Dortmund/Witten. Uwe Hindemith geht nach fast 40 Jahren bei der Feuerwehr in den Ruhestand. Im Gespräch mit der WAZ blickt er zurück auf ein bewegtes Berufsleben.

Zweimal ist er dem Tod im Dienst von der Schippe gesprungen, hat unzählige Male sein Leben für andere riskiert und in Dortmund sogar ein „Denkmal“ hinterlassen. Nun geht Uwe Hindemith nach fast 40 Jahren bei der Feuerwehr in den Ruhestand. Im Gespräch mit der WAZ blickt der Wittener zurück auf ein bewegtes Berufsleben und Einsätze, die er nie vergessen wird.

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Dass er mal zur Feuerwehr gehen würde, stand für Uwe Hindemith schon früh fest. Sein Onkel, der auch Feuerwehrmann war, hatte ihn als Kind schließlich schon oft mal mit auf die Wache in Witten genommen. Doch als es dann so weit war, wurde dem jungen Anwärter, der den Vertrag schon fast in der Tasche hatte, diese Verwandtschaft fast zum Verhängnis: Die Stadt wollte keinen Familienklüngel. Uwe Hindemith musste sich woanders bewerben und landete so 1985 bei der Feuerwehr in Dortmund – als einer der 16 Neuen von über 1000 Kandidaten. „Ich hatte wohl Glück“, sagt er bescheiden, denn eigentlich will er gar kein Aufhebens machen um sein Berufsleben. „Ich bin doch nur einer von vielen.“

Bei Einsatz in Dortmund sprang der Wittener dem Tod von der Schippe

Das Glück blieb ihm treu in den kommenden Jahren im Einsatzdienst. Etwa damals, als sein Löschzug zu brennenden Gartenlauben an der B236-Baustelle in Schüren gerufen wurde. „Wir mussten einen Umweg fahren, weil die Straße an der Wache zugeparkt war“, erzählt der 60-Jährige. Deswegen rückte der Wagen zwei Minuten später am Einsatzort an – zwei Minuten, die das Leben der Feuerwehrleute retteten. „Denn als wir ankamen, sahen wir große, explodierende Gasflaschen wie Raketen durch die Luft fliegen. Wären wir nur ein bisschen eher dagewesen, hätten sie uns erwischt.“

Erinnerungen an ein langes Berufsleben: Dieses Bild entstand bei einem Ammoniak-Alarm in der Eishalle an der Strobelallee. Alles ist glimpflich verlaufen, Uwe Hindemith (li.) kann schon wieder lachen.
Erinnerungen an ein langes Berufsleben: Dieses Bild entstand bei einem Ammoniak-Alarm in der Eishalle an der Strobelallee. Alles ist glimpflich verlaufen, Uwe Hindemith (li.) kann schon wieder lachen. © Funke Medien NRW | Hindemith/Feuerwehr

Ganz knapp war es auch in Berghofen, als Hindemith und seine Kollegen nachts zu einem Hausbrand gerufen wurden. Das Haus lag schon in Schutt und Asche, Flammen züngelten auf der Wiese. „Daran erkannten wir, dass es eine Gasexplosion gewesen sein musste“, erinnert sich Hindemith. Er hatte kaum den Motor ausgestellt, da schoss keine zwei Meter neben ihm der Gullydeckel über einer riesigen Feuerfontäne in die Höhe. „Das Gas hatte sich in der Kanalisation gesammelt, dann plötzlich gezündet.“ Und dann sah der Feuerwehrmann nur noch, wie der fast 90 Kilogramm schwere Deckel am anderen Ende der Einsatzstelle landete.

