Gevelsberg. Gevelsberger Kirmesverein sendet mit dem Anblasen ein emotionales Zeichen in die Häuser der Stadt. So wird die Kirmes 2020 gefeiert.
Markus Loetz sitzt in seinem Büro. Das sollte nicht sein, sagt er. Er sollte weder entspannt noch bei der Arbeit sein. Er sollte Stress haben, die Kirmesmeile auf und ab gehen, unglaublich viel zu tun haben. Er dachte, er hätte sich an den Gedanken der coronabedingten Absage gewöhnt. Doch: „Je näher der Kirmestermin rückt, umso mehr schmerzt es. Es fühlt sich wie eine Leere an“, sagt der Erste Vorsitzende des Kirmesvereins. Und soll ein wenig gefüllt werden. Mit der Gevelsberger „Kirmes im Herzen“, mit einem kleinen Programm und schönen Erinnerungen.
Und jetzt ist er da, der Tag, an dem die Kirmes beginnen sollte. Eigentlich.
Vorfreude auf 2021
„Ich bin froh, wenn das hier am Dienstagabend vorbei ist und die Vorfreude auf die nächste Kirmes beginnen kann. 2021 hauen wir sowas von einen raus“, sagt Markus Loetz und lacht. „Wir kommen stärker zurück.“
Doch jetzt muss der Vorsitzende des Kirmesvereins erst einmal die Elberfelder Straße hinaufgehen. Das Anblasen steht an. „Es ist uns eine Herzensangelegenheit“, sagt er. „Wir wollen ein emotionales Zeichen senden, das in alle Gevelsberger Haushalte via Livestream ankommen soll.“ Jeder könne dabei sein – nur eben von zuhause aus. Die Böllerschüsse sind vielleicht noch ein bisschen lauter als sonst. Noch so ein Symbol mit Strahlkraft mitten ins Ohr und ins Herz der Kirmesfreunde.
Gevelsberger Kirmes 2020
Einige hätten sich für Sonntag verabredet, sie wollen die Kirmeszugstrecke abgehen. Das könne er nicht, sagt Markus Loetz, das kriege er nicht übers Herz. Er freut sich aber, dass die „Kirmes im Herzen“ bei den Menschen ankommt. Die Kirmesfreunde haben ein Lied geschrieben und für die Gevelsberger aufgenommen, die Kirmesfahnen seien sofort weg gewesen und die Spendenaktion für die Schausteller sei eine Herzensangelegenheit. Bis Dienstag könne jeder noch spenden, um den 168 Schaustellern zu helfen, sagt er. „Toll, wie wir alle zusammenstehen.“
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Die Gevelsberger halten Abstand und sind doch zusammen, treffen sich, tauschen im Internet Fotos aus und schwelgen in schönen Erinnerungen. „In 20 Jahren Kirmes kommt einiges zusammen“, sagt Loetz, die „Mühlenhämmer-Chef-Spülmaschine“, wie er auch genannt wird, und beginnt zu erzählen. „Zwei, drei Jahre ist es nun her. Ich hatte Hunger und die Schlange bei Maria war mal wieder sehr lang.“ Er schlich sich vorbei an der mobilen Pizzabude in die Vorratskammer, „dort habe ich mir dann eine Tomate ausgeliehen und wurde natürlich erwischt.“ Daraus wurde eine Tradition: „Immer, wenn der Bierstand aufgebaut wird, gibt es für mich eine Tomate“, sagt er und lacht.
Jetzt hat Markus Loetz ein Mikrofon in der Hand und spricht zu den Menschen, die zuhause geblieben sind, bedankt sich, dass der Juni von allen so mit Leben gefüllt wurde. Es sei traurig und schön gleichzeitig. Und das Gemeinschaftsgefühl in der Stadt mache ihn stolz.
Bewegendes Gemeinschaftsgefühl
Bernd Matthäi steht neben ihm an der Kirmesmauer. Seit elf Jahren ist er Hammerschmied, dies sei das seltsamste Erlebnis. Und sein schönstes? Dass er in einem Jahr zwei Mal am Kirmeszug teilnehmen durfte. Erst als Symbolfigur auf dem ersten Wagen, dann mit seiner Kirmesgruppe Im Dörnen. „Ein Motorrad brachte mich zurück zum Aufstellungsplatz. Ich zog mich um und kam gerade rechtzeitig zum Start.“ „Zurück in die Zukunft“ lautete damals das Motto. Die Kirmes 2020 würde er auch gerne überspringen.
Was er besonders toll an der längsten Nacht findet? „Die vielen Begegnungen und Gespräche, man trifft Menschen, die man das ganze Jahr nicht gesehen hat.“ An diesem Wochenende wird stattdessen mit ein paar Leuten gegrillt, „alles im Corona-Rahmen“, sagt er. „Wir wollen das Kirmes-Virus am Leben halten.“ Sein Tipp an die Gevelsberger: „Legt das Geld an die Seite, das Ihr in diesem Jahr spart, damit könnt Ihr es 2021 krachen lassen.“
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Seine Worte verhallen an der Kirmesmauer. Normalerweise stehen die Menschen zum Kirmesauftakt dicht an dicht gedrängt, gut gelaunt und voller Euphorie an diesem Ort. Jetzt wirken die Standartenträger der Kirmesgruppen und die Mitglieder des Kirmesvorstandes verloren auf dem großen Platz. Die Zuwegung wurde abgesperrt, eine Sicherheitsvorkehrung, um die Menschen auf Abstand zu halten.
Zumindest ein Kirmesbier gibt es im Anschluss an das Anblasen. Bei den Hippendörfern. So wie immer. Aber es schmeckt anders.