Gevelsberg. Nach der grausamen Tat in der Gevelsberger Obdachlosenunterkunft beginnt der Prozess. Er gibt Einblicke in eine Welt, die eine Endstation ist.

Gewalt, Drogen, Suff und ein Sammelsurium an Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen an einem Leben gescheitert sind, das gemeinhin als normal beschrieben wird, bilden eine explosive Mischung in der Obdachlosenunterkunft der Stadt Gevelsberg an der Gartenstraße. Am 18. März ging diese derart heftig in die Luft, dass Peter W. (57) an den Folgen verstarb. Seit Freitag müssen sich Klaus-Peter S. (53) und Martin B. (38) wegen Totschlags vor dem Hagener Schwurgericht verantworten. Das bekam zum Prozessauftakt Einblicke in eine Parallelwelt.

Gericht will Urteil am 15. November fällen

Der Prozess wird am Montag, 28. Oktober, vor dem Hagener Schwurgericht fortgesetzt.

Das Gericht hat fünf weitere Termine anberaumt, das Urteil wird für Freitag, 15. November, erwartet.

Für Totschlag sieht das Gesetz im Regelfall eine Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren vor. Beide Angeklagte befinden sich in Untersuchungshaft.

Klaus-Peter S. hat bereits eine zwölfeinhalbjährige Freiheitsstrafe wegen Totschlags verbüßt und saß mehrfach wegen Körperverletzung im Gefängnis.

Mit Blick auf Angeklagte und Zeugen haben die Häuser am Ende einer Sackgasse und unterhalb der restlichen Bebauung fast schon eine symbolische Wirkung: Hier ist Endstation. Hier verschwimmen Erinnerungen an Geschehnisse vor einem halben Jahr im Alkohol – auch weil sich die Tage gleichen. Viele stehen auf, beginnen zu trinken. So taten es auch Martin B. und Klaus-Peter S. am Tatmorgen. Wodka und Bier flossen mit dem Zeugen G., während ein vierter Mann, der kurz zuvor erst aus der Haft entlassen worden war, im Nachbarzimmer badete. Klaus-Peter S. schickte G. ins obere Geschoss, um die Freundin des späteren Opfers zu der Runde zu holen.

Mit Stuhlbein „Lucy“ zugeschlagen

Die ging im Zeugenstand davon aus, dass sie bereits zuvor sehr viel getrunken hatte, schüttete den Männern mal wieder ihr Herz aus, dass Peter W. sie – wie so oft – geschlagen hatte. „Ich lag sogar einmal zehn Tage mit zwei gebrochenen Wirbeln im Krankenhaus, nachdem er mir in den Rücken getreten hatte“, sagte sie unter Tränen vor Gericht aus. Laut des Zeugen aus der Wanne sollen S. und B. entschieden haben: „Der bekommt jetzt eine Abreibung.“ Während der ältere sein Stuhlbein „Lucy“ nahm, griff der Jüngere zur Eisenstange, die bei ihm an der Wand hing. In dem Moment, als ihr Opfer seine Zimmertür öffnete, sollen sie auf ihn eingeschlagen haben – S. auf den Kopf, B. auf die Knie. Dann gingen sie runter und tranken weiter. Da soll es etwa 11.30 Uhr gewesen sein.

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So genau lässt sich das aktuell nicht konstruieren, weil Zeitgefühle und -angaben abweichend voneinander und auch von den Aussagen bei den polizeilichen Vernehmungen waren. Gesichert erscheint, dass die beiden Schläger sich irgendwann Sorgen machten, ob sie nicht zu heftig zugelangt hätten. Klaus-Peter S. soll den Zeugen G. geschickt haben, um nach dem Opfer zu schauen. Der fand laut eigener Aussage Peter W. stark blutend in seinem Zimmer. „Ich habe ihn auf die Wange geküsst und ihm gesagt, dass er selbst schuld ist, wenn er seine Freundin immer wieder schlägt.“ Ihm sei bei den heftigen Kopfverletzungen W.s aber doch so unwohl gewesen, dass er den Rettungsdienst rufen wollte. „Ich habe bei H. an die Tür geklopft, weil der ein Handy hat. Der hat aber nicht aufgemacht.“ Da habe er sich in sein Zimmer schlafen gelegt, bis die Polizei auch ihn verhaftete, weil er als Mittäter verdächtigt wurde.

Hirnblutung und Lungenentzündung

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Ob er die Angeklagten noch über den Zustand von W. unterrichtet habe, daran erinnert er sich nicht mehr. Peter W. hingegen lag bis zum frühen Abend schwerst verletzt in seinem Zimmer. Dann kam der Zeuge J., der mit ihm auf einer Etage lebt nach Hause. Er fand ihn, verständigte Rettungsdienst und Polizei. Das 57-jährige Opfer erlitt bei der Attacke eine Hirnblutung, wurde bettlägerig und musste beatmet werden. In Folge dessen bekam er eine Lungenentzündung, an der er am 3. April verstarb. Die beiden Täter äußerten sich zu Prozessbeginn noch nicht, weil der Psychologe, der sie begutachtet, wegen seines Urlaub nicht zugegen sein konnte. Sie werden aber wohl im Lauf des Verfahrens noch über die Tat sprechen.