Dortmund. Es sollte das zwölfte W.I.R-Wohnprojekt in Dortmund werden – jetzt ist die jahrelange Planung dahin: Die Stadt hat das Grundstück verkauft.
"Wir sind sprachlos. Natürlich auch wütend – aber vor allem sprachlos." Ulrich Roling (64) und seine Mitstreiter haben vier Jahre lang all ihr Herzblut in dieses Projekt gesteckt: ein W.I.R.-Gemeinschaftswohnprojekt auf der alten Feuerwache in Hörde. Hier wollten Roling und seine Frau alt werden, in einem Mehrgenerationen-Bauprojekt mit rund 40 Wohnungen. 2024 sollte Baustart sein. Das Grundstück (in bester Lage zwischen Goethe-Gymnasium und Wellinghofer Straße) war seit 2022 reserviert.
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"W.I.R. am Goethe" sollte das zwölfte Projekt dieser Art in Dortmund werden. Acht sind schon fertig, drei weitere sind in trockenen Tüchern.
Jetzt ist auf einen Schlag alles weg, die jahrelange Planung war für die Katz: Der Stadtrat will das Grundstück anderweitig vergeben. Statt der engagierten Privatgruppe bekam die Dortmunder Stadtentwicklungs-Gesellschaft DSG den Zuschlag – trotz Reservierung, vielen Gesprächen und positiver Rückmeldungen. Eine erste Zusage für das Grundstück habe es schon 2020 gegeben, so Roling.
Projekt-Moderatorin: "Entäuschung, Entrüstung und Unverständnis"
"Wir hatten mit allem gerechnet, aber doch nicht damit", meint Roling. "Es fühlt sich so an, als wäre man durch die Entscheidung plötzlich seiner Existenz beraubt." Alle Versuche, die Politik noch umzustimmen, waren vergebens. Auch Geld bekomme die Gruppe nicht zurück, kritisiert Roling, dabei seien inzwischen Planungskosten von über 50.000 Euro angefallen – für Architekturentwürfe, Gutachten, Rechts-/Finanzberatung, Organisation. Nur die Reservierungsgebühr bekommen sie zurück. "Weitergehende Ansprüche können aus dem Reservierungsvertrag nicht abgeleitet werden", heißt es in einer Antwort von Oberbürgermeister Thomas Westphal auf einen Brandbrief der Gruppe.
Auch Projekt-Moderatorin Birgit Pohlmann kann die Entscheidung der Stadt nicht nachvollziehen. Die Ingenieurin hat schon viele gemeinschaftliche Wohnprojekte in Dortmund bis zur Fertigstellung begleitet. Bei Grundstücksreservierungen bleibe zwar immer ein Restrisiko, aber so herbe enttäuscht worden sei noch keine Projektgruppe. "Riesenenttäuschung, Entrüstung und Unverständnis", so fasst die Planerin die Stimmung in der Gruppe zusammen.
Brandbrief an Ratsfraktionen: "Völlig unerwartet getroffen"
In einem Brandbrief an alle Ratsfraktionen heißt es: Die Entscheidung, das Grundstück komplett an die DSG zu vergeben, "hat die Planungs-GbR völlig unerwartet getroffen und macht sie fassungslos. Der Rat der Stadt hat eine Entscheidung getroffen, die allem entgegenläuft, was bis dahin verabredet war." Schließlich habe die Stadt "über drei Jahre hinweg klar signalisiert, dass sie dieses Projekt an dem Ort will und unterstützt."
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Kommentieren wollte die Stadt den Vorgang nicht. Dazu "dürfen wir leider keine Auskünfte geben, da es sich um nicht-öffentliche Vorlagen handelt", heißt es nur. In seiner langen Antwort auf den Brief der W.I.R.-Gruppe schreibt OB Westphal nur: "Die Verwaltung hat immer transparent gehandelt und die Bedingungen und Voraussetzungen von Anfang an deutlich kommuniziert. Ein Verkauf eines städtischen Grundstücks steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Entscheidung der politischen Gremien. In diesem Fall hat der Rat eine anderweitige Entscheidung getroffen."
Baukosten schreckten einige Bauwillige ab – Neuer Investor
Zugegeben, einige Gruppenmitglieder seien abgesprungen, als Zinsen und Baukosten massiv stiegen, räumt Roling ein. Die Baugruppe schrumpfte von 15 auf 8 Haushalte. Zudem stieg der Grundstückspreis weiter. "Gerade Jüngere konnten wir so schlecht halten."
"Aber wir sind uns sicher, dass wir schnell neue Mitglieder gefunden hätten", meint Roling. Zudem hatte die Gruppe einen zuverlässigen Investor ins Boot geholt: Ein Dortmunder IT-Dienstleister wollte nicht nur die zehn städtisch vorgeschriebenen geförderten Wohnungen finanzieren, sondern auch zehn weitere Wohnungen. "Von 40 Wohnungen hätten wir also nur noch 20 selbst finanzieren müssen", erklärt Roling. Und zwölf neue Bauwillige zu finden wäre gut machbar gewesen.
Verhandlungen mit Liegenschaftsamt über Grundstückskauf
Dann ging es in die Verhandlungen über den Grundstückspreis. Der war seit der Reservierung stark gestiegen, erklärt Roling – der Bodenrichtwert schnellte von 290 hoch auf 420 plus Erschließungskosten. Mit dem Liegenschaftsamt habe man einen Rabatt bei den Erschließungskosten ausgehandelt, erklärt Roling. Später sei sogar (zum Nachteil der Baugruppe) nachverhandelt worden.
Die Bezirksvertretung Hörde habe dem Verkauf an die Projektgruppe zugestimmt, sagt Ulrich Roling. Auch das Liegenschaftsamt habe sein Go gegeben. Nervös seien sie vor der entscheidenden Ratssitzung trotzdem geworden. "Aber der Bezirksbürgermeister hat uns beruhigt: Keine Angst, das ist doch alles eingetütet!"
Rat gibt DSG den Zuschlag – W.I.R.-Planer gehen leer aus
Dann sollte am 21. September alles anders kommen. Im (bei Grundstücksverkäufen üblich) nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gab der Rat der städtischen DSG den Zuschlag. "Es hieß, es sei effizienter, wenn die DSG das Grundstück in einem Stück bebaut", meint Roling. Den Rest des riesigen freien Grundstücks hätte die DSG ohnehin entwickeln sollen.
Dazu kam offenbar das Finanzielle. Nach den Verhandlungen mit dem Liegenschaftsamt hatte die bauwillige Gruppe das Gebot zwar erhöht – aber das reichte dem Stadtrat wohl nicht. Der Gruppe sei bekannt gewesen, "dass der Verkauf zum jeweiligen Bodenrichtwert zum Zeitpunkt der Veräußerung erfolgt. Ihr Gebot lag rechnerisch unter diesem Bodenrichtwert", schreibt Thomas Westphal dazu in seinem Antwortbrief.
Ein Alternativ-Grundstück könne die Stadt der bauwilligen Initiative gerade leider nicht anbieten, schreibt OB Westphal. "Ich bedauere, Ihnen keine positivere Mitteilung geben zu können."
Damit ist das zwölfte Dortmunder W.I.R.-Projekt gestorben. "Der Gruppe geht's schlecht", sagt Ulrich Roling. Auch er und seine Frau sind demotiviert. Die Luft ist raus. "Wir möchten zwar immer noch eine gemeinschaftliche Wohnform finden, aber diesen Rückschlag muss man erstmal sacken lassen. Es braucht Zeit, bis man sich wieder für etwas Neues einsetzt." Die Gruppe halte zwar noch Kontakt, aber die GbR (extra für den Bau gegründet) löse sich jetzt auf.
Stadt rechtlich auf der sicheren Seite – aber moralisch?
Rein rechtlich sei die Stadt auf der sicheren Seite, meint Projektmoderatorin Birgit Pohlmann. "Die Gruppe ist trotzdem wie vor den Kopf gestoßen." Von rechtliche Schritten habe sie allerdings abgeraten. "Das bringt in diesem Fall nichts."
Bleibt die diskussionswürdige moralische Frage, aber das hilft der Projektgruppe kaum. Die Stadt habe die ganze Zeit über propagiert: "Wir unterstützen das!", sagt Ulrich Roling mit einer Mischung aus Verbitterung und Zorn in der Stimme. "So ein Projekt mit der Stadt zu machen – davon kann ich nur noch abraten."