Balve. Geflüchtete in Balve. Die Stadt kümmert sich um Wohnraum, Bildung, Bürgergeld. Pfarrerin Kastens indes leistet Seelsorge. Sie ist bitter nötig.

Die Verwaltungsvorlage arbeitete die Situation der Geflüchteten im Stadtgebiet für den Ratsausschuss ESDS als Tortendiagramm auf. Tatsächlich ging es in dem Gremium durchaus um Nationalitäten und Zahlen, aber weitaus mehr um Menschen und Schicksale. Ein Satz der evangelischen Pfarrerin Antje Kastens sorgte am Vorabend des erneuten Sirenenwarntages im Ausschuss für Frösteln.

Sirene auf dem Dach des Rathauses in Balve
Sirene auf dem Dach des Rathauses in Balve © WP | jürgen overkott

Doch der Reihe nach. Michael Bathe ist nicht nur der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters. Er ist als Fachbereichsleiter auch für Soziales zuständig, mithin für Geflüchtete. Er beschrieb die Situation mit Daten und Fakten.

Die Zahlen

Demnach lebten Mitte Februar insgesamt 416 Flüchtlinge im Stadtgebiet. Menschen aus der Ukraine machen mit 154 Personen die weitaus größte Gruppe aus. Sie besteht vornehmlich aus Frauen und Kinder. Männer unter 60 müssen zumeist in den Kampf gegen Russland ziehen.

Die zweitgrößte Gruppe kommt aus Syrien, etwas mehr als 100 Personen. Das waren etwa doppelt so viel wie aus der drittgrößten Gruppe. Ihr Herkunftsland ist der Irak. Die übrigen Flüchtlinge stammen aus Balkanländern wie Albanien und Serbien, ansonsten aus Afrika und Asien. Michael Bathe & Co. können derzeit durchatmen: „Die Zuweisungen durch die Bezirksregierung sind moderat. Das kann natürlich schnell anders kommen.“

Der Wohnraum

Flüchtlinge brauchen Wohnraum. Wie sieht’s aus? „Wir haben sie ganz gut untergebracht“, stellte Michael Bathe fest. Menschen aus der Ukraine sind nicht selten privat untergekommen. Die Stadt Balve hat beizeiten die Chance genutzt, leerstehende Räume der ehemaligen Hauptschule zu Wohnungen umzubauen. Mehr als 50 Menschen leben dort. „Wir können noch 30 weitere Personen dort unterbringen“, kündigte der Verwaltungsprofi an.

Selbst aus der Bevölkerung kommen nach wie vor Angebote, Geflüchtete aufzunehmen. „Wir haben im Balver Stadtgebiet noch viele leerstehende Häuser“, sagte Michael Bathe.

Balves Bürgermeister-Vertreter Michael Bathe (links) im Ratsausschuss ESDS
Balves Bürgermeister-Vertreter Michael Bathe (links) im Ratsausschuss ESDS © WP | jürgen overkott

Eines davon galt einst als legendäre Herberge für Touristen, Geschäftsleute und Musiker: die Pension Waltermann. Nach dem Tod von Hausherrin Mia Waltermann steht das Gebäude an der St. Johannesstraße leer. Es ist gut in Schuss. Dennoch sind Arbeiten notwendig. Worum geht’s?

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Es müsse geprüft werden, ob die einstige Pension den heutigen Standards des Brandschutzes genüge. „Außerdem brauchen wir die Zustimmung des Kreisbauamtes“, sagte Michael Bathe. „Wir müssen einen Bauantrag stellen, wegen der Nutzungsänderung.“ Klar sei, dass die Eigentümer bereit seien, das Haus an die Stadt zu vermieten.

Die Stadt habe aber weitere Unterkünfte im Blick, erklärte Michael Bathe, etwa die alte Schule in Volkringhausen, dazu Räume der Feuerwehr im selben Ortsteil.

Investitionen in Wohnraum kosten Geld. Die Stadt hofft auf Zuschüsse von Land und Bund. Was passiert mit den Menschen?

Die Integration

Um Integration bemühen sich das Bündnis für Flüchtlinge mit mittwöchlicher Beratung im Jugendzentrum von 13 bis 15 Uhr (Telefon 02371-24781;). Die Arbeit wird vom Verein „isi“ geleistet. Dazu kommen Sprachkurse.

Alltagshilfe und Unterstützung bei der Traumabewältigung werden von der Evangelischen Gemeinde angeboten. Wichtige Anlaufstelle ist das Flüchtlingscafé. „Es läuft gut“, stellte Pfarrerin Antje Kastens nüchtern fest, „es kommen zwischen 40 und 65 Gäste. Dann ist der Gemeindesaal voll.“ Pfarrerin Kastens engagiert sich selbst, hört zu.

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Heimwacht in der Pension Waltermann. Sie soll bald Geflüchtete beherbergen.
Heimwacht in der Pension Waltermann. Sie soll bald Geflüchtete beherbergen. © WP | Sven Paul

Die Gemeinde hat die Jugendarbeit verstärkt – auch als außerschulisches Angebot für die insgesamt 50 Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine. Acht bis 15 von ihnen nutzen die „Home-Zone“, wie der Jugend-Treff der Gemeinde heißt. „Da ist richtig ‘was los. Das tut ihnen richtig gut. Und unsere Jugendlichen sind ja auch da. Da gibt’s muntere Schwätzchen, die Leute verstehen sich.“

Die Ehrenamtler

Zusätzliche Aufgaben sind erfahrungsgemäß nur mit zusätzlichen ehrenamtlich Mitarbeitenden zu wuppen. Es gehe längst nicht nur um Kaffee und Kuchen, sagte Pfarrerin Kastens: „Man organisiert Ärzte-Fahrten, man spricht über Formulare, füllt sie aus.“

Der Hilfebedarf ist unterschiedlich. Manche Menschen kamen mit eigenem Auto aus der Ukraine, vorsorglich. Andere traf der Krieg mit brutaler Gewalt, sei’s direkt, sei’s indirekt. Kein Wunder, dass manche Menschen durch scheinbar alltägliche Situationen wie die Alarmtöne am Sirenenwarntag am Donnerstag getriggert werden. „Wenn die Sirenen heulen, kriechen Kinder unter den Tisch“, weiß Pfarrerin Kastens. Sie kennt auch ein Gegenmittel: „Gemeinschaft ist heilsam.“