, die in Georgien, Griechenland, Berlin, Düsseldorf und Gevelsberg leben, zumindest aktuell. Das Schöne an seiner Arbeit sei, dass sie von überall getan werden könne.
„Ich mache zum ersten Mal etwas, das ich liebe und das mich wirklich interessiert“, sagt Stefan Flüs und erzählt von dem Zufall, der sein Leben so veränderte – als er auf der Suche war nach einer Bewässerungshilfe für den Garten seines Vaters. Wolfgang Flüs hat eine blühende Oase hinter dem Haus, kümmert sich um 1600 Quadratmeter Grünfläche. Doch auch hier haben die heißen Sommer ihre Spuren hinterlassen.
Digitale Welt macht es möglich
„So einen Baumsack gab es in Deutschland zu dieser Zeit noch nicht, mittlerweile ist die Nachfrage sehr groß.“ Er habe mehrere Kooperationspartner, eine Lagerhalle in Deutschland, einen wachsenden Kundenstamm. Ob er davon leben kann? Ja, sagt er. Besser als er es in Deutschland könnte. Er hat etwa 1200 Euro und beschäftigt davon Angestellte, gibt in eine App ein, was eingekauft werden soll, hat einen Pool, und die Gelegenheit gut zu leben.
„Man muss sich in der Arbeitswelt entscheiden: Zeit oder Geld“, sagt er. Für ihn ist Zeit das Wichtigste. „Damit geht man nicht immer den besten oder einfachsten Weg, aber das Digitale macht es möglich, die Freiheit zu haben, wählen zu können.“
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Dieses Jahr will Stefan Flüs noch auf Bali bleiben. Und dann? „Ich weiß es noch nicht“, sagt er. Wie es mit seinem Geschäft weiter gehen soll, hat er aber ganz genau vor Augen. Er will Gartenberatungen via Internet anbieten, Ratgeber schreiben, mit Baumärkten und Gartencentern zusammenarbeiten und noch andere Produkte in sein Programm aufnehmen, die gut für die Natur sind, nachhaltig und zukunftsgerichtet. Zudem ist für das nächste Jahr geplant einen Teil der Gewinne zu nutzen, um Bäume pflanzen zu lassen und Baumpartnerschaften ins Leben zu rufen.
„Die digitale Welt macht es möglich, etwas zu finden, was zu einem passt, wenn man sich anpasst“, sagt Stefan Flüs und betont: „Liebe ist die Antwort auf alles.“