Balve. Die Stadtbibliothek verleiht Samen. Na nu, was ist denn da los? Die Geschichte einer ungewöhnlichen Aktion.

In einer Bücherei können Medien ausgeliehen werden, klar. Jetzt geht die Stadtbücherei noch einen Schritt weiter: Sie verleiht Saatgut. Na nu, wie geht denn das?

Bücherei-Chefin Steffie Friske, Mitarbeiterin Heike Hering und Sabine Biehs-Romann vom Verein „Hönnetal im Wandel“ haben da etwas vorbereitet: eine Holzkiste mit Saatgut. Reden ist gut, aber Sehen heißt glauben. In der sandfarbenen Kiste befinden sich Tütchen mit – richtig! – Saatgut.

„Die Idee hatte Sabine“, sagt Steffie Friske über ihre Mitstreiterin. Die Büchereileiterin nahm die Anregung gern auf. Büchereien befinden sich im Wandel. Es geht dort längst um mehr um Holen und Bringen von Lesestoff. Bibliotheken sind mit Anregungen zum Nachdenken längst Treffpunkt für die Stadtgesellschaft. Und genau da setzt die Aktion von „Hönnetal im Wandel“ an. Die Truppe hat sich einem Projekt des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) angeschlossen. Der Name des Vereins ist Programm.

Das ist eine Tomate. Aber es ist keine wie im Supermarkt. Im Supermarkt gibt es nur Hybride. Deshalb schmecken auch alle gleich. Das ist bei unserem Saatgut anders. Die Pflanzen, wie die Tomaten, können sich an unser lokales Klima gewöhnen.“
Sabine Biehs-Romann, „Hönnetal im Wandel“

Sabine Biehs-Romann holt ein Tütchen aus der Kiste, um den Sinn der Aktion zu erklären: „Das ist eine Tomate. Aber es ist keine wie im Supermarkt. Im Supermarkt gibt es nur Hybride. Deshalb schmecken auch alle gleich. Das ist bei unserem Saatgut anders. Die Pflanzen, wie die Tomaten, können sich an unser lokales Klima gewöhnen.“ Die Gene des Saatguts verändern sich – mit dem Ziel, sich optimal an Boden und Klima vor Ort anzupassen. Hybride indes sind Industrieware. Veränderung ist eben nicht erwünscht. Das aber verringert die Vielfalt des Saatguts.

Bei der Saatgut-Leihe geht es um das exakte Gegenteil. Aber wie funktioniert‘s?

Das Balver Projekt umfasst vier Schritte. Der Saatgut-Leihe folgen Aussaat und Ernte nebst Samen-Ernte. Und schließlich bringt die Teilnehmerschar Saatgut wieder zurück zur Bücherei. Steffie Friske und ihr Team rechnen mit neun Monaten von der Ausleihe bis zur Rückgabe. „Von Mahngebühren“, witzelt Steffie Friske, „werden wir absehen.“ Fakt ist: Die Samentütchen besitzen einen Aufkleber; sie gehören, wie Bücher und andere Medien, zum Inventar der Bücherei. Welches Saatgut steht zur Verfügung?

Tomaten, Bohnen, Erbsen, Salat und Gartenmelde. Bei Gartenmelde handelt es um eine einst verbreitete Spinatart, leicht zu ziehen, angenehm im Geschmack. Das Saatgut kommt durchweg von VEN-Mitgliedern, wie es heißt.

Da Büchereien, wie Kita, Schule und Volkshochschule, Lernorte sind, wird die gärtnernde Gemeinde begleitet. Am Dienstag, 20. Februar, 15 Uhr, findet eine zweistündige Auftaktveranstaltung in der Bücherei statt. Fragen sind erwünscht. Zugleich wird Saatgut unters Volk gebracht. Doch das ist nicht alles. Erfahrungsgemäß brauchen Menschen, die sich erstmalig ans Beet trauen, Ermunterung und Zuspruch. Daher gibt für Teilnehmende einen zehnteiligen Newsletter mit Infos rund ums Gärtnern. Beet-Profis sind nach der Aktion leicht erkennbar: am grünen Daumen.

Balves Bücherei und Verein
Balves Bücherei und Verein "Hönnetal im Wandel" verleihen Saatgut: Steffie Friske, Sabine Biehs-Romann und Heike Hering (von links). © WP | jürgen overkott