Balve/Kassel. Autorin Maria Knissel kehrt in Heimatstadt Balve zurück. Sie erinnert sich gern an ihre Schulzeit. Bahnfahrten nach Menden hatten auch Vorteile.

Seit 13 Jahren steht Maria Knissel in der ersten Reihe deutscher Autorinnen. Längst lebt die studierte Umwelt-Ingenieurin in Kassel. Ihre ersten Schreibversuche hat sie jedoch in ihrem Heimatdorf Langenholthausen unternommen.

Schularbeiten in der Hönnetalbahn
Schularbeiten in der Hönnetalbahn © wp | Jürgen Overkott

Wie fühlt es sich an, in größeren Abständen nach Balve zurückzukehren?

Maria Knissel Das fühlt sich gut an. Ich habe das im Zusammenhang mit Tod meines Vaters gespürt. Als ich in Langenholthausen war, kam ganz viel wieder hoch, wie es früher da war, wie es aussah. Ich sehe aber auch die Veränderungen, und die finde ich spannend und gut. Ich denke beispielsweise an die Sokola.de. Da bin ich früher zur Schule gegangen.

In der Sokola.de stehen noch einige der alten Schulbänke. Haben Sie die gedrückt?

Ja, aber nicht die zusammenhängenden. Wir hatten schon Stühle mit Tischen.

Bei frei stehenden Stühlen neigen Schüler zum Kippeln. Sind Sie auch dieser Versuchung erlegen?

Ich habe bestimmt viel gekippelt. Ich bin ein Typ dafür. Es kam natürlich darauf an, wer vorne stand. War das jemand, der das streng unterbunden hat, oder war das jemand wie mein Klassenlehrer Engelbert Falke, der das nicht so eng gesehen hat.

Er hat in der Grundschule sicher alle Fächer unterrichtet...

...außer Religion und Handarbeit.

(lacht) Handarbeit wundert mich nicht. Wer hat Religion unterrichtet?

Der Pastor.

Eine Fachkraft.

Genau. Das war Pastor Pelz, und Pastor Pelz war streng.

Waren die Lehrer insgesamt streng?

Viele. Ab der zweiten Klasse hatten wir Herrn Falke, und der hat ein großes Herz. Er hat viel mit Humor gemacht. Er liebt einfach die Kinder, und das war für mich eine Erlösung.

Sie kamen mit lockeren Lehrern besser zurecht.

Mich musste man nicht in Schach halten. Ich war nicht so renitent. Herr Falke hatte schon Autorität. Er konnte sich Respekt verschaffen. Er hat es nur auf eine weniger strenge Art gemacht.

Wie?

Er hat beispielsweise Strafarbeiten verteilt. Da standen an der Tafel Sätze wie „Ich soll nicht frech sein“. Und die sollten 100 Mal geschrieben werden. Aber am Ende der Stunde hat er sie alle weggewischt.

Bei einer Autorin wie Ihnen ahne ich: Ihr Lieblingsfach war Deutsch.

Klön- und Lesecafé im Kulturzentrum Sokola.de im Balver Ortsteil Langenholthausen renoviert: Ein paar alte Schulbänke blieben erhalten.
Klön- und Lesecafé im Kulturzentrum Sokola.de im Balver Ortsteil Langenholthausen renoviert: Ein paar alte Schulbänke blieben erhalten. © Elisabeth Latzer | Privat

Ja, das stimmt. Ich habe schon zu Schulzeiten Romane geschrieben, nicht vollendet, sie sind auch nie veröffentlicht worden. Ich habe mir immer schon Geschichten ausgedacht, und ich dachte damals, das machen alle. Ich habe immer schon parallel zu meiner realen Welt in einer Fantasiewelt gelebt.

Was hat sie dahin geführt?

Ich hatte als Kind viel Zeit und viel Langeweile. Wir waren viel draußen. Ich war das einzige Mädchen in unserer Umgebung, und da habe ich mir die tollsten Abenteuergeschichten ausgedacht. Meine Eltern haben sich amüsiert, weil ich viel taggeträumt habe. Ich hatte viele wilde Tiere um mich, die mir zur Seite standen. Ich hatte die Tiere übrigens vorher aus Not gerettet.

Nach der Grundschule gingen Sie aufs Gymnasium. Und in Balve bedeutet das: Fahren. Wo ging’s hin?

Nach Menden, zum Walburgisgymnasium, wie meine Mutter. Das war immer ein Ritt. Los ging’s mit dem Bus, und ich musste immer rennen, um ihn zu kriegen. In Balve sind wir in den Zug umgestiegen. Und in Menden mussten wir noch anderthalb Kilometer bis zur Schule laufen.

Eine Völkerwanderung. Sie haben vermutlich für einen Weg eine Stunde gebraucht.

Na ja, als Kind macht man das einfach. Wenn man Nachmittagsunterricht hatte, hing man in Menden herum. Es gab viele Leerzeiten. Im Zug war es unheimlich voll. Es gab einen Kampf um die Plätze. Aber: Wir haben auch echt zusammengehalten. Wir haben selten zuhause die Hausaufgaben gemacht. Das wurde immer im Zug erledigt. Wir haben da echt effektiv gearbeitet.