Ennepetal/Wuppertal. Sein Betreuer weiß nicht, dass der 28-Jährige nicht schwimmen kann. Der geistig behinderte Mann steigt in den Stausee - und geht unter.

Auf unglaublich tragische Weise ist ein 28-Jähriger im Beyenburger Stausee ertrunken. Nachdem Passanten ihn zunächst aus dem Wasser gezogen und reanimiert hatten verstarb der Wuppertaler am Abend des 9. Augusts im Schwelmer Helios-Klinikum.

Es ist Sonntagnachmittag, etwa 15.30 Uhr, die Sonne brennt, es herrscht auch am See eine drückende Hitze, das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad an. Auf den Uferstücken, die freigeschnitten sind, sitzen viele Menschen, ruhen sich aus, einige sind im See, schwimmen, kühlen sich ab. Mit direktem Blick auf dieses entspannte Treiben geht der 28-Jährige auf der Straße Porta Westfalica spazieren.

Ausgezogen und ins Wasser gegangen

Der Mann stammt aus dem Irak, ist geistig behindert und in Begleitung eines 69-Jährigen. Der ist ehrenamtlicher Betreuer des Wuppertalers, kümmert sich darum, dass es ihm gut geht, gibt ihm Hilfestellung bei Dingen, die er nicht allein bewerkstelligen kann.

Der Beyenburger Stausee auf der Grenze zwischen Wuppertal und Ennepetal: Hier ereignete sich die tödliche Tragödie.
Der Beyenburger Stausee auf der Grenze zwischen Wuppertal und Ennepetal: Hier ereignete sich die tödliche Tragödie. © Alex Talash | Alex Talash

Offenbar verspürte der 28-Jährige bei der Gluthitze auch Lust auf eine Abkühlung. Laut Angaben der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr hat er sich den Oberkörper frei gemacht und ist dann das Ufer hinab gegangen, um in den Stausee zu steigen. Der Betreuer dachte sich nichts dabei und schaute dem Wuppertaler hinterher. Erst als dieser untergetaucht war und nach einiger Zeit nicht mehr an die Oberfläche kam, bekam der Betreuer Angst.

Was der 69-Jährige nicht wusste: Der Iraker konnte nicht schwimmen. Der Senior rief um Hilfe, und blitzschnell reagierten einige Passanten, die näher am Wasser waren. Die tauchten nach dem 28-Jährigen, fanden ihn bald, zogen ihn an Land und begannen umgehend mit der Reanimation des Mannes.

Um 15.40 Uhr ging der Notruf ein. Rettungskräfte rasen zu der Unglücksstelle, die Mediziner und die Feuerwehr werden später den herausragenden Einsatz der Ersthelfer loben. „Sie haben alles richtig gemacht. Der Betroffene hat dank der schnellen Reaktion und der sofort eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen überhaupt nur eine Überlebenschance gehabt“, sagt Jürgen Weissflog, Einsatzleiter der Feuerwehr Ennepetal.

Polizei geht von einem Unfall aus

Weiter um sein Leben kämpfend fahren die Mediziner mit dem 28-Jährigen in das Helios-Krankenhaus Schwelm. Doch am Ende halfen all die Mühen nicht mehr. „Um 21.30 Uhr erhielten wir die Nachricht aus dem Krankenhaus, dass der Mann verstorben ist“, sagt Sonja Wever, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde auf Nachfrage dieser Zeitung.

Auch wenn der Mann mit größter Wahrscheinlichkeit ertrunken ist, wird sein Leichnam obduziert werden, um hundertprozentige Gewissheit zu haben, dass keine andere Todesursache vorliegt.

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„Wir gehen von einem Unfall mit Todesfolge aus“, sagt die Polizeisprecherin. Heißt: Den Betreuer, der diese Aufgabe rein ehrenamtlich übernimmt, trifft laut polizeilicher Auffassung keine Schuld. Auch habe er keine Aufsichtspflicht oder ähnliches verletzt. „Er wusste einfach nicht, dass der Wuppertaler nicht schwimmen kann“, sagt Sonja Wever.

Geschockt waren am Sonntagnachmittag auch Augenzeugen der Tragödie am Beyenburger Stausee auf der Stadtgrenze zwischen Wuppertal und Ennepetal.

Notfallseelsorger im Einsatz

Vor allem Kräfte des DRK betreuten 15 – überwiegend jugendliche Augenzeugen – des dramatischen Unfalls. Um ihnen beizustehen, waren zusätzlich zwei Notfallseelsorger vor Ort. Zwei der Jugendlichen standen nach den schrecklichen Ereignissen an diesem Sonntagnachmittag derart unter Schock, dass auch sie in ein Krankenhaus gebracht werden mussten.