Ennepe-Ruhr. Im EN-Kreis kommen auf 324.000 Einwohner aktuell 73 akut Corona-Kranke. So schätzt Amtsärztin Dr. Sabine Klinke-Rehbein die Situation ein.

In Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg mit zusammen rund 91.000 Einwohnern leben 26 Menschen, die mit Covid 19 infiziert sind – Stand am Donnerstag, 23. April. Trotzdem scheint eine Ansteckungsgefahr allgegenwärtig zu sein. Ist unser Verhalten hysterisch oder angemessen, fragt Redakteurin Susanne Schild die Amtsärztin des EN-Kreises, Dr. Sabine Klinke-Rehbein.

Für den Ennepe-Ruhr-Kreis werden in den letzten Tagen kaum noch Neuinfektionen gemeldet. Zudem scheinen wir mit insgesamt 364 bestätigten Coronafällen bislang glimpflich davongekommen zu sein. Wie erklärt sich dieser Erfolg?

Klinke-Rehbein Es ist die Summe der Maßnahmen insgesamt. Also etwa der Schulschließungen oder der Kontaktverbote, die jeder für sich umsetzt. Zudem hat der Krisenstab des EN-Kreises viel Arbeit und Energie investiert, um bei einem bestätigten Fall die Kontaktpersonen ausfindig zu machen und ihnen Quarantäne zu verordnen. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass trotz der Maßnahmen der Gesundheitsdienste der ein oder andere nicht entdeckt wurde.

Dr. Sabine Klinke-Rehbein ist Amtsärztin des Ennepe-Ruhr-Kreis.
Dr. Sabine Klinke-Rehbein ist Amtsärztin des Ennepe-Ruhr-Kreis. © EN-Kreis

Nun könnte man sich trotzdem fragen: Warum sollte ich bei der geringen Anzahl an Infizierten den Einkaufswagen desinfizieren oder warum darf mein Kind nicht auf den Spielplatz?

Weil wir Disziplin wahren müssen. Die Devise heißt: Wir dürfen nicht nachlassen. Die Ausbreitung des Virus hat sich schön verlangsamt. Wenn wir das Leben jetzt schrittweise wieder hochfahren, muss man genau beobachten, wie sich das auf das Virus auswirkt.

Was halten Sie von den Lockerungsmaßnahmen - wie offene Schule oder Geschäfte?

Ich beobachte das mit gewisser Sorge, wobei ich die Geschäftsleute absolut verstehen kann. Alles hängt davon ab, wie diszipliniert jeder Einzelne sich weiterhin verhält. Ich befürchte, dass es nochmal einen Anstieg an Infektionen geben wird.

Anfangs wurde nur getestet, wenn man Symptome aufwies und einen Infektionsweg darlegen konnte. Haben Sie die Kriterien dafür gelockert?

Ja, die Testungen sind niederschwelliger. Wer keine Symptome zeigt, erhält auch keinen Test. Viele melden sich bei uns und wollen einfach wissen, ob sie positiv oder negativ sind. Aber wenn die Symptomatik passt, testen wir, auch wenn derjenige sich nicht erklären kann, wo er sich angesteckt haben könnte.

Wie groß ist denn der Andrang zum Beispiel im „Drive In“, der zentralen Abstrichstelle, in Schwelm?

Die Gesamtzahl der Besuche nimmt für die mobilen Testwagen als auch für die zentrale Abstrichstelle deutlich ab. Wir reagieren darauf. Die Abstrichstelle ist zum Beispiel nicht mehr jeden Tag geöffnet, wir sind aber in Bereitschaft.

Das Zahlenwerk zu Corona

Die untere Gesundheitsbehörde, wie der Ennepe-Ruhr-Kreis, meldet ihren Stand der bestätigten Coronavirus-Infektionen und Todesfälle täglich an das Landeszentrum für Gesundheit. Die Meldung erfolgt morgens und bildet den Stand des Vortags (bis 0 Uhr) ab.

Das Ministerium veröffentlicht anschließend eine Übersicht der Fallzahlen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Der Ennepe-Ruhr-Kreis ist angehalten, diese einheitlichen Fallzahlen zu kommunizieren und keine hiervon abweichenden Zahlen zu veröffentlichen.

Und wie viele Menschen könnten Sie dort testen?

Wir können bis zu 100 Fahrzeuge und ihre Insassen prüfen.

Wie ist Ihre Meinung zur Mundschutzdiskussion der vergangenen Tage?

Ich bin Verfechterin der Mund-Nasen-Bedeckung. Und ich glaube, das bisherige Zaudern der Regierung hilft nicht. Manche Leute brauchen einfach eine klare Vorgabe. Gerade wenn man es komisch findet, einen Mundschutz zu tragen, würde man dem leichter folgen, wenn es alle tun.

Tragen Sie denn bereits einen Mundschutz beim Einkauf?

Ja. Ich möchte ja auch mit gutem Beispiel vorangehen.