Beckum/Münster. Geheimnisse der Urzeit gelüftet: Beckum hat Dr. Achim Schwermann und seinem LWL-Team geholfen, neue Säugetierarten zu entdecken.

In Beckum hat ein Team des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) neue Säugetierarten entdeckt: acht winzige Zähne von 125 Millionen Jahre alten Säugetieren. Das teilte LWL-Sprecher Frank Tafertshofer am Freitag in mit. Bei der Namensgebung der Urviecher wurde Beckum bedacht.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus Beckum und Umgebung spielten bei den Forschungsarbeiten eine nicht unwichtige Rolle. Sie legten Hand an. Ortsvorsteher Georg Wortmann hatte sich dafür stark gemacht. Er hatte den Kontakt zwischen Ehrenamtlern und Grabungsteam vermittelt. Schon jetzt ist verabredet, dass der Freiwilligen-Einsatz auch in der bevorstehenden Grabungssaison in der warmen Jahreszeit weitergehen kann. Wer Interesse hat, kann sich bei Georg Wortmann melden (Telefon 0151-12481339).

Dino-Grabungen in Beckum: Der LWL arbeitete erstmalig mit Ehrenamtlern zusammen. Gefunden wurden unter anderem winzige Säugetier-Zähne aus der Urzeit (Archivbild vom Oktober 2021).
Dino-Grabungen in Beckum: Der LWL arbeitete erstmalig mit Ehrenamtlern zusammen. Gefunden wurden unter anderem winzige Säugetier-Zähne aus der Urzeit (Archivbild vom Oktober 2021). © LWL | Achim Schwermann

Anhand der einen halben Millimeter hohen und einen Millimeter breiten Zähne stellten die Wissenschaftler:innen des LWL-Museums für Naturkunde und der Universitäten Bonn und Sankt Petersburg fest, dass es sich bei den Fossilien um neue Säugetierarten handelt. Die neuen Tierarten gehören zwei längst ausgestorbenen Gruppen an, den Spalacotheriiden und den Dryolestiden. Dies sind kleine, insektenfressende Säugetiere, die zu Zeiten der Dinosaurier gelebt haben. Die nun in einer neuen Studie beschriebenen Zähne sind zum einen der erste Nachweis für Spalacotheriiden in Zentraleuropa. Zum anderen stellen die Dryolestiden-Zähnchen die jüngsten Nachweise dieser Gruppe auf der Nordhalbkugel dar. Bisher gab es bekannte Nachweise von Spalacotheriiden und Dryolestiden aus der Unterkreide in Europa nur aus Großbritannien, der iberischen Halbinsel und Frankreich.

Insgesamt acht Fossilien aus Balve begründen nun drei neue Säugetiergattungen und -arten: „Cifellitherium suderlandicum“, „Minutolestes submersus“ und „Beckumia sinemeckelia“. Der dritte Name nimmt dabei direkten Bezug auf Beckum, in der die Fossilien gefunden wurden. Die neuen Arten sind die geologisch jüngsten Vertreter der Spalacotheriiden und Dryolestiden in Europa.

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Durch den neuen Fund erweitert sich die bekannte geografische Ausdehnung der Spalacotheriiden bis nach Mitteleuropa. „Unsere Kenntnisse über die Säugetiergruppen von Balve sind immer noch begrenzt“, erklärt Dr. Achim Schwermann, Fossilien-Forscher im LWL-Museum für Naturkunde in Münster. „Jedes Jahr entdecken wir neue Fossilien, und jede Entdeckung bringt etwas mehr Licht in dieses Kapitel der Säugetier-Evolution, das weltweit nur durch wenige Fossilien bekannt ist“, so der Paläontologe weiter.

Unsichtbares wird sichtbar

Mitarbeiterinnen und Museums des LWL-Museums für Naturkunde entdeckten bei jährlichen Grabungen in einem Steinbruch bei Balve im Hönnetal acht Zähne, beziehungsweise Kieferbruchstücke der nun beschriebenen Säugetiere.

Dr. Achim Schwermann vom LWL jagt in Beckum Dinos - mit Unterstützung auch aus dem Dorf.
Dr. Achim Schwermann vom LWL jagt in Beckum Dinos - mit Unterstützung auch aus dem Dorf. © WP | jürgen overkott

Fossilien dieser Art sind in den Ablagerungen extrem selten. Sie sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Wie finden Achim Schwermann & Co. die Fossilien?

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`as Verfahren heißt Schlämmen. Nach Trocknung und anschließendem Einweichen in Wasser werden die Proben über Siebe gespült. Die kleinste Maschenweite beträgt dabei 0,5 Millimeter. Durch diese Arbeit werden ungefähr 90 Prozent des Sediments ausgewaschen. Übrig bleiben Gesteinsbruchstücke, Gerölle und Fossilien, die größer als ein halber Millimeter sind. Im Anschluss werden diese Objekte in zeitintensiver Arbeit Korn für Korn ausgelesen. Nur so lassen sich die winzigen Zähne finden.

3D-Scan von 125 Millionen Jahre alten Fossilien

Nachdem das Forscherteam die Zähne ausfindig gemacht hatte, wurden sie mit einem Mikro-Computertomograph (µCT) durchleuchtet. Dabei rotierten die Fundstücke um 360 Grad, und mit Hilfe von Röntgenstrahlung entstand ein 3D-Scan der Fossilien. „Mit dieser Methode lassen sich die winzigen Zähne am Rechner untersuchen. Das ist kein Ersatz für die Originalfossilien, aber 3D-Modelle sind wesentlich einfacher von allen Seiten zu betrachten“, erklärte Professor Thomas Martin von der Universität Bonn, Hauptautor der neuen Studie.

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Helfer aus Beckum legen Hand an.
Helfer aus Beckum legen Hand an. © WP | Jürgen Overkott

Die Fossilien sind die bislang einzigen Reste, die von diesen Tierarten bekannt sind. Sie werden daher sicher im Zentralmagazin des LWL verwahrt. Dort stehen sie Forschenden zur Verfügung, um weitere Untersuchungen daran vorzunehmen und noch mehr über sie zu erfahren. Interessierte finden den Link zur wissenschaftlichen Abhandlung der Funde hier: https://app.pan.pl/article/item/app009142021.html