Willingen/Balve. Der Traum vom Fliegen? Natürlich bewegt ihn der wie viele andere Menschen auch. Pfarrer Andreas Schulte ist fasziniert, wenn junge Sportler federleicht durch die Lüfte gleiten. Beim Skispringen in Willingen waren er und sein Bruder Michael live dabei.

Im Stadion an der Mühlenkopfschanze hat sich der Pastor aus Balve mit seinem Bruder Michael Schulte (38) unter das kostümierte und partywütige Volk gemischt. Beide sind dick vermummt: Mütze, Daunenjacke, Schal und Handschuhe. Das notwendige Outfit bei eisigen Temperaturen.

Auf den Rängen heizen sich die Fans gegenseitig ein. Kalt wird hier niemand. Seit fast zwei Jahrzehnten zelebriert der Skiclub Willingen seine Weltcup-Springen. "Hallo Deutschland" dröhnt es aus den Lautsprechern. Dann gibt es kein Halten mehr. Ein deutscher Adler nach dem anderen fliegt ins Strycktal. Grenzenlose Begeisterung. Diese Stimmung packt jeden - auch einen Mann von göttlicher Gestalt. Später wird Schulte wohl beichten müssen, dass er eine Gänsehaut bekommen hat.

Live unter 15 000 Zuschauern

Fast 15 000 Zuschauer feuern am Sonntag die DSV-Helden an. „Ziiiieh“ brüllt der Fanchor, wenn Maddin (Schmitt), die Michis (Uhrmann und Neumayer) oder Severin (ein guter) Freund abheben. Pfarrer Schulte (45) ist mittendrin im Geschehen statt wie sonst nur am Fernseher dabei. Die kirchlichen Verpflichtungen hat er für einen Tag im Dorf gelassen.

„Live vor Ort zu sein, dass ist doch etwas ganz anderes“, strahlt der Geistliche. Bei der Vier-Schanzen-Tournee zwischen Weihnachten und Neujahr fieberte er bisher immer vor dem Bildschirm mit, aber jetzt erlebt Schulte die fantastische Atmosphäre eines Weltcup-Zirkus zum ersten Mal leibhaftig.

Mentalität der Sportler imponierend

Eine tolle Erfahrung für den Pastoralverbandsleiter aus dem Sauerland. Vorallem als dann am Ende auch noch Severin Freund mit über 145 Metern vom Backen auf das Siegerpodest springt. Der krönende Abschluss. Andreas Schulte hat es dem Geheimfavoriten zugetraut, aber richtig daran geglaubt hat ja nicht mal der gute Freund selbst.

Umso schöner, dass der Balver Pfarrer diesen grandiosen Moment mit eigenen Augen verfolgen darf. Den letzten deutschen Triumph in Willingen gab es 2003 durch Sven Hannawald. Auch daran kann sich Andreas Schulte erinnern. Schon seit seiner Kindheit schwärmt der heute 45-Jährige für die Könige der Lüfte: "Ich hatte immer Respekt vor denen. Selbst würde ich mich auf keine Schanze trauen."

Die Mentalität der waghalsigen Jungs imponiert ihm besonders. „Wenn man hingefallen ist, muss man gleich wieder aufstehen, um den nächsten Sprung zu schaffen. Das ist beim Skispringen so, und im Leben sollte es auch so sein", predigt Schulte. Ein Grundatz, der seiner seelsorgerischen Arbeit entspricht.

Freudenfest in Willingen

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Herz schlägt auch für BVB

Seit 2009 ist Andreas Schulte für die Gemeinden im Raum Balve mit rund 10 500 Katholiken verantwortlich. Vorher war der gebürtige Neheimer in Garbeck und Affeln als Priester eingesetzt. Der Sport begleitet sein Leben. Deshalb steht der Pfarrer mitten im Leben, weiß was im Alltag gespielt wird. Freude und Trauer spiegeln sich nirgendwo so punktuell und massiv wieder wie im Sport.

Schultes Freizeitaktivitäten sind fixiert auf den Fußball. Jede Woche kickt der Pastor mit einer Gruppe von Lehrern in Neheim. Sein Herz schlägt für den BVB – derzeit natürlich besonders hoch. Auch für den Theologen ist es ein kleines Wunder, dass Borussia Dortmund in der Bundesliga ganz oben steht. „Nur Sonnenschein im Moment für mich“, schmunzelt der Pfarrer.

Mitbrüder sind eingesprungen

Ein strahlend blauer Himmel vergoldete Andreas Schulte den Ausflug nach Willingen. Ausdrücklich betonen möchte er, „dass ich meinen Mitbrüdern dankbar bin.“ Die Kollegen sprangen ein, haben am Sonntag seine Messfeiern übernommen. Schulte: „Ist es ungewöhnlich für einen Pfarrer, sich sonntags auf den Weg zu machen. Das ist wie Urlaub.“ Und diesen freien Tag im hessischen Upland, ermöglicht durch zwei gewonnene Freikarten, hat er genossen wie Gott in Frankreich.