Balve/Märkischer Kreis. Das war knapp: Fast hätte das Ehepaar Betrügern eine sechsstellige Summe ausgehändigt. Die Polizei warnt vor dem neuen Anrufer-Trick.

Die Enkeltrick-Masche gibt es seit Jahren, die Falsche-Polizei-Masche ist in der jüngeren Vergangenheit dazugekommen. Jetzt rüsten die Kriminellen verbal auf und kombinieren die beiden Maschen. In dieser Woche gab es die ersten Anrufe im Märkischen Kreis.

Ein Senioren-Ehepaar aus Iserlohn – 84 und 79 Jahre alt – wäre fast drauf reingefallen, wie die Polizei berichtet. Die beiden waren bereits auf dem Weg zur Geldübergabe. Darüber hinaus erstatteten in den vergangenen Tagen sieben Mendener Anzeigen wegen Anrufen falscher Polizeibeamter. Es ist längst nicht mehr nur die simple „Wir-haben-Einbrecher-festgenommen“-Lügengeschichte, die Senioren aufgetischt wird, so die Polizei. „Die Betrüger am Telefon agieren immer geschickter und überzeugender.“ So überzeugend, dass selbst Menschen, die von der falschen Polizei gelesen haben, den Anrufern auf den Leim gehen. „Die Täter in ausländischen Callcentern bauen komplexe Lügengeschichten auf, treiben erheblichen Aufwand – und erbeuten damit binnen Wochen im ganzen Land Millionen“, so die Bilanz.

Polizeisprecher Marcel Dilling
Polizeisprecher Marcel Dilling © WP | Martina Dinslage

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen kenne diverse Varianten – auch der Lügengeschichte, auf die am Dienstag das Ehepaar aus dem Märkischen Kreis fast hereingefallen wäre. Viel fehlte nicht.

Stufe 1: Die falsche Enkelin

Die Geschichte beginnt am Morgen mit einem Telefonanruf. Die Polizei fasst zusammen, was am Dienstag passierte. Die falsche Enkelin – eine Frau mit vorgespielt heiserer Stimme – bittet um Hilfe. Der Enkeltrick nimmt seinen Lauf. Natürlich weiß der Senior im ersten Augenblick nicht, wer in der Leitung ist. Er nennt einen Namen und sofort schlüpft die Betrügerin in die Rolle der genannten Person. Der alte Herr bleibt skeptisch.

Stufe 2: Die falsche Polizei

Nach betrügerischem Anruf nicht zurückrufen

Die echte Polizei warnt eindringlich vor den immer findigeren Betrügern. Sie gibt folgende Tipps:

Die Polizei ruft NIE unter der 110 an und nimmt NIE Geld in Verwahrung! Die Polizei spannt KEINEN Bürger einfach so in Fahndungsmaßnahmen ein – und verlangt schon gar nicht den Einsatz privaten Vermögens!

KEINE Auskunft geben über vorhandenes Geld oder Vermögen!

Wenn ein Betrüger anruft, umgehend Anzeige erstatten bei der ECHTEN Polizei!

Eine ausführliche Legende mit vielen Gesprächspartnern bietet KEINERLEI Gewähr für eine wahre Geschichte.

Die Betrüger üben massiven psychischen Druck auf. Deshalb lautet der einfache Rat: Auflegen!

Nach einem betrügerischen Anruf KEINEN Rückruf auslösen. Stattdessen Hörer auflegen, Ruhe bewahren, bis 10 zählen und dann per Hand die 110 eingeben.

Um fiese Maschen und Tricks von Betrügern geht es am 5. und 12. Februar in der Altenaer Burg Holtzbrinck: Michael Hufnagel aus dem Kommissariat Kriminalprävention gibt ab 15 Uhr Verhaltenstipps für Seniorinnen und Senioren. Hufnagel wird bei diesem ersten Termin zahlreiche Tipps rund um die „Sicherheit an der Haustür“ geben, beim zweiten Termin steht die „Sicherheit am Telefon und im Internet“ im Fokus. Der Eintritt ist frei. Außerdem berät Michael Hufnagel in Hemer am 27. Februar (15 Uhr, Rathaus Seniorenbeirat) und in Iserlohn am 11. März (16.30 Uhr, Pfarrheim Sümmern).