Wenn es um Menschenleben geht, werde das eigene Leben zweitrangig, sagt er

Das Risiko fährt bei den Einsätzen immer mit, das war und ist dem Hauptbrandmeister bewusst. „Überall dort, wo die Menschen weglaufen, da muss die Feuerwehr rein“, sagt er. Natürlich habe er auch Angst gehabt, wenn es in ein brennendes Haus ging. „Das ist auch gut so. Denn die Angst schärft die Sinne.“ Doch immer, wenn es um ein Menschenleben gehe, spiele die Angst keine Rolle mehr, erklärt der 60-Jährige. „Dann wird das eigene Leben zweitrangig.“

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Warum man das macht? Hindemith zuckt mit den Schultern. Helfen zu wolle, gehöre zum Job. Und schließlich sei dieser Adrenalinkick beim Weg zum Einsatz ja auch das, was den Reiz des Berufs ausmache. „Man weiß morgens nie, was am Tag passiert. Das finde ich toll.“ Klar, das sei manchmal auch eine Belastung. „Aber das starke Team hilft dir, in der Gemeinschaft der Feuerwehr fühlt man sich aufgehoben.“

Schlimme Erinnerungen an den Hubschrauberabsturz bei der You in Dortmund

Eine Belastung seien hingegen die Erinnerungen an Einsätze, die nicht glimpflich ausgegangen sind. Seine schlimmsten sind die vom Hubschrauberabsturz bei der Jugendmesse You im Jahr 1996, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen. Die Suche nach den Passagieren im Wald an der A45, der Anblick der verkohlten Leichen im Wrack. „Das sind Bilder, die man nie vergisst.“

Uwe Hindemith (links) am Wrack des abgestürzten Hubschraubers in Dortmund. Die Bilder kann er nicht vergessen.
Uwe Hindemith (links) am Wrack des abgestürzten Hubschraubers in Dortmund. Die Bilder kann er nicht vergessen. © Funke Medien NRW | Hindemith / Feuerwehr

Deutlich weniger dramatisch ging es auf der nächsten Einsatzstelle des Witteners zu. Aber dafür hat er dort bis heute sichtbare Spuren hinterlassen. Zur Jahrtausendwende wechselte Hindemith in den Tagesdienst und bekam den Auftrag, eine neue Desinfektionsanlage für die Hörder Wache zu planen. „Nach den Anthrax-Anschlägen in New York war klar, dass wir was tun müssen.“ Er fuhr durch ganz NRW, sammelte Ideen. „Das Gute habe ich behalten, das Schlechte vergessen.“ Er machte Vorschläge, entwarf eine Skizze. Die wurde zur Vorlage für die Bauzeichnung, die schließlich an der Zillestraße umgesetzt worden ist. Hindemith ist stolz darauf: „Die Desinfektionsanstalt ist eine der modernsten in NRW, wenn nicht in ganz Deutschland.“

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Auf Dauer war der Job in der Desinfektion dennoch nichts für ihn. 2013 wechselte er zurück in den Einsatzdienst, arbeitete zunächst in der Leitstelle, dann in der Wache Neuasseln. An seinem letzten Tag hatten sich die Kollegen etwas Besonderes einfallen lassen: Sohn Dominik durfte mit Uwe Hindemith die letzte Schicht fahren. Der ist wie sein Vater (und sein Onkel in Witten übrigens) Feuerwehrmann geworden. Den 60-Jährigen freut das sehr. „Es ist ein toller Beruf“, sagt er. Auch wenn sich manches im Laufe der letzten Jahre geändert habe: „Ich würde ihn jederzeit wieder machen.“

700 Einsätze in 24 Stunden

Die Zahl der Feuerwehrleute in Dortmund hat sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt. Als Uwe Hindemith anfing, waren es rund 600, nun gibt es mehr als 1300 Mitarbeitende bei der Berufsfeuerwehr.

Feuerwehr und Rettungsdienst leisten durchschnittlich 600 bis 700 Einsätze pro 24 Stunden. Nicht alle davon sind notwendig, weiß Hindemith aus seiner Arbeit bei der Leitstelle. „Manche Anrufer missbrauchen den Rettungsdienst leider als Taxi ins Krankenhaus.“