Gevelsberg. Der frühere Gevelsberger City-Manager Frank Manfrahs spricht über Corona, deutsche Innenstädte und seine lange Zeit in Gevelsberg.

Von 2008 bis 2017 war Frank Manfrahs Citymanager in Gevelsberg. In seinem Fachbuch mit dem Titel „Citymanagement“, das er vor Kurzem geschrieben hat, erwähnt er auch einige Praxis-Beispiele aus Gevelsberg. „Überall, wo ich tätig bin oder Vorträge halte, berichte ich positiv über Gevelsberg“, sagt er zu Beginn des Gesprächs mit dieser Zeitung.

„Innenstadt-Belebung mit System – starke Zentren mit Erlebnisqualität gestalten“ lautet der Untertitel Ihres Buchs, das im Dezember beim renommierten Verlag Springer Gabler veröffentlicht wurde. Wie kamen Sie dazu, ein Buch zu schreiben?

Frank Manfrahs: Für die Tätigkeit im Stadtmarketing oder als Citymanager gibt es keine klassische Ausbildung. Die Stellen in den einzelnen Städten sind sehr unterschiedlich besetzt und es gibt kaum handlungsorientierte Hilfen zur Einarbeitung. Meine Absicht war es, einen strukturierten sowie sehr praxisorientierten Gesamtüberblick über das immens breitgefächerte inhaltliche Spektrum zu geben. Da war es natürlich toll, dass der Springer-Gabler-Verlag das Buch sofort herausbringen wollte.

Auch viele Gevelsberger haben Ihnen zu Ihrem Buch gratuliert.

Ja, darüber habe ich mich sehr gefreut. Durch die Themenvielfalt meines Arbeitsbereichs hatte ich während meiner Gevelsberger Zeit mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Es sind viele schöne, teils freundschaftliche Kontakte entstanden, von denen einige natürlich noch Bestand haben.

Dieses Buch hat Frank Manfrahs geschrieben.
Dieses Buch hat Frank Manfrahs geschrieben. © WP | LiloIngelath-Gegic

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass „ein Niedergang unserer oftmals wunderbaren Stadt- und Ortszentren nicht nur ein großer wirtschaftlicher, sondern auch ein gesellschaftlicher Verlust“ wäre. Dem haben Sie in Gevelsberg zehn Jahre lang erfolgreich entgegengewirkt.

Als ich meine Arbeit in Gevelsberg begann, wurde wenig später die neue Mittelstraße eröffnet. Das war eine gute Basis, auf der wir aufbauen konnten. Sämtliche Innenstadt-Akteure wurden einbezogen und halfen mit. Das Gastronomie-Angebot verdreifachte sich innerhalb weniger Jahre und fast alle dazugehörigen Betriebe bieten Außenplätze an. Es gab immer eine gestalterische Grundlinie, auf die sich alle einigen konnten. Aus dem Quellenfest wurde der Boulevard Gevelsberg und auch andere neue Veranstaltungsformate wie zum Beispiel der Martinsmarkt wurden und werden gut angenommen. Wichtig war in diesem Zusammenhang die im Rahmen des Citymanagement-Prozesses frühzeitig entwickelte Markenaussage „City Gevelsberg – erfrischend anders“, die in der Folge als Leitlinie für sämtliche Projektentscheidungen diente.

Auf Ihrer Homepage steht, Sie seien ein „kreativer Ideengeber“.

Kreativität liegt mir am Herzen. Ich habe mich schon während meines BWL-Studiums gezielt mit dem Thema Kreativität als Voraussetzung für innovatives Denken und Handeln beschäftigt. Zur Entwicklung von Ideen im Bereich Stadtentwicklung gehört es aber zwingend, alle Akteure vor Ort anzusprechen und einzubeziehen. Das lässt sich nicht vom Schreibtisch aus erledigen. Für jeden muss deutlich sein: „Das ist unser aller Projekt!“. Kommunen standen schon immer im Wettbewerb untereinander. Konkurrenz spüren Standorte also nicht erst, seit die Menschen im Internet einkaufen. Das Thema „Die Innenstadt als Erlebnis“ wird immer bedeutsamer, wobei die Erlebnisvermittlung bereits im öffentlichen Raum beginnt und dann in Einzelhandel und Gastronomie in aller Konsequenz fortgeführt werden muss. Ich bin viel unterwegs, schaue mich an anderen Orten um und lasse mich inspirieren. In einem Outletcenter in Wolfsburg habe ich zum Beispiel eine überdimensionale Einkaufstasche entdeckt und diese Idee mit nach Gevelsberg gebracht. Die erste Version der Tasche, die wir mit Pro City am Timpen aufgestellt hatten, flog wetterbedingt leider recht bald weg. Die beauftragte Firma entwickelte daraufhin eine stabilere Konstruktion und nun steht die Gevelsberger Riesentasche bereits seit 2012 an der Kreuzung Lusebrink/Wasserstraße und begrüßt dort Autofahrer und Passanten als eine Art kreatives Ortseingangsschild zur Innenstadt. Mit solch kreativen Projekten erlangt man innerhalb einer Region in positiver Weise Einzigartigkeit und Aufmerksamkeit. Und genau das ist es, worum es im Wettbewerb geht.