Der Anruf ist kaum beendet, da klingelt das Telefon erneut. Diesmal meldet sich angeblich die Polizei Bochum. Der angebliche Polizeibeamte erzählt etwas von einer „Telefonüberwachung“. Um ganz sicher zu gehen, könne der Senior gerne zurückrufen unter der 110. Der falsche Beamte bringt den Senior dazu, vorher andere Tasten vorzuwählen. So merkt der Mann nicht, dass er überhaupt nicht bei der Leitstelle der Polizei in Iserlohn landet. Unbemerkt hält er stattdessen die Leitung des Betrüger-Anrufs offen. Am anderen Ende sitzen mehrere Täterinnen und Täter, die hin und her verbinden. Im Hintergrund spielen die Täter inzwischen gerne vermeintlichen Polizeifunk ein und Einsatzsignale losfahrender Streifenwagen.

Der Iserlohner Senior landet wieder bei seinem angeblichen Sachbearbeiter. „Sie müssen uns helfen!“, appelliert der Betrüger an die Verantwortung eines gebildeten Bürgers. Der falsche Kripo-Beamte kündigt ihm einen weiteren Anruf der falschen Enkelin an. Das passiert tatsächlich.

Stufe 3: Parallele Telefonate

Die völlige Verwirrung: Der Senior hat mehrere Telefone. Er telefoniert nun auf zwei Leitungen gleichzeitig mit den Betrügern: Auf der einen Leitung bettelt die falsche Enkelin um viel Geld. Die Forderungen steigen auf eine hohe fünfstellige Summe. Auf der anderen Leitung hört vermeintlich die Polizei mit – doch es ist tatsächlich der Betrüger, der den Senior anstachelt. Erneut: „Sie müssen uns helfen.“ Und zwar schnell. Es gehe um einen sechsstelligen Betrag.

Stufe 4: Auf dem Weg zur Bank

Der Senior und seine Frau machen sich auf den Weg nach Bochum. Sie sollen das Geld dort in der Sparkasse abheben. Unterwegs gibt der falsche Polizist ihnen Anweisungen, was sie den Bank-Mitarbeitern erzählen sollen, um jeden Verdacht im Keim zu ersticken.

Misstrauen

In diesem Moment erwacht bei den Opfern neues Misstrauen. Von unterwegs ruft die Frau „zur Sicherheit“ die 110 an. Sie landet in Bochum – diesmal bei der echten Polizei. Die rät dringend, sofort umzudrehen und in Iserlohn Anzeige zu erstatten.

Die echte Polizei

Aus Iserlohn nimmt ein echter Kripobeamter Kontakt auf zu dem Ehepaar, das auf der Rückfahrt von Bochum ist. Der echte Kripobeamte schickt einen Streifenwagen. Die Polizeibeamten untersuchen die Wohnung des Ehepaars, um sicherzustellen, dass keine Einbrecher die Abwesenheit nutzen. Dann fährt das Ehepaar zum Kriminal-Kommissariat im Kreishaus, um seine Geschichte zu Protokoll zu geben.

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Die Rhetorik der Kriminellen

Seit Jahren wird immer wieder über Trick-Anrufe berichtet, wie kann es sein, dass dennoch immer wieder Menschen darauf reinfallen? „Wenn man sich das Gespräch nachher in Ruhe anhören würde, kann man sich das durchaus fragen. Aber im Gespräch gehen die Betrüger psychologisch so clever vor, dass sie die Angerufenen um den Finger wickeln“, weiß Polizeisprecher Marcel Dilling. Die Kriminellen seien rhetorisch exzellent geschult.

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Das rhetorische Geschick sei oft so gut, dass auch eine gewisse Unlogