Butera/Gevelsberg. Der Bürgermeister von Gevelsbergs italienischer Partnerstadt Butera schildert die aktuelle Lage auf Sizilien in Zeiten der Corona-Pandemie.

Filippo Balbo ist nicht nur Bürgermeister von Gevelsbergs Partnerstadt Butera, er ist auch Arzt in dem Krankenhaus in Gela – nur wenige Kilometer von seiner Heimatstadt entfernt. Er ist sich sicher: „Das Leben nach dem Virus wird nie wieder das gleiche sein.“

Herr Balbo, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen, davon haben Sie gerade sicherlich nicht viel. Sie arbeiten in einem Krankenhaus und uns erreichen tagtäglich erschütternde Bilder aus Italien. Zuallererst: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

Filippo Balbo: Danke, meiner Familie und mir geht es gut.

Und wie geht es den Menschen in Butera? Viele Gevelsberger machen sich Sorgen um ihre Freunde in der Partnerstadt.

Im Moment gibt es in Butera keine auf Covid-19 positiv getesteten Menschen, aber es besteht große Angst vor dem, was in ganz Italien und auch in anderen Ländern Europas und der Welt geschieht.

Können Sie uns beschreiben, wie das Leben in Butera gerade aussieht?

In dieser Zeit scheint das Leben in Butera still zu stehen. Außer den Menschen, die den Grundbedürfnissen nachgehen, gibt es keine zu sehen. Es scheint fast so, als wäre Butera ein langweiliger Ort.

Zur Person

Filippo Balbo ist 59 Jahre alt.

Er lebt in Butera und ist dort auch Bürgermeister.

Filippo Balbo
Filippo Balbo © WP | Carmen Claudia Thomaschewski

Balbo arbeitet als Arzt im Krankenhaus von Gela, das ungefähr 14 Kilometer von Butera entfernt liegt.

Die Städtepartnerschaft zwischen Gevelsberg und der sizilianischen Stadt Butera wurde im Jahr 2004 begründet.

Das 15-jährige Städtepartnerschaftsjubiläum wurde im Mai 2019 groß und zeitgleich mit dem Boulevard Gevelsberg gefeiert.

Der Norden Italiens ist von der Corona-Pandemie am stärksten betroffen. Wie ist die Situation auf Sizilien?

Auch wenn Norditalien am stärksten betroffen ist, hat auch Süditalien viele Fälle von positiv Getesteten. In Sizilien gibt es bereits mehrere tausend Erkrankte und dutzende Tote.

Gerade erst ist die Ausgangssperre in Italien verlängert worden. Wie erleben Sie diese Zeit?

Das Dekret wurde verlängert und ich glaube, dass wir es noch einige Monate haben werden. Ich erlebe diesen Moment mit großer Sorge um meine Stadt, die ich regiere, und auch, weil ich täglich im Krankenhaus lebe und so viel Angst in den Menschen sehe.

Was fehlt Ihnen am meisten?

Mir fehlt die Gelassenheit, die ich vor ein paar Monaten noch hatte. Unter diesen Bedingungen zu arbeiten, ist nicht einfach. Ich spüre die Verantwortung, die ich gegenüber der Butera-Gemeinschaft habe, genauso wie ich diese gegenüber meinen Patienten im Krankenhaus fühle.

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Wissen Sie noch, wie alles begann? Was ist seitdem geschehen? Und was hat sich verändert?

Die ersten Fälle in Italien traten vor ungefähr zwei Monaten auf und breiteten sich dann langsam aus. Seitdem hat sich alles verändert, die Lebensweise, die Geselligkeit, das Verhalten der Menschen. Die Angst regiert über alle Menschen.

Einkaufen, arbeiten, Arztbesuche: Ist das überhaupt noch möglich? Und wenn ja, wie? Ist die Versorgung noch gesichert? Was glauben Sie?

Das Einkaufen ist nur für Grundnahrungsmittel wie Lebensmittel und Medikamente gestattet. Gearbeitet wir nur in erlaubten Kategorien und die Unternehmen leiden, da die Arbeit nur noch von zu Hause gestattet ist. Glücklicherweise ist die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln weiterhin garantiert.

Es herrscht ein strenges Kontaktverbot, um das Leben der Menschen zu schützen. Wie halten Sie die Verbindung zu Ihrer Familie?

Ja, das Dekret und auch die Verordnung der Bürgermeister belasten die Familienkontakte sehr. Viele wie ich nutzen Telefon- und Videoanrufe, um mit Familienmitgliedern zu kommunizieren.

Im Fernsehen sind Bilder von völlig erschöpften Ärzten und auch unzähligen Schwerkranken zu sehen: Beschreiben Sie bitte das, was Sie in Ihrem Krankenhaus erleben.

Ärzte und das gesamte Gesundheitspersonal sind erschöpft, sie können das alles nicht tragen, selbst wenn sie mit großer Leidenschaft und großer Motivation arbeiten. Selbst in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, arbeite ich mit Leidenschaft, aber mit großer Müdigkeit. Engagement ist sehr wichtig, aber es gibt keine Pausen, um sich zu erholen.

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Fehlt es in Ihrem Krankenhaus an medizinischer Ausstattung?

Mit der Leitung des Krankenhauses werden Anstrengungen unternommen, um uns auszurüsten und für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, auch wenn der Höhepunkt der Infektionen, wie ich denke, noch kommen wird.

Worüber machen Sie sich gerade am meisten Sorgen?

Die Hauptsorge ist, dass die Zahl der Infektionen so stark zunimmt, dass sie nicht eingedämmt werden kann, wie es in einigen norditalienischen Städten der Fall ist.

Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Situation in Ihrer Region im Süden Siziliens?

Für die Wirtschaft befürchte ich, dass es einen starken negativen Niederschlag geben wird, wie dies bereits auch schon geschieht. Es gibt auch große Bedenken hinsichtlich der Beschäftigung, Arbeitsplätze werden sicherlich verloren gehen. Ich hoffe auf eine wichtige staatliche Intervention, um diesem Phänomen entgegenzuwirken.

Was glauben Sie, wie wird es weitergehen?

Das Virus kann nur gestoppt werden, indem eine Ansteckung durch soziale Distanzierung verhindert wird und mit einem Impfstoff. Wenn er da ist, dann aber nicht kurzfristig. Für die Zukunft denke ich, sollten wir versuchen, uns einen Plan zu überlegen, um alles wieder aufzunehmen, was wir verloren haben. Aber es wird nicht einfach sein.

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Wie schaffen Sie es jeden Tag weiterzumachen?

Jeden Tag gehe ich weiter ins Krankenhaus, um zu arbeiten. Und ich organisiere auch das Leben in meiner Gemeinde.

Viele Gevelsberger haben einen engen Kontakt zu den Menschen in der Partnerstadt Butera. Gibt es etwas, das die Gevelsberger für Sie tun können?

Mit der Stadt Gevelsberg besteht eine sehr enge Beziehung, sowohl zu den dort lebenden Buteresi als auch zu allen deutschen Staatsbürgern und zur Stadtverwaltung. Wir fühlen das Gefühl der Freundschaft. Wir sind stolz und fühlen uns geehrt. Das ist das Wichtigste. Danke für das Mitgefühl und die Nähe.

Wie wird das Leben nach dem Virus aussehen?

Das Leben nach dem Virus wird nie wieder das gleiche sein. Wir hoffen, dass wir einige Werte wie Familie, Freundschaft und Liebe wiederentdecken, die vielleicht auf der Straße verloren gegangen sind.

Dieses Interview wurde übersetzt von Rita Sistermann.