Schwelm. Der komplette Bahnhof in Schwelm ist von der Fassade bis zu den Gleisen mit Nazi-Parolen und -Symbolen beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.
Ungläubig laufen die Reisenden durch den Schwelmer Bahnhof, manche schütteln den Kopf, andere halten sich die Hand vor den Mund und reißen die Augen weit auf. Sie alle können kaum fassen, was sie sehen. Der komplette Bahnhof – von der Fassade über die Vorhalle durch den Tunnel und die Aufstiege bis zu den Gleisen – ist übersät mit Nazi-Symbolik und antisemitischen Sprüchen.
Wände, Scheiben, Böden, Lampen, Fenster, Absperrungen, Fahrpläne und Automaten – die Rechtsextremen ließen nichts aus. Neben verbotenen Symbolen wie Hakenkreuzen und SS-Runen sind es vor allem die hasserfüllten antisemitischen Sprüche, die die Bahnreisenden erschaudern lassen. Laut polizeilicher Ermittlungen müssen der oder die Täter zwischen 2 und 4.30 Uhr in der Nacht auf Mittwoch, 20. November, zugeschlagen haben. „Der Staatsschutz ist eingeschaltet, war in der Nacht und auch im Laufe des Tages mit einem Team vor Ort“, teilt Ralf Bode, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Polizeipräsidium Hagen, auf Nachfrage dieser Zeitung mit.
Staatsschutz nimmt Sache sehr ernst
Laut des Staatsschutzes gebe es in der Kreisstadt keine organisierte nationalsozialistische Szene, wohl aber einige Einzelpersonen, die dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden und auf die die Behörden ein Auge haben. Zuletzt war den Schwelmern nach der Siegerehrung zum Heimatfest in direkter Bahnhofsnähe eine Obergeschoss-Wohnung an der Kaiserstraße aufgefallen. Dort wehte die Reichskriegsflagge aus dem Fenster und die Bewohner beschallten die Straße mit Nazi-Rockmusik.
Auch interessant
Im aktuellen Bahnhof-Fall ermittelt die Polizei neben der Sachbeschädigung wegen der Verwendung verbotener Symbole sowie wegen Volksverhetzung durch die antisemitischen Sprüche. Strafanzeige hat auch die Deutsche Bahn gestellt, die nach Bekanntwerden des Vorfalls so schnell wie eben möglich Reinigungsmaßnahmen eingeleitet und zudem den beschmierten Fahrplan ausgetauscht hat. „Ebenso hat die DB Station & Service AG den Reinigungsdienst angewiesen, auch das Empfangsgebäude zu reinigen. Damit wird die Station insgesamt von den Farbschmierereien gesäubert“, teilt ein Bahnsprecher mit. Das Gebäude befindet sich seit fünf Jahren im Besitz der Frankfurter Infrastruktur- und Vermögensverwaltungsgesellschaft Aedificia.
Die Bahn positioniert sich und fährt fort: „Wir verurteilen dieses Tat auf das Schärfste! Die Deutsche Bahn duldet auf und in ihren Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichen keinerlei Farbschmierereien mit Hass-Parolen oder fremdenfeindlichen Inhalten! Wir unterstützen daher die zuständigen Behörden bei ihren Ermittlungen.“ Diese laufen derweil auf Hochtouren und die Polizei hofft darauf, dass Zeugen gesehen haben, wer dort mit den Farbdosen aktiv war. Die Polizei bittet daher Zeugen, die etwas gesehen haben oder sonst etwas über die Täter wissen, sich unter der Rufnummer 02336/91664000 zu melden.
Auch interessant
Entsetzt zeigten sich am Nachmittag auch Bürgermeisterin Gabriele Grollmann-Mock und Landrat Olaf Schade, die sich selbst ein Bild des gesamten Ausmaßes am Schwelmer Bahnhof machten. Schwelms Stadtoberhaupt stellt klar: „Wir müssen gemeinsam jeder Form von rechtsradikalen und anderweitig extremistischen Tendenzen die Stirn bieten“. Eine klare Linie zog auch der Landrat: „Wir sind keine Nazi-Stadt!“
Nazi-Aufkleber in Gevelsberg
In jüngster Vergangenheit sind nationalsozialistische Themen allerdings immer öfter Stadtgespräch in Schwelm und Umgebung. Ende Oktober erst wurden Schweineköpfe auf der Moscheebaustelle in Schwelm abgelegt. Zuletzt hatte sich der Deutsche Feuerwehrpräsident – der Schwelmer Hartmut Ziebs – gegen rechtsnationale Tendenzen in der Wehr ausgesprochen und soll aus diesen Gründen von fünf seiner sieben Vizepräsidenten zum Rücktritt aufgefordert worden sein. Erst vor einigen Wochen hatten nationalsozialistische Sprüche auf Aufklebern in Gevelsberg für Entsetzen gesorgt. Auch hier laufen weiterhin die Ermittlungen des Staatsschutzes.