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Wo liegen zurzeit die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?

Ich bin als selbstständiger Berater und Dienstleister für verschiedene Standorte tätig. Ein wichtiges Projekt ist zurzeit die Innenstadtentwicklung von Wuppertal-Barmen. Dort geht es vor allem um eine klare Profilbildung, damit Besucher und Kunden zukünftig schnell erkennen können, wofür das Barmer Zentrum steht und was sie dort erwartet. Ein Schwerpunkt soll hier die „Kultur für jedermann, die zu den Menschen auf die Straße kommt“, sein. Die Innenstadt als eine Art Bühne gewissermaßen, wodurch unter anderem natürlich auch der Einzelhandel gefördert werden soll. Außerdem arbeite ich als Quartiersmanager in Hagen-Hohenlimburg. Auch hier geht es um die Gestaltung der Zukunft mithilfe einer klaren Profilbildung. „Erlebnisvielfalt zwischen Schloss und Lenne“ ist dort unser inhaltlich zu füllendes Zukunftsmotto. Und in Erkelenz unterstütze ich das Stadtmarketing in Form des von mir entwickelten Formates „Immobilien-Dialog Innenstadt“, das die Einbeziehung, Beratung und Förderung der Hauseigentümer im Zusammenhang mit dem Thema Stadtentwicklung zum Ziel hat. Darüber hinaus gebe ich noch Seminare zum Thema Citymanagement.

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Das Einleitungskapitel Ihres Buchs heißt „Was Innenstädten den Todesstoß versetzt“. Sind die Auswirkungen der Corona-Krise ein Todesstoß für die Innenstadt?

Es gibt staatliche Hilfen für die betroffenen Unternehmen, insbesondere auch in Einzelhandel und Gastronomie. Zudem sollten die Inhaber – zumindest von alteingesessenen Betrieben – über Rücklagen in einer Höhe verfügen, mit denen sie eine kleinere „Dürreperiode“ überbrücken können. Es kann ja auch andere Phasen geben, in denen man einige Wochen durchhalten muss, zum Beispiel krankheitsbedingt. Während der mehrwöchigen „Zwangsschließung“ der Geschäfte war es wichtig, dass diese das Machbare an Service aufrechterhalten haben. Es ging dabei nicht nur um Umsatzerzielung, sondern auch darum, möglichst nah am Kunden zu bleiben, damit er dem Unternehmen auch während der Krise treu bleibt und später wiederkommt. Ich war begeistert, als ich auf der Seite von Pro City Gevelsberg gesehen habe, wie viele Betriebe vor Ort in dieser schwierigen Situation Warenauslieferung, Abholung, telefonische Kaufberatung oder Online-Versand angeboten haben. Jetzt, da die meisten Geschäfte wieder öffnen dürfen, sollten diese ihre neu aufgebauten Serviceangebote nicht „einstampfen“, sondern sorgsam schauen, ob deren Weiterführung machbar ist und sinnvoll sein könnte. In der Gesamtbetrachtung ist jedoch leider mit einzelnen Corona bedingten Geschäftsaufgaben zu rechnen, insbesondere in der Gastronomie. Trotzdem vermute ich aus jetziger Sicht, dass Corona insgesamt nicht den Todesstoß für die Innenstädte bedeutet.

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In Ihrem Buch gibt es 16 konkrete Checklisten und Arbeitshilfen zur Bewältigung von aktuellen Krisensituationen. Haben Sie auch Tipps zur Wiederbelebung des innerstädtischen Handels nach der Corona-Krise?

Das Lernen aus dieser Krise ist eine Chance für die Innenstädte. Es wird jetzt einen großen Schub in Richtung Digitalisierung und Servicedenken geben. Viele Händler haben während der vergangenen Wochen online den Kontakt zu ihren Kunden gehalten und auch Ware ausgeliefert. Ich rate jedem, der sein Geschäft zumindest noch ein paar Jahre lang betreiben will, im Internet mit einer aussagefähigen und möglichst professionell und zeitgemäß wirkenden Darstellung seines unternehmerischen Angebots gefunden werden zu können. Gut wäre ein neues Zusammenrücken der Einzelhändler, zum Beispiel in Form von Liefergemeinschaften. Kurzum: Im besten Fall sollte die aktuelle Situation zu mehr Kreativität und Kooperation im innenstädtischen Einzelhandel führen.