Balve. Kleiner Pieks, große Hoffnung: Der Balver Hausarzt Paul Stüeken hat den ersten Patienten mit Biontech verarztet. Wie war’s, Karl Heinz Stanka?

Ein kleiner Pieks für Allgemeinmediziner Paul Stüeken senior und eine große Erleichterung für Karl Heinz Stanka: Der 75 Jahre alte Risikopatient aus Balve ist am späten Mittwochvormittag der erste Corona-Impfling in der Gemeinschaftspraxis am Drostenplatz. Mit blitzenden blauen Augen kommt der ehemalige Fähnrich der Schützenbruderschaft St. Sebastian Balve ins Behandlungszimmer seines langjährigen Hausarztes. Die Nachricht, die ersehnte Spitze zu erhalten, hat Karl Heinz Stanka sichtbar Auftrieb gegeben, noch mehr die Nachricht, dass er in wenigen Sekunden das Vakzin von Biontech erhalten wird: „Das war super, als ich davon erfahren habe.“

Landarzt Paul Stüeken desinfiziert die Einstichstelle von Patient Karl Heinz Stanka mit reinem Alkohol.
Landarzt Paul Stüeken desinfiziert die Einstichstelle von Patient Karl Heinz Stanka mit reinem Alkohol. © WP | jürgen overkott

Hausärzte im Hönnetal fordern schon seit längerer Zeit, im Kampf gegen das Corona-Virus in eigenen Praxen Spritzen setzen zu dürfen. Bereits Anfang März sagt Dr. Paul Stüeken jr. im Gespräch mit der Westfalenpost deutlich: „Es ist so, dass wir schon lange darauf warten, dass wir impfen dürfen. Wir stehen in den Startlöchern und warten darauf, dass man uns Impfstoff gibt.“ Impfen gehöre zu den Kernkompetenzen einer Arztpraxis. „Es scheitert an keinem einzigen Hausarzt – scheitert an den rigiden Vorgaben, die in Deutschland herrschen, und an der, wie ich finde, sehr schleppenden Durchführung der Impfung.“ Es wäre gut gewesen, wenn die Impfung in Hausarztpraxen von Bund und Ländern schon vor längerer Zeit vorbereitet worden wäre – trotz der nach wie vor bestehenden Impfstoff-Knappheit.

Seit dem 1. April ist klar: Auch die Allgemeinmediziner vor Ort dürfen impfen. Der Start soll nach Ostern stattfinden: am Mittwoch, 7. April. Die Rechnung geht auf.

Bereits bevor der erste Patient zum Impfen am Drostenplatz erscheint, stellt Dr. Paul Stüeken jr. erfreut fest: „Die Lieferung hat wunderbar geklappt.“ Am Dienstag steht ein Lieferwagen des Pharma-Großhändlers Noweda vor der Tür des benachbarten Apothekers Christian Bathe. An Bord des Fahrzeug: Impfstoff von Biontech. „Um 16 Uhr hat uns Christian Bathe als unser Haus- und Hoflieferant den Impfstoff überbracht.“ Mindestens genauso wichtig wie Pünktlichkeit ist das Einhalten der Lieferzusage: „Wir haben die versprochene Menge erhalten: 30 Dosen.“

Vertrauen durch Routine der Profis

Sieben Spritzen mit Biontech-Impfstoff sind vorbereitet..
Sieben Spritzen mit Biontech-Impfstoff sind vorbereitet.. © WP | jürgen overkott

Das weitere Vorgehen ist medizinische Routine. „Wir haben den Stoff gleich im Kühlschrank gelagert, um die Kühlkette nicht zu unterbrechen“, erläutert Dr. Paul Stüeken jr. Bevor sein Vater und er Biontech impfen, haben sie den Stoff längst auf Spritzen gezogen. Dafür gibt es einen guten Grund:

„Das bedarf einfach ein bisschen Zeit“, weiß Dr. Paul Stüeken jr. Für jeden Termin setzen Vater und Sohn zehn Minuten an: Vorgespräch, Desinfektion der Einstichstelle, Impfung.

Die professionelle Routine der Praxis am Drostenplatz schafft Vertrauen. „Wir haben eine riesige Nachfrage nach Impfterminen“, stellt Dr. Paul Stüeken jr. fest. „Die Liste wird jeden Tag länger. Jeder Patient fragt aktuell nach der Impfung.“

Viele Ältere jenseits der 80 seien bereits im Impfzentrum Lüdenscheid, das vom Balver Hausarzt Dr. Gregor Schmitz geleitet wird, mit Vakzin versorgt worden. Dennoch sei der Bedarf von Patienten, sich zuverlässig vor einer Ansteckung mit Corona schützen zu lassen, enorm. „Jetzt ist es die Altersgruppe zwischen 70 und 80, die verstärkt eine Impfung nachfragt.“

Wie Karl Heinz Stanka. Natürlich betritt er das Behandlungszimmer mit Maske. Aber sofort macht er klar, dass er Mund-Nasen-Schutz nicht trägt, weil er muss, sondern weil er will. Er ist sich seiner gesundheitlichen Risiken schmerzlich bewusst. „Ich gehe zum Arzt, und ich gehe Einkaufen. Sonst verlass’ ich mein Haus nicht; ich gehe nur in den Garten. Ich gehe nirgendwo hin, nicht zu Freunden, nicht zu Nachbarn. Ich habe keinen Kontakt.“ Nach einer kleinen Pause setzt er hinzu: „Ich habe immer schon geguckt, wann die 75-Jährigen dran sind.“

Landarzt Paul Stüeken setzt die Spritze. Patient Karl Heinz Stanka merkt nichts davon.
Landarzt Paul Stüeken setzt die Spritze. Patient Karl Heinz Stanka merkt nichts davon. © WP | jürgen overkott

Mit gutem Grund: Karl Heinz Stanka hat seine Frau Anneliese vor nicht allzu langer Zeit verloren. Lange Jahre hat die verstorbene Friseurmeisterin Balves Köpfe in Form gebracht. Die Spritze beschert ihm nicht nur mehr Sicherheit, sondern – mittelfristig – auch mehr Bewegungsfreiheit.

Patient und Arzt sind ein eingespieltes Team. „Spritzen kann er“, lobt Ex-Sanitäter Karl Heinz Stanka seinen Hausarzt. „Da merke ich nichts.“ Paul Stüeken lächelt fein. Er hat jahrzehntelange Erfahrungen einerseits, und andererseits weiß er aus Einsätzen mit mobilen Impfeinheiten, wie vor mit Corona-Vakzinen umgehen muss.

Für Karl Heinz Stanka. ist der Arztbesuch schnell zu Ende. Für Vater und Sohn Stüeken indes fängt die Arbeit in der nächsten Zeit richtig an. Sieben Impfungen stehen am Mittwoch an, 21 am Donnerstag. „Jetzt brauchen wir nur noch mehr Impfstoff, damit das alles noch schneller vonstatten gehen kann.“