Balve. Wilhelm Rademacher stand fast fünf Jahrzehnte im Dienst der Energie-Branche. Jetzt beginnt für den 63-Jährigen ein neuer Abschnitt. Wie läuft’s?
Er strahlt übers ganze Gesicht. Seine Körpersprache steht für Gelassenheit, Zufriedenheit, ja Glück. Für Wilhelm Rademacher hat am 1. Januar ein neues Kapitel begonnen. Fast fünf Jahrzehnte lang war er für heimische Energieversorger als Experte für Strom und Gas unterwegs. Bereitschaftsdienste gehörten dazu. Der gebürtige Balver hat seinen Beruf gern gemacht. „Ich hatte tolle Kollegen“, sagt er, „ich treffe sie heute noch.“ Der Zusammenhalt ist geblieben. Doch der Stress ist weg. Mit 63 Jahren hat Wilhelm Rademacher ein neues Kapitel in der Geschichte seines Lebens aufgeschlagen. Das aktive Jahr der Altersteilzeit hat er hinter sich. Im Januar begann sein passives Jahr. Bis Dezember zahlt Innogy-Tochter Westnetz sein Gehalt. „Dann“, sagt Wilhelm Rademacher, „zahlt Vater Staat für mich.“
Er hat sich auf den Ruhestand vorbereitet, vor Jahren schon. Bereits vor fünf Jahren hat er sich als Oberst der Balver Schützen verabschiedet, nach 24 Jahren im Sattel. „Ich stehe jetzt in der zweiten Reihe“, stellt Wilhelm Rademacher ganz gelassen fest, „ich habe weniger Verantwortung. Ich gehöre zur Ehrenabteilung.“
Die Sozialprojekte seines Unternehmens betreut er, falls gewünscht, immer noch. Für ihn ist das Ehrensache.
Alles richtig gemacht
Er strahlt, schon wieder, er strahlt wie einer, der weiß, der alles richtig gemacht hat, einer, der genießt.
Mit dem Beginn seines neuen Lebens endete für Wilhelm Rademacher die Herrschaft seines Weckers. Früher stand er schon oft vor sechs auf den Beinen. „Jetzt schlafe ich bis halb acht, acht“, sagt der Altersteilzeiter entspannt. „Dann stehe ich auf, gehe zum Bäcker und hole zwei Brötchen.“
Dann hat er Zeit für die Online-Ausgabe der „Westfalenpost“, und er nimmt sie sich. „Manchmal gucke ich irgendwann auf die Uhr und sage mir: Oh, schon halb zehn.“
Wilhelm Rademachers Frau ist noch im Beruf. Er weiß die Zeit zu nutzen. Er hat sie clever aufgeteilt. Zunächst geht es um Nützliches. Im Haushalt legt Wilhelm Rademacher Hand an. Die Spülmaschine ruft, der Staubsauger. „Andere Dinge erledigt meine Frau“, erzählt der Wilhelm Rademacher.
Hobbys hat er auch, Hobbys für alle Jahreszeiten. Im Sommer ist er oft auf seinem Fahrrad zu sehen. Wilhelm Rademacher fährt E-Bike. Er liebt das Rad mit dem eingebauten Rückenwind. Mal geht’s nach Neuenrade („tolle Strecke“), mal zur Sorpe, und wenn Wilhelm Rademacher der Hafer sticht, packt er sein Zweirad ins Auto und düst für ein Ründchen zur Bigge. „30, 35 Kilometer“, sagt Wilhelm Rademacher, „Getränke dabei und ‘ne Knifte. Zwischendurch mache ich Pause auf einer Bank.“ Er hebt seinen Kopf und schließt kurz die Augen – ganz so, als genieße er gerade ein Sonnenbad.
Wilhelm Rademacher genießt den größten Luxus, der ohne Geld zu haben ist: Zeit. An anderen Tagen holt er seine schwere BMW aus dem Schuppen. Dann rollt er durchs Sauerland oder auch durchs Bergische. „Nur am Wochenende nicht“, sagt Wilhelm Rademacher im Brustton der Überzeugung, „da sind mir viele Raser auf der Straße, aus dem Ruhrgebiet oder aus Holland, die kommen, um hier, bei uns, ihre Maschinen mal richtig auszufahren.“
Sind die Straßen zu voll, bleibt dem 63-Jährigen immer noch der Garten. „Meine kleine Oase“, schwärmt er. Sein grünes Paradies ist außen nicht einsehbar – und damit windgeschützt. Rosen blühen, und Geranien. Sie haben Platz für eine dunkel gebeizte Holzhütte gelassen. Wilhelm Rademacher sieht sich um. Und da ist es wieder, dieses Strahlen. Ist er wunschlos glücklich? Die unausgesprochene Antwort lautet: fast. Wilhelm Rademacher wünscht sich mehr Radwege, gern durchs Hönnetal. Sonst hat er alles, was er braucht. „Ich lebe gerne hier“, sagt er. Und strahlt.