Balve/Lüdenscheid. Die PV-Anlage steht im Golddorf. Aber eine Baugenehmigung liegt nicht vor. Die kommunale Bauaufsicht zückt die rote Karte. Und nun?
Vor zwei Jahren wähnte sich Mellen auf der Sonnenseite umweltfreundlicher Stromerzeugung. Im Golddorf gründete sich Anfang des Jahres eine Dorfenergiegenossenschaft. Ihr ehrenamtlich getragenes Gemeinwohlprojekt sollte Strom umweltfreundlich im Dorf für das Dorf produziert werden. Wenige Monate später, im Oktober 2022, herrschte eitel Sonnenschein. Der Genossenschaftsprüfverband hatte dem Vorhaben zugestimmt. Das Publikumsinteresse war riesig. 467 Bürgerinnen und Bürger zeichneten Anteile für eine 2,5-Millionen-Photovoltaikanlage. Inzwischen sind dunkle Wolken über Mellen aufgezogen. Ausgerechnet die Stadt Balve hat, wie Kreis-Sprecher Alexander Bange auf Anfrage der Westfalenpost erklärte, „ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben versagt“.
Der Reihe nach. Die Genossenschaft wollte Teilebeschaffung und Genehmigungsverfahren parallel führen. Daraus wurde nichts. Einer der Gründe für Zeitverlust war der Hackerangriff auf die Südwestfalen IT. Plötzlich ging nichts für den überkommunalen Dienstleister sowie die Mitgliedsstädte und -kreise. Eine von zahlreichen Folgen war, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung der Dorfenergiegenossenschaft ihre Pläne erst drei Monate als geplant stattfand.
Wohin mit dem Material aus Fernost?
Zwischenzeitlich kam Material aus Fernost. Schnell war dem Genossenschaftsvorstand klar: Die Solarpaneele würden kaum über längere Zeit in Containern im Rotterdamer Hafen bleiben können – allein weil die Versicherung nicht bereit gewesen wäre, dort für einen Millionenschaden etwa durch Diebstahl. Die Genossenschaft ließ daraufhin Panels und Montageständer nach Mellen bringen. Auf dem Grund der geplanten Photovoltaikanlage steht das Material seither – hinter einem Zaun, ständig bewacht. Doch eine Baugenehmigung lag und liegt nicht vor. Wie würde die kommunale Bauaufsicht entscheiden?
Am Donnerstag wurde für die Genossenschaft aus dunkler Ahnung finstere Gewissheit. Der Märkische Kreis hatte, wie Kreis-Sprecher Alex Bange auf Anfrage der Westfalenpost kurz zuvor angedeutet hatte, hatte dem Vorstand nach Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens einen Bußgeldbescheid geschickt.
Details des Inhalts sind noch nicht bekannt. Kreis-Sprecher Bange hatte immer den Tenor des Schreibens öffentlich gemacht: „In den Bauantragsunterlagen wurden die Festsetzungen aus dem B-Plan in Teilen nicht korrekt im Lageplan übernommen.“ Weiter heißt es: „Ein Teil der baulichen Anlagen liegt sowohl in den Planunterlagen als auch in der Örtlichkeit in Bereichen, die laut B-Plan von baulichen Anlagen zwingend freizuhalten sind.“ Was bedeutet das für die Dorfenergiegenossenschaft? „Bereits errichtete bauliche Anlagen, die auch nachträglich nicht genehmigungsfähig sind, sind zurückzubauen. Eine abschließende Entscheidung über zurückzubauende Anlagen kann erst mit Abschluss des Baugenehmigungsverfahrens erfolgen.“
Genossenschaftsvorständler Wilfried Köster will sich, wie er der Westfalenpost am Donnerstagnachmittag sagte, zunächst mit der übrigen Führungscrew beraten, vor einer öffentlichen Reaktion, die ins Detail geht. Die Genossen, eher verzweifelt als wütend, äußerten sich jedoch bereits allgemein. Das Schreiben liegt der Westfalenpost vor.
„Was der einen Behörde gefällt, ist für die nächste nicht rechtssicher genug“, klagt die Genossenschaft. Genehmigungs- und Bearbeitungszeiten passen demnach „nicht zu einer professionellen Projektplanung“. Die Genossenschaft nimmt „mangelnde Behördenabstimmung, immer neue Gutachten, Hackerangriffe und das Streben nach kompletter Rechtssicherheit“ wahr.
Dabei will die Genossenschaft nach eigenem Bekunden „alle Umwelt- und Naturschutzanforderungen sofort“ umsetzen.
Derweil läuft der Genossenschaft die Zeit davon: „Eine Förderzusage des Landes NRW läuft aus. Die Einspeisezusage von Westnetz läuft aus. Die Preisbindung der Angebote läuft aus.“ Zudem kostet die Genossenschaft jeder Monat ohne Stromerzeugung bares Geld. Die Rede ist von 15.000 Euro pro Monat. In Kürze, am 14. Mai, soll der Trafo angeliefert werden. Spezialfahrzeuge und XXL-Kran sind bestellt. Vermutlich muss der Termin gekippt werden. Das kostet Zeit – und Geld. Und nun?
An Konfrontation liegt der Genossenschaft nichts. Vielmehr fehlt sie: „Liebe Behörden und vor allem deren Chefs: ,Wir brauchen Euch!‘“ Der Vorstand wünscht sich schnelle behördenübergreifende Abstimmung – und signalisiert zugleich die Bereitschaft zu fixer Nachbesserung. Ein gemeinsamer Ortstermin mit allen Behörden soll es richten. Denn: „Wir könnten bereits in vier Wochen circa 500 Haushalte mit Strom versorgen.“ Allein die Hoffnung darauf trieb Genossenschaftspartner Stadtwerke Balve bereits 100 neue Kunden zu.