Gevelsberg. Die Stadt Gevelsberg sperrt an einem Wochenende die Mittelstraße, um Gastronomen mehr Platz zur Bewirtung zu geben. Das steckt hinter der Aktion.

In der Gastronomie war die Hoffnung auf die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen groß. Viele Betriebe kämpfen um nicht weniger als ihr eigenes Überleben. Dementsprechend groß ist nun auch die Ernüchterung. Seit die Gaststätten wieder öffnen dürfen, fehlen die Gäste. In der Stadt Gevelsberg möchte ein Bündnis aus Branchenvertretern und Stadtverwaltung jetzt ein Zeichen der Solidarität setzen. An einem Wochenende soll daher die Mittelstraße für den Verkehr gesperrt werden. Den freigewordenen Platz nehmen dann Tische und Stühle ein. So soll genug Raum sein, um mehr Gäste als bisher unter den aktuell geltenden Hygiene- und Präventionsvorschriften zu bewirten.

Gäste bleiben weg

„Die Branche steht mit dem Rücken zur Wand“, macht Lars Martin, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Westfalen, klar. Er zitiert aus einer Umfrage seines Verbands unter mehr als 1000 Gastronomiebetrieben in Nordrhein-Westfalen. Demnach haben 75 Prozent der Betriebe in der ersten Öffnungswoche weniger als 50 Prozent des Umsatzes gemacht, den sie im Vorjahresmonat gemacht haben.

Martin war am Freitag in Gevelsberg, um die sogenannte Gevelsberger Erklärung zu unterzeichnen – einen Appell an die Politik auf Bundes- und Landesebene. Zu seinen Mitunterzeichnern gehören Ralf Hedtmann in seiner Funktion als Vorsitzender des Wirtevereins Gevelsberg und Bürgermeister Claus Jacobi.

Auch Lösungen für andere Lokale

Gastronomiebetriebe, die nicht unmittelbar an der Mittelstraße liegen, sollen sich bei der Aktion zur „Gevelsberger Erklärung“ nicht vergessen fühlen.

Laut Bürgermeister Claus Jacobi gibt es bereits konkrete Überlegungen, wie beispielsweise auch dem Pub 18 an der Rosendahler Straße oder dem Hotel am Vogelsang, das an der Hagener Straße liegt, geholfen werden kann. So soll der Pub 18 einen Biergarten im öffentlichen Raum ausgestalten dürfen. Auch für das Hotel Alte Redaktion und das Restaurant Hoch Zehn an der Hochstraße solle eine Lösung gefunden werden.

Bei der Aktion handelt es sich um ein Ergebnis der Telefonkonferenzen, die Bürgermeister Claus Jacobi in den vergangenen Wochen mit Vertretern von Vereinen, unter anderem aber auch aus der Wirtschaft und eben der Gastronomie abgehalten hat. Im Zuge der Konferenzen konnten diese Vertreter ihre Sorgen und Ängste in Zeiten der Covid-19-Pandemie äußern.

„Wir möchten unserer brennenden Sorge Ausdruck verleihen, dass die Zukunft unserer örtlichen Gaststätten, Hotels und Gastronomiebetriebe aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie existenziell gefährdet ist“, liest es sich in der Erklärung. Die absolut notwendigen Hygiene- und Präventionsvorschriften dürften von niemandem in Frage gestellt und müssten eingehalten werden. „Gleichwohl belasten und hemmen sie die Umsatzentwicklung des Gastronomiegewerbes immens“, heißt es weiter.

Darüber hinaus ruft das lokale Bündnis aus Dehoga, Wirteverein und Stadtverwaltung die Landes- und Bundespolitik sowie alle gesellschaftlich relevanten Kräfte dazu auf, einen zweiten wirkungsvollen Rettungsschirm speziell für das Gastgewerbe und bundesweite Solidarität mit ihm ins Leben zu rufen.

Mehr Sondernutzungsfläche

„An die Erklärung anknüpfend wollen wir aber auch ein lokales Signal setzen“, verrät Bürgermeister Jacobi und erklärt: „Wir haben uns gefragt, wie wir den Umsatz der Betriebe in den kommenden Wochen steigern können, ohne die Vorschriften zu verletzen.“ Am schwierigsten bei der Einhaltung sei das Thema Platz. Am Wochenende nach Fronleichnam soll deshalb kein Verkehr über die Mittelstraße rollen.

So entsteht mehr Sondernutzungsfläche für großflächigere Raumkonzepte. Die Gastronomen können mehr Tische unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands aufstellen. Das Signal an die Gäste: Hier kann man ohne jede Sorge einkehren. „Wir wollen zeigen, dass Gastronomie auch in dieser Zeit geht“, so der Bürgermeister.

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Die Sperrung der Mittelstraße soll am Samstagnachmittag, 13. Juni, beginnen. Schluss ist am Sonntagnachmittag. Betriebe, die sich an der Aktion beteiligen wollen, müssen sich bis Freitag, 29. Mai, bei der Stadt Gevelsberg dafür anmelden. So gibt es es genügend Vorlauf zur Planung. „Die Betriebe, die sich nicht melden, können ihr ganz normales Standardprogramm machen“, sagt Jacobi. Es handele sich hierbei um keine Veranstaltung. Es wird kein Rahmenprogramm geben. Es geht ausschließlich um die Gastronomie. Zur Unterstützung des Ordnungsamtes soll es an dem Wochenende zusätzliches Sicherheitspersonal geben, das auf der Mittelstraße unterwegs ist.

Weitere Absprachen nötig

„Wir freuen uns, dass das hier so komplikationslos vonstatten geht“, sagt Ralf Hedtmann, der auch das Papillon an der Mittelstraße betreibt. „Wir müssen mit dem Ordnungsamt jetzt klären, wie weit wir mit den Tischen und Stühlen raus können. Außerdem müssen wir gucken, wo wir noch zusätzliche Tische und Stühle herbekommen.“ Von Dehoga-Vertreter Lars Martin kommen lobende Worte. „Ich bin froh, dass wir in Gevelsberg einen starken Zusammenhalt unter den Gastronomen haben“, sagt er. „Das hier ist ein fruchtbarer Dialog.“ Dieser sei beispielhaft für viele andere Städte, so Martin.