Dortmund/Dinteloord. Nach dem Kentern eines Angelbootes in den Niederlanden trauern die Dortmunder Stadtwerke um einen früheren Kollegen. Zwei weitere Angler starben.
Nach dem Tod von drei Anglern im niederländischen Volkerak trauern die Dortmunder Stadtwerke DSW 21 um einen erst kürzlich pensionierten Kollegen. Der 40-jährige Überlebende des Unglücks, bei dem drei Männer (61, 62 und 65) aus Dortmund und Unna starben, ist aktiver Mitarbeiter des Unternehmens. Er soll nun „alle Unterstützung bekommen, die er braucht“, wie ein Unternehmenssprecher sagte.
Starker Westwind und hohe Wellen auf dem 63 Quadratkilometer großen Nebenarm der Nordsee hatten das Angelboot aus Aluminium in der vergangenen Woche in Seenot gebracht. Als es kenterte, konnte sich nur der Jüngste aus dem erfahrenen Angelquartett retten. Auch für die geübten Retter in dem bei Anglern beliebten Gebiet im Rhein-Maas-Delta südlich von Rotterdam war die Rettungsaktion dramatisch.
Um halb fünf am Dienstag hatte ein vorbeifahrendes Schiff Alarm geschlagen: Ein Angelboot sei gekentert. Die niederländische Wasserbehörde Rijkswaterstaat setzte sofort drei Schiffe ein, um die vier Insassen zu suchen. Auch Boote von Polizei und Feuerwehr, zwei Traumahelikopter, Küstenwache, Rettungsdienst und Sanitätsboote halfen bei der Suche auf dem aufgewühlten Wasser. Drohnen und Unterwasserkameras wurden eingesetzt. Der kleine Hafen von Dintelsas wurde zum Stützpunkt der Retter.
Drei tote Angler: Rucksack mit deutschem Pass schwamm auf der Wasseroberfläche
Schnell konnte der 40-jährige Dortmunder gefunden werden. Körperlich unverletzt, aber unter Schock. Ein privates Rettungsboot brachte den Mann an Land. Dort wurde er zunächst im Krankenhaus, wird seither psychologisch betreut. Einen weiteren Mann konnten die Einsatzkräfte um kurz vor 19 Uhr nur noch tot bergen. Bis zum Abend suchten bis zu 100 Retter auf der bewegten Wasseroberfläche weiter, auch Taucher waren beteiligt. Sie konnten aber nur Gegenstände aus dem Boot entdecken: einen Rucksack mit einem deutschen Pass, eine Mütze, einige Kleidungsstücke.
Gegen 20 Uhr aber musste die Suche eingestellt werden, die Dunkelheit und der hohe Seegang machten einen weiteren Einsatz unmöglich. Die Polizei entschied, von einer Suchaktion auf einen Bergungseinsatz umzustellen: Es sei unwahrscheinlich, die beiden vermissten Männer noch lebend zu finden. Zwar sollen diese orangefarbene „Floater“ getragen haben, Overalls, die für einen gewissen Auftrieb auf dem Wasser sorgen. Die Sicherheit von Schwimmwesten aber bieten solche Anzüge nicht.
Das Angelboot lag in mehr als acht Metern Tiefe auf dem Grund des Sees
Erst am Mittwochnachmittag konnte eine zweite Leiche geborgen werden – ganz in der Nähe des Ortes, an dem das Boot gesunken war. Ein Sonarboot ortete das mehr als fünf Meter lange Angelboot auf dem Grund des Gewässers, nicht weit von der Stelle, an der es umgeschlagen war. Es lag in ungefähr achteinhalb Metern Tiefe. Das dritte Todesopfer wurde erst am Mittwochabend gefunden. Dass es sich bei den Anglern um Deutsche handelt, teilte die Polizei bereits früh mit und bestätigte das gegenüber dieser Redaktion. Es sind zwei Dortmunder und ein Mann aus Unna, auch der Überlebende stammt aus Dortmund.
Angelunglück: Starker Wind aus Westen erschwerte womöglich die Rückfahrt
Von dem 40-Jährigen erhoffen sich die Ermittler weitere Hinweise auf das, was vor dem Sinken des Bootes geschah: „Er ist“, so eine Sprecherin gegen über dem Rundfunk Brabant, „eine wichtige Quelle für uns.“ Bekannt ist, dass das Quartett am Dienstagmorgen in Oude Tonge gestartet war; der Ferienpark am Nordufer des Volkerak ist ein beliebter Stützpunkt für Freizeitangler. Die vier waren auch bei den Dortmunder Stadtwerken als passionierte Fischer bekannt, die häufig gemeinsam auf Angeltour gingen.
Befreundete Angler berichten, dass die Gruppe sich einst aus der DSW heraus gegründet habe. Gemeinsam habe man auf der Ostsee gefischt, einmal jährlich in Norwegen, auch auf niederländischen Gewässern seien die Angelkollegen „heimisch“ gewesen. Mindestens zwei der Männer an Bord hätten eigene Boote besessen und auch einen Boots-Führerschein gehabt.
Dortmunder Angler schickten noch Fotos ihrer Fänge an Freunde
Am 3. Oktober waren wegen des Feiertags besonders viele Hobbyangler aus Deutschland auf den Großgewässern zwischen den Provinzen West-Brabant und Südholland unterwegs – trotz der widrigen Wetterbedingungen. Der Wind blies stark aus westlicher Richtung, also von der Nordsee her, auf das Volkerak, ein abgetrenntes Brackwasser, in dem besonders auf Hecht, Barsch und Zander gefischt wird.
Am Nachmittag frischte es weiter auf, die Rede ist von fünf bis sechs Windstärken. Viel zu viel, um mit Angelbooten aufs Wasser zu gehen oder dort zu bleiben, sagen Experten. „Bei Windstärke 5 oder mehr hast du dort als Sportangler wirklich nichts zu suchen“, sagt Evert Oostdam, ein bekannter Profiangler, der das Volkerak wie seine Westentasche kennt. „Das ist Bitten um Leid und Elend.“ Das bestätigt auch Angelkollege Steef Meijers: „Volkerak, Haringvliet und Hollands Diep sind keine Gewässer für unerfahrene Angler“, dort sei es auch bei vier Windstärken bereits gefährlich.
Unerfahren aber sollen die Männer eben nicht gewesen sein. Noch eine halbe Stunde zuvor schickten sie am Unglückstag Fotos ihrer Fänge an Freunde. Möglicherweise war ihr Boot wenig später auf dem Rückweg in den Hafen von Oude Tonge – gegen den Wind. Ein Angler, der die vier kannte, vermutet Probleme mit der Bilgenpumpe, die Wasser im Boot erkennt und automatisch ableitet. Gegen allzu große Wassermengen ist aber auch eine solche Pumpe machtlos. Zeugen zufolge soll das Boot in den hohen Wellen voll Wasser gelaufen und möglicherweise beim Versuch eines Rettungsmanövers gesunken sein. „Das dauerte eine halbe Minute“, zitiert das „Brabantse Nieuwsblad De Stem“ den Kapitän eines Rettungsschiffs.
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Angler reagieren betroffen: Verunglückte Kollegen waren erfahrene Leute
Viele Angler unterschätzten das Rhein-Maas-Delta mit seinen Großgewässern: Die Nebenarme der Nordsee sind windanfällig, die Wellen schwer einschätzbar, kleinere Boote sind auch durch die Berufsschifffahrt gefährdet. Die großen Lastkähne, oft Schubverbände, haben Vorfahrt, oft aber müssen sie Anglern ausweichen, die am Rand und in der Fahrrinne fischen, wo gute Fischplätze sind. „Wer hier angeln geht, geht ein Risiko ein“, sagt Reinier van der Zee, der Skipper, der den 40-jährigen Dortmunder ans rettende Ufer brachte. „Das Volkerak ist ein Binnenmeer, dessen ist sich nicht jeder stets bewusst.“
Die Polizei jedenfalls geht aus von einem „schicksalhaften Unglück“. Die Hintergründe werden weiter ermittelt, auch die Angelszene stellt sich Fragen: War die Ausrüstung angemessen? Trugen die Bootsinsassen Rettungswesten? Ein Bootsvermieter aus Troisdorf, der am Volkerak Angelboote anbietet, warnt im Netz vor vorschnellen Urteilen: „Sie berücksichtigen nicht die Tatsache, dass tragische Unfälle oft auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen sind, die komplex und nuanciert sein können“. Ein Boot des Unternehmens hätten die Verunglückten nicht gemietet. Tatsächlich ist auf Fotos des geborgenen Bootes zu sehen, dass es gut ausgebaut, mit vier Stühlen ausgestattet war, in seiner Größe für vier Personen jedenfalls nicht unterdimensioniert.
Bei seinen Kollegen bei der DSW21 war der pensionierte Mitarbeiter als leidenschaftlicher Fischer bekannt. Man sei „schockiert“, sagt Sprecher Frank Fligge. „Alle, die den langjährigen Kollegen kannten, sind zutiefst betroffen.“ Auch unter Raubfischanglern in Deutschland ist die Betroffenheit groß. Auf Facebook schreibt ein Wittener: „Es sind drei meiner Kollegen von uns gegangen... Das Unglück macht uns im Freundeskreis fassungslos.“ Die drei ertrunkenen Angler hätten „jahrelange Erfahrung im Steuern von Booten“ gehabt, seien auch gewässerkundig gewesen. „Wir hoffen auf Antworten, warum es zu so einem Unglück kam.“