Balve/Haltern. Seàn Reeves ist in Balve das Gesicht des Irish Folk Festivals. Warum er ausgerechnet bei der 20. Ausgabe abtritt und was er vorhat.
Seàn Reeves liefert Anekdoten am laufenden Band. Der 71-jährige Ire ist, so scheint es, ein geborener Entertainer. Kein Wunder, dass er seit Jahren Moderator des Irish Folk Festivals in der Balver Höhle ist. Vom 3. bis 5. August findet die 20. Ausgabe der keltischen Sause statt. Zugleich verabschiedet sich Seàn Reeves als Musiker. Die Westfalenpost erreicht ihn zuhause im Wohnzimmer in Haltern am See. Beim Anruf sieht der Musiker gerade die TV-Show „Bares für Rares“.
Warum hört der gelernte Koch auf, der für das Irish Folk Festival in Balve ein Erfolgsrezept gefunden hat? „Hauptsächlich Corona“, entgegnet der Mann aus dem irischen County Kilkenny, „ich bin Risiko-Patient.“ Und noch etwas kommt dazu: „Ich bin inzwischen Rentner.“
Hauch von Mittelerde
Seàn Reeves sagt das im Ton eines Menschen, dem in seinem Leben viel gelungen ist. Seit 1971 ist er in Deutschland unterwegs. Gerade auf seine Konzerte in Balve mit seiner Band Five Alive ‘O und dem Festspielchor blickt er mit Dankbarkeit und einem Schuss Wehmut: Er habe eine Menge Spaß gehabt, sagt er. „Ich denke, die Zeit ist gekommen. Ich könnte ein Buch schreiben über mein Leben als Künstler. War eine sehr schöne Zeit, und sie wird bei mir im Herzen und Gedächtnis bleiben. Mehr braucht man nicht.“ Was hat die Zeit im Hönnetal so schön gemacht?
Die Balver Höhle – sie ist für ihn etwas Besonderes. In einem früheren Gespräch hat er die Natur-Arena einmal mit „Mittelerde“ verglichen, der wundersamen unterirdischen Sagenwelt aus J.R.R. Tolkiens Trilogie „Herr der Ringe“. Seàn Reeves freut sich schon auf seinen letzten Auftritt.
Wohnzimmer mit 100 Gästen
Die Höhle steht für mehr als nur bizarre Kalkfelswände. Balve zeichnet sich für den Künstler auch durch ein außergewöhnlich aufmerksames Publikum aus: „Wenn ich singe, kann man eine Stecknadel fallen hören. Das hätte ich nie gedacht, dass man die Menschen mit irischer Kultur so erreichen kann.“ Und wenn dann noch seine Band richtig in Fahrt ist, dann fühlt sich Seàn Reeves wie zuhause. In solchen Momenten wird die Balver Höhle für ihn zu einem Wohnzimmer mit 1000 Gästen.
Balve ist für den westfälischen Iren mehr als nur ein Auftrittsort. Die Stadt ist ihm sehr schnell ans Herz gewachsen. Der Grund dafür heißt Mia Waltermann. Seàn Reeves mochte die verstorbene Pensionswirtin nicht bloß – er liebte sie. Warum, erzählt er bereitwillig. Über die Erlebnisse in der Pension könnte er „ein Buch schreiben“, sagt Seàn Reeves. Was war das Besondere an „Mia“ und ihrer Herberge?
+++ BALVE, SEÀN REEVES UND HELENE FISCHER +++
Seàn Reeves und seine Musiker verbindet zunächst klassische Sauerland-Romantik mit ihr, Fachwerk und Gemütlichkeit. „Aber wichtiger war das Gefühl, dass wir mit ihr verbinden. Es fühlte sich bei ihr so an, als würde man nach Hause kommen. Wir waren keine Gäste, wir waren ihre Söhne. Sie hat uns umarmt, und wir haben mit ihr zusammengesessen. Obwohl sie kein Englisch konnte, hat sie sich in ihrer eigenen Sprache mit den Leuten unterhalten. Sie kam morgens um sechs in den Frühstücksraum und rief: ,Good morning, boys!’“ Sie war eine außergewöhnliche Frau mit einer großartigen Persönlichkeit. Die Iren lieben solche Menschen. Möge Gott gut zu ihr sein – wenn nicht, kriegt er Ärger mit mir.“
+++ SEÀN REEVES IN BALVE: IT’S TIME TO SAY GOOD-BYE +++
Dabei ist der Fan des Münchner Kellerbiers von Hacker Pschorr im Herzen ein Gaudi-Bursche: fast immer gut drauf. Er liebt es zu singen. Der Musiker gibt obendrein gern den Takt vor – auf der irischen Trommel Bodhran oder auf der der Rhythmus-Kiste Cajon. Manchmal spielt er auch Gitarre.
So ist es auch am Donnerstag, 3. August, geplant. Seàn Reeves gastiert mit seiner Band Five Alive ‘O. Der Auftritt ist beide Seiten etwas Besonderes. Die Gruppe löst sich danach auf. Selbst ihre Homepage im Internet will sie tilgen.
Der Auftritt in Balve indes soll Musikern wie Fans in Erinnerung bleiben. Er wird auf DVD gebannt. Mehr noch: Fans der keltischen Musik sollen Gelegenheit haben, sich in Interviews zu Festival und irischer Kultur zu äußern. Weiß Seàn Reeves schon, was nach dem letzten Akkord in Balve passiert?
Die beiden Enkel sind sein Hobby
Der Tausendsassa spricht von vielen Hobbys. Eines davon sind seine beiden Enkel. Zudem will er einen Blog im Internet anlegen. Seàn Reeves will das Beste aus seiner Zeit als Profi-Koch verraten: das Beste aus 47 Jahren. Kann er sich ein Leben ohne Musik vorstellen?
„Es kann sein, dass ich mal als Gastsänger bei einer Band einsteige, für ein oder zwei Lieder“, meint der Musiker, „wenn ich eingeladen werde, nur als Gast.“ In solchen Momenten wirkt Seàn Reeves ein bisschen wie James Bond. Sie teilen dieselbe Devise: „Sag’ niemals nie.“