Ennepetal. Krisenstimmung zum Thema PCB bei BIW in Ennepetal. Der EN-Kreis hat sich für heute dort angekündigt, der Firma droht ein Produktionsstopp.

PCB im Gewerbegebiet Oelkinghausen – und kein Ende in Sicht. Nun ist das Thema vollends in den Wahlkampf gerückt. Die Ereignisse überstürzen sich. Der Ennepe-Ruhr-Kreis demonstriert einen Tag vor der Bürgerversammlung am Freitag, 21. Februar, um 18 Uhr im Haus Ennepetal Stärke und hat sich mit weiteren Behördenvertretern für heute um 12 Uhr bei der Firma BIW angesagt. Der Termin stand zwar schon länger fest, die Androhung der Verfügungsverordnung, die einen Produktionsstopp zur Folge hätte, hat das Unternehmen aber erst gestern per E-Mail erreicht. Hinter der Geschäftsführung und ihrem juristischen Beistand liegt eine kurze Nacht. Bis 3 Uhr morgens dauerte die Krisensitzung. Heute um 11, 16 und 22 Uhr finden in dem in drei Sichten arbeitenden Unternehmen Betriebsversammlungen mit den 600 Mitarbeitern statt. Um 16 Uhr hat BIW zur Pressekonferenz eingeladen, die Mitarbeiter wollen zeitgleich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze protestieren.

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Von Susanne Schildund Stefan Scherer

Am Mittwoch hatte der EN-Kreis laut Aussage von BIW dem Unternehmen vorab per E-Mail angedroht, eine Verfügung zur Unterlassung der Vernetzung erlassen zu wollen. Das würde laut BIW das sofortige „Aus“ für 600 Arbeitsplätze bedeuten. Eine Insolvenz des Unternehmens wäre unausweichlich. Die systemrelevante Lieferketten würde europaweit zusammenbrechen, wenn keine Aussetzung der Vollziehung erreicht werden könne. Die BIW-Geschäftsführung zeigt sich fassungslos über diese Entwicklung und konstatiert: „Unsere bisherige Zurückhaltung ist gefallen, da das Tuch von der Aufsichtsbehörde des EN Kreises zerschnitten worden ist mit der Androhung der Untersagung.“ Die vorab Zustellung sei erfolgt, bevor das Unternehmen die Chance gehabt hätte, sein „Null-PCB Konzept vorzustellen“.

BIW bezieht ausführlich schriftlich Stellung

Der Kreis droht BIW mit der Erlassung einer Verfügung zur Unterlassung der Vernetzung. Das wurde das „AUS“ für BIW und die Insolvenz für das Unternehmen bedeuten, sagt die Geschäftsführung.
Der Kreis droht BIW mit der Erlassung einer Verfügung zur Unterlassung der Vernetzung. Das wurde das „AUS“ für BIW und die Insolvenz für das Unternehmen bedeuten, sagt die Geschäftsführung. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Noch in der Nacht hat BIW per E-Mail eine schriftliche Erklärung an unsere Redaktion geschickt, in der das Unternehmen nach eigener Angabe neustes Zahlen, Daten, Fakten zum Thema PCB mitteilt. Die Botschaft, die die Firma sendet: „Die Maßnahmen zur weiteren Emissionsminimierung bei BIW greifen“.

„Alle mit der Bezirksregierung vereinbarten zusätzlichen Arbeitsschutzmaßnahmen – wie zum Beispiel betrieblich gestellte und gereinigte Arbeitswechselkleidung oder punktuelle Maschinenabsaugungen – hat BIW erfolgreich umgesetzt“, schreibt die Geschäftsführung. Dies belegten die aktuellsten Messergebnisse aus der vergangenen Woche. Die innerbetrieblichen Belastungen lägen unterhalb des Interventionswertes von 3.000 Nanogramm pro m³ Luft am Arbeitsplatz und hätten um mehr als die Hälfte auf 1.070 ng im Bereich der belasteten Produktionsprozesse gesenkt werden können. In Bereichen außerhalb der Produktion läge man mit 193 ng sogar deutlich unter dem Unbedenklichkeitswert von 300 ng pro m³ Luft.

BIW schlussfolgert daraus: „Die Qualität der Umgebungsluft in den betroffenen Produktionshallen konnte somit signifikant durch eine Vielzahl von technischen und organisatorischen Maßnahmen verbessert werden.“ Weiter kündigt die Ennepetaler Firma an, die Emissionen analog dem Stand der technischen Entwicklung stetig weiter minimieren zu wollen. BIW sagt: „Seitens des Arbeitsschutzes, angesiedelt bei der Bezirksregierung, und auch seitens der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie gibt es also weiterhin ,grünes Licht’ für die BIW Produktionsstätten am Standort Ennepetal Oelkinghausen.“

BIW: Biomonitoring von Mitarbeitern ergibt niedrige bis sehr niedrige Belastungswerte

Zum Thema Biomonitoring von 44 BIW-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die RWTH Aachen liegen die Auswertungen vor: Hierzu sagt BIW: „Ergebnis waren hier durchweg niedrige bis sehr niedrige Belastungswerte mit den Indikator-Kongeneren im Vergleich zu den Durchschnittswerten innerhalb der deutschen Bevölkerung (nach Angaben des Bundesumweltamtes) und auch gegenüber den langjährigen Vergleichsmessungen von Prof. Thomas Kraus von der RWTH Aachen. Speziell für PCB47, das in der Allgemeinbevölkerung normalerweise nicht nachweisbar ist, konnten bei den untersuchten Personen durchschnittlich 0,4µg/l PCB47 im Blut gemessen werden. Der arbeitsmedizinische Grenzwert für gesunde Erwachsene von 15 µg/l Blut wurde bei Beschäftigten der Firma BIW nicht erreicht und auch nicht der strenge Grenzwert für Schwangere (3,5 µg/l Blut).“

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Die Firma BIW zieht folgende Schlüsse aus den Messwerten: „Fakt ist, dass die Gesamtbelastung mit allen PCB Arten bei den BIW Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur deutlich unter denen der Vergleichsgruppen lag, sondern auch die maximale Belastung, die bei BIW festgestellt werden konnte, liegt nur etwa bei der Hälfte dessen, was in der betreffenden Altersgruppe üblich ist. In der Regel sind PCB Belastungen durch die Nahrungsmittelaufnahme verursacht, wie dies bei der Gesamtbevölkerung der Fall ist.

BIW investiert in neue Abluftreinigungs- und Filtertechniken

Weiter kündigt die BIW-Geschäftsführung an, mit Hochdruck mit dem gesamten Team an der Modifikation der Prozesse durch Einsatz chlorfreier Vernetzungssysteme zu arbeiten. Parallel hierzu liefen die Erprobungen zum Einsatz neuester Abluftreinigungs- und Filtertechniken weiter, mit denen das Unternehmen jegliche Emissionen effektiv minimieren will.

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Das Schreiben der BIW-Geschäftsführung an die Presse endet mit einen Angebot an die Bürgerinitiative: „Die BIW-Geschäftsführung bekräftig einmal mehr das Angebot an die Bürgerinitiative zu einer Betriebsbesichtigung mit offenem Informationsaustausch, wie dies schon einmal ausgesprochen worden ist.“