Dortmund. Seit drei Jahren hält Stefan den Netto-Eingang im Dortmunder Kreuzviertel sauber. Jetzt wurde er verscheucht – und weiß nun, wie beliebt er ist.
Update: Anderthalb Tage nach unserem Bericht lenkt Netto ein: Stefan darf an seinen Platz zurück – allerdings müsse er sich dafür an Absprache halten. Welche das sind, dazu machte die Pressestelle des bayerischen Discounters keine Angaben.
Ursprünglicher Bericht:
Er fegt den Netto-Eingang, räumt Müll vom Boden, sortiert die Einkaufswagen und passt auf die Hunde der Kundschaft auf: Stefan (so sein Spitzname) sorgt seit drei Jahren für Ordnung an der Ecke Kreuzstraße/Lindemannstraße im Dortmunder Kreuzviertel. Er holt sogar stehengelassene Einkaufswagen aus der Tiefgarage und stellt sie zurück vor die Filiale. Dabei ist Stefan gar kein Angestellter von Netto. Der 59-Jährige sitzt hier nur, vertreibt sich den Tag, plaudert mit den Leuten und bekommt hier und da was zugesteckt.
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Jetzt soll Stefan verschwinden. Die Filialleitung hat ihn verbannt – zwar nur zehn Meter weiter, aber raus aus dem trockenen, überdachten Eingangsbereich. "Die haben mir sogar verboten, hier zu fegen und aufzuräumen", sagt er. Verstehen kann er das nicht: "Ich habe das immer gerne gemacht. Man will doch, dass es schön aussieht. Ich hatte immer meinen eigenen Besen dabei." Den ganzen Gehweg habe er damit gefegt, bis rüber zu Lotto Gorsky. Fast jeden Tag.
Grund soll Kundenbeschwerde sein – Keine Reaktion von Netto
Als Grund für die Verbannung vom Netto-Eingang habe man ihm eine Kundenbeschwerde genannt. "Weil mal zwei Leute bei mir standen und Alkohol getrunken haben", meint Stefan. "Ich trinke ja nicht, mir ist meine Bananenmilch lieber", schickt er sicherheitshalber hinterher. Bedrohlich seien seine Bekannten zwar nicht gewesen – aber er fürchtete damals schon: "Das sehen die vom Netto nicht gerne. Deshalb wollte ich, dass die Leute gehen, aber was soll ich denn machen, wenn die stehen bleiben und weitertrinken?"
Jetzt hat Stefan Angst, dass er auch seinen Ausweichplatz zehn Meter weiter verliert. Wohin sollte er seinen Campingstuhl sonst stellen? "Die Kunden sind doch hier. Ich kenne die alle. Einen neuen Platz zu finden wird schwer", sagt Stefan, der am 23. Dezember 60 wird. Er wohnt in der Nähe des Südwestfriedhofs, schon deshalb sei dieser Platz ideal.
Sich nützlich machen: Stahlbetonbauer vertreibt sich hier den Tag
2006 kam Stefan aus Berlin zum Arbeiten ins Ruhrgebiet. Den Hauptstadt-Dialekt ist er bis heute nicht los geworden. Als Stahlbetonbauer zog er das neue Trianel-Kraftwerk in Lünen hoch und schuftete danach bei Firmen in Bochum und Dortmund. Dann wurde er arbeitslos. Was Neues finden – mit fast 60 und sechs Bandscheibenvorfällen? Das sei nicht so leicht, sagt er. Aber nur rumsitzen kann er nicht.
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"Bevor mir zuhause die Decke auf den Kopf fällt, bin ich lieber hier und mache mich nützlich. Ist doch schön so. Mir gefällt das.", sagt Stefan. "Man kriegt so viel zurück, wenn man nett und freundlich ist", sagt er mit glänzenden Augen. Und damit meint er nicht nur Geld oder Lebensmittel. "Manchmal wollen die Leute einfach nur reden, dann bin ich sowas wie ein Psychologe."
Ein kurzer Plausch mit Stefan ist immer drin
Und die Reaktionen geben ihm Recht: Während unseres kurzen Gespräch kommen vier Kunden und Anwohnerinnen zum Plaudern vorbei, viele weitere grüßen ihn flüchtig. "Deine Rose – weißt du, wie lange die gehalten hat? Eine Woche!", ruft ihm eine Passantin freudestrahlend zu. Eine andere bringt eine Banane und zwei Berliner vorbei, ein Mann steckt ihm etwas Geld zu. "Schon mal für Nikolaus", sagt er.
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Auch Ingrid kommt auf einen kurzen Plausch vorbei. Das tut sie immer. Die 70-Jährige Anwohnerin versteht die Welt nicht mehr: "Was hat er denn gemacht? Er ist immer hilfsbereit und freundlich. Er passt sogar auf meinen Teckel auf, wenn ich einkaufe." Dem Boden sehe man schon jetzt an, dass Stefan nicht mehr sauber mache. Und Einkaufswagen seien manchmal auch keine da. "Das gab's vorher nicht. Das ganze Viertel ist in Aufruhr wegen ihm!"
Lottoladen will Unterschriften für Stefan sammeln
Ingrids Unterschrift hat André Gorsky also schon sicher. Ihm und seiner Schwester gehört der Lottoladen nebenan – auch hier hält Stefan den Gehweg sauber. Jetzt will André Gorsky eine Unterschriftenaktion für den gebürtigen Berliner starten. Die Liste liegt bald im Laden aus und soll später Netto übergeben werden. "Stefan gehört hier einfach dazu", findet Gorsky. "Hier kommen ständig Kunden rein und regen sich darüber auf, wie Netto mit ihm umgeht."
Stefan ist ganz gerührt von allem. Von der Unterschriftenaktion, den wütenden Reaktionen, dem netten Zuspruch. "Ich wusste ja, dass ich nicht unbeliebt bin. Aber dass die Leute mich so sehr mögen – das hätte ich nicht gedacht", sagt er und strahlt über das ganze Gesicht. "Ich sage doch: Es kommt immer so viel zurück. Das tut gut!"