Balve. Corona hat die Bedeutung von Smartphone und Tablet so deutlich gemacht wie nichts zuvor. Wie können Senioren davon profitieren?

Sie wollen zurück in die Zukunft. Ohne Smartphone, Tablet-Computer oder Laptop findet das gesellschaftliche Leben künftig weitgehend ohne sie statt: Das wissen die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer des IT-Seniorentreffs der Malteser. Für sie ist der Wochenausklang am Freitagnachmittag ein neuer Anfang. Lockdown hin, Home-Office her: Die Idee zu dem neuartigen Angebot mag der Pandemie geschuldet sein. Doch der Start in die unendlichen Weiten des digitalen Universums im Balver Gesundheitscampus setzt, wie ehedem, auf persönliche Begegnung.

Mechthild Ahrens benutzt Stift und Block genauso wie ihr iPad. Dennoch freut sie sich über Rat und Tat auf ihrem Weg zur digitalen Autobahn.
Mechthild Ahrens benutzt Stift und Block genauso wie ihr iPad. Dennoch freut sie sich über Rat und Tat auf ihrem Weg zur digitalen Autobahn. © WP | jürgen overkott

Das Interesse an Mails und WhatsApp, Textnachrichten und Foto-Alben, Suchmaschinen und Mediatheken hat viele Gesichter. Eines von ihnen ist Roswitha Müller aus Langenholthausen. Vor ihr liegt ein Seniorentelefon alter Schule, klein das Gerät, groß die Tasten, SMS sind möglich, maximal, internetfähig ist es nicht. „Meine Enkel haben mir gesagt, ich soll mir ein Smartphone anschaffen, oder ein Tablet“, sagt die 75-Jährige. Haben die Corona-Beschränkungen des sozialen Lebens den Wert der digitalen Geräte gesteigert? Roswitha Müllers Antwort unterläuft gängige Erwartungen. Sie guckt nachsichtig durch die ovalen Gläser ihrer Brille: „Nein“, sagt die kulturinteressierte, mobile Dame, „wenn ich mit der Bahn fahre und einen Anschluss nicht verpassen darf, gibt es immer jemanden, der mir hilft, viele junge Leute, auch Leute, die ausländisch aussehen, sind mir oft so gefällig.“ Roswitha Müllers Augen glänzen beim Erzählen: „Ich habe ja früh gelernt, auf Menschen zuzugehen.“

+++ CORONA VERDIRBT MALTESERN DIE LAUNE +++

Unterdessen hantiert Roswitha Müllers Nachbarin, die ihren Namen nicht lesen will, geschickt mit ihrem Smartphone. Sie checkt Fotos per Wischbewegung. Die Grundlagen des Geräts beherrscht die jung geblieben wirkende Frau offensichtlich. Aber sie will bei ihrem zweiten Besuch der Gruppe mehr wissen: Wie funktionieren Foto-Alben? Auswahl auf ihrem Smartphone gibt’s genug: „Ich habe mehr als 4000 Bilder auf meinem Handy.“ Hunderte von Mini-Videos sind nicht inbegriffen. Jetzt will die Balverin sortieren. Aber wie? „Man lernt ja immer dazu“, sagt die Frau lachend, „das ist ja der Grund für diese Gruppe.“

QR-Code für die Corona-Impfung

Für Raimund Neuhaus von den Maltesern ist der Griff zu Laptop und Maus gängige Routine. Der Geschäftsführer kümmert sich um den Internetauftritt des Verbandes - und gibt sein Wissen gern weiter.
Für Raimund Neuhaus von den Maltesern ist der Griff zu Laptop und Maus gängige Routine. Der Geschäftsführer kümmert sich um den Internetauftritt des Verbandes - und gibt sein Wissen gern weiter. © WP | jürgen overkott

Peter Wolf hat dazu gelernt. Textnachrichten und Fotos an den Enkel in Bochum verschicken: Das ist für den rüstigen Ruheständler geübte Routine. Aber die Installation des QR-Codes seiner Corona-Impfung auf seinem Smartphone bereitet dem gebürtigen Dresdner, der augenzwinkernd hinzufügt, er lebe „erst seit 50 Jahren in Balve“, Sorge. Er will nämlich vorbereitet sein für den Tag, da er seine Dauerkarte für die Heimspiele von Borussia Dortmund wieder nutzen kann. „Im Augenblick dürfen ja nur maximal 67.000 Zuschauer ins Stadion, und da gilt meine Dauerkarte nicht“, erzählt er leicht enttäuscht. Doch Peter Wolf gibt seine schwarz-gelbe Hoffnung nicht auf: Irgendwann werde Corona vorbei sein, und der Bundesliga-Betrieb wie früher.

Livestream aus St. Blasius

Mechthild Ahrens interessiert sich indes für das kirchliche Leben im Katholischen Pastoralverbund Balve-Hönnetal. Sie macht bei dem Treffen eine verblüffende Erfahrung. Die Ehefrau von Grafik-Legende Werner Ahrens braucht nicht zwingend ihren eigenen Zugang ins Netz – sie kann sich mit ihrem iPad auch via Malteser-Wlan einwählen. Malteser-Geschäftsführer Raimund Neuhaus zeigt ihr, wie’s geht. Mechthild Ahrens interessiert sich für die zumeist sonntäglichen Livestreams aus der Pfarrkirche St. Blasius: „Es wäre auch schön, wenn es Videos davon gäbe, damit man die Gottesdienste auch später noch mal sehen kann.“

+++ SO HABEN BALVES MALTESER IHR 60-JÄHRIGES GEFEIERT +++

Viel sehen können: Das ist für Roswitha Müller wichtig. Von ihrer einigermaßen Smartphone-kundigen Nachbarin lässt sie sich über die wesentlichen Unterschiede zwischen dem eher kleinen Smartphone und dem deutlich größeren Tablet aufklären. Das Display müsse gut erkennbar sein, die Tastatur leicht bedienbar. „Die Hände“, sagt Roswitha Müller fast entschuldigend über ihren Wunsch nach großen Tasten, „ich muss mich demnächst operieren lassen.“ Wird schon wieder: Davon ist sie überzeugt. Daher weiß sie auch, was machen will, wenn ihr Weihnachtswunsch wahr wird. Roswitha Müller will im Netz Wissenswertes über Gärten finden – und über Kulturangebote in der Region. Die Datenautobahn hat viele Zufahrten.

+++ SO TRUG EHRENAMT BALVE DURCH DIE CORONA-KRISE +++

Die Malteser haben einen IT-Treff für Senioren im Campus eingerichtet. Malteser-Geschäftsführer Raimund Neuhaus und Ehrenamtlerin Martina Dransfeld aus Balve zeigen Ruheständlern, wie sie Smartphone und Tablet clever nutzen können.
Die Malteser haben einen IT-Treff für Senioren im Campus eingerichtet. Malteser-Geschäftsführer Raimund Neuhaus und Ehrenamtlerin Martina Dransfeld aus Balve zeigen Ruheständlern, wie sie Smartphone und Tablet clever nutzen können. © WP | jürgen overkott

Dass der Technik-Treff keineswegs eine blutarme Veranstaltung mit drögen Daten und dürren Dateien ist: Dafür sorgt die 1:1-Betreuung von Malteser-Geschäftsführer Neuhaus und der ehrenamtlichen Digital-Patin Martina Dransfeld. Sie wandern von Tisch zu Tisch. Muntere Gespräche entwickeln sich, die schnell ein Eigenleben entfalten: Gehirn-Jogging 2.0.

Martina Dransfeld schöpft aus einem reichen Schatz an Erfahrung. Bis vor kurzem hat sie bei einer Krankenkasse gearbeitet. Sie kennt die Digitalisierung ihres Berufsfeldes, intern wie extern. „Ich habe mit Leuten zu tun gehabt, die nicht einfach waren“, sagt sie, und ihrer Stimme klingt dabei immer noch genervt. Dagegen sind die Fragen der Runde das pure Vergnügen; Martina Dransfelds Spaß an der ehrenamtlichen Arbeit ist greifbar.

Darauf hatten die Balver Malteser beim Start des Angebotes vor den Sommerferien gehofft. Es gilt als beispielhaft. „Im Bistum gibt es nur zwei Angebote“, sagt Raimund Neuhaus, „eines davon ist in Balve.“ Bundesweit sind es gerade mal 25. Der Bundesverband der Malteser, beeindruckt, hat den Balvern vier Laptops geschenkt. Schnell hat sich herausgestellt, dass die milde Gabe gar nicht nötig ist. „Jeder“, weiß Neuhaus, „hat sein eigenes Gerät dabei.“

>>> Machen Siehier bei unserer Umfrage zum großen Wiedersehen mit. Auch interessant: So hat die Pandemie die Arbeit beim Stadtteiltreff Lendringsen verändert.

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