Balve. Die Proben für das neueste Bühnenstück des Balver Festspielvereins sind auf der Zielgeraden. So steht’s ums Lampenfieber der Darsteller.

Die Proben sind auf der Zielgeraden: Am Freitagabend feiert der „Jedermann“ des Festspielvereins Premiere in der St.-Blasiuskirche. Mit am meisten wird wohl die Hauptdarstellerin auf diesen Abend hinfiebern. „Jederfrau“ Michaela Butterweck erzählt von der großen Ehre und großen Anstrengung, diese Rolle zu spielen. Und warum das Stück nach über 100 Jahren heute noch relevant ist.

Neuland für Regisseurin Marie Neuhaus-Schwermann

„Jeder in Salzburg möchte der Jedermann sein“, weiß Michaela Butterweck. Dort, bei den Festspielen, wird das Stück seit über 100 Jahren jedes Jahr wieder aufgeführt, eine entsprechende Besetzung gilt als Ritterschlag. Bis in die österreichische Kulturmetropole hat es Michaela Butterweck noch nicht geschafft, aber die Besetzung mit der Hauptrolle beim Balver Festspielverein ist auch ja auch eine Auszeichnung.

Wenn am Freitag in der St.-Blasiuskirche die erste Aufführung über die Bühne geht, dann spielt also eine Frau den „Jedermann“. Eine Idee, die zu Beginn der Vorbereitungen Regisseurin Marie Neuhaus-Schwermann in die Planung eingebracht hatte (WP berichtete). „Das fand ich sofort großartig, aber ich hatte gar nicht mich selber für diese Rolle auf dem Schirm“, erinnert sich Butterweck zurück.

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Neuhaus-Schwermann aber, so erzählt diese selbst, habe ihre Wahl bewusst und überlegt getroffen. Butterweck dazu: „Das empfinde ich als große Ehre.“ Um dann grinsend anzufügen: „Zwischendurch habe ich mich aber auch mal gefragt, was mich dabei geritten hat.“ Denn die Vorbereitung hat es richtig in sich, vor allem der Text. Der Jedermann steht fast durchgängig auf der Bühne. Die alte Sprache lässt quasi keinen Freiraum für Improvisation, weil es sich ständig reimt. Auch und gerade in der Kommunikation mit den anderen Figuren.

Eine ganz neue Herausforderung des Textlernens für Butterweck. Besonders mit dem passenden Hörbuch als Hilfsmittel habe sie in den vergangenen Wochen und Monaten jeden freien Moment genutzt, jede Autofahrt, die Zeit vor dem Schlafen gehen. „Das war wie ein Halbtagsjob neben meinem normalen Vollzeitjob.“ Kürzlich kam das nun alles zum ersten Mal mit Kostümen, wenn auch noch ohne Maske, aber mit Bühnenbild, stimmungsvoller Lichtillumination und Technik auf die Bühne der Pfarrkirche. Manches „Ah“ und „Oh“ der Begeisterung war im Ensemble zu hören, als man manchen Darsteller nun das erste Mal im vollen Ornat sah. Wie etwa den Tod, dargestellt von Dirk Büchsenschütz, der schon lange nicht mehr in Balve lebt, aber extra für die Aufführung zurückkehrt. Auch schon bei der vergangenen Inszenierung war er der Tod, eine eindrucksvolle Erscheinung übrigens.

Michaela Butterweck hat damals nicht mitgespielt. „Aber das Stück hat mich damals schon so fasziniert, dass ich mir vier Aufführungen angeguckt habe.“ Gerade mit dem Tod hat Butterweck nun sehr viel als Duo geübt. „Wir leben den Inhalt dann ja mit. Deshalb sind die Proben sehr anstrengend. Wenn ich mit dem Tod gespielt habe, war ich hinterher oft total erschöpft.“

„Jedermann“ ist aktueller denn je

Reichtum und Protz, Tod und Vergänglichkeit und die Rechtfertigung eines guten Lebens während der Jedermann vor den Richterstuhl Gottes zitiert wird, stehen im Mittelpunkt. „Wir spiegeln unser heutiges Leben damit“, erklärt Regisseurin Marie Neuhaus-Schwermann. Und zum Verzicht auf eine geschlechtliche Ausgestaltung der Hauptrolle, schließlich soll Butterweck weder deutlich als Mann noch als Frau erkennbar sein, sagt die Regisseurin: „Wir wollen wirklich jeden damit ansprechen.“ Und auch Butterweck betont: „Das Stück ist brandaktuell. Gute Werke hat man es früher genannt, heute ist es unser Karma-Konto.“

1911 wurde das Theaterstück Hugo von Hofmannsthals uraufgeführt. In Balve findet es in der großen Pfarrkirche statt. Zum ersten Mal inszeniert Marie Neuhaus-Schwermann in einem Gotteshaus wie sie berichtet, findet das Zusammenspiel von Werk und Atmosphäre sehr passend. Die Herausforderungen der Akustik sollte das kompetente Technikteam des Festspielvereins bis zur Premiere lösen.

Michaela Butterweck empfindet durchaus Demut, direkt vor dem Altar spielen zu können. Vor allem aber auch Vorfreude. Lukas Koch, der Vorsitzende des Festspielvereins, teil den Stand des Kartenverkaufs mit. An den ersten drei Novemberwochenenden startet freitags und samstags jeweils eine Aufführung um 20 Uhr in St. Blasius. 200 Karten stehend pro Abend zur Verfügung, 1200 also insgesamt. Bislang seien etwas über 200 verkauft, einige noch vorreserviert, davon zusammen gut die Hälfte für die Premiere. „Etwas hinter unseren Erwartungen“, sagt Koch. Aber zuletzt gab es auch bei anderen Veranstaltungen die Erfahrung, dass ein Vorverkauf schleppend verlief, die Veranstaltung aber gut gefüllt war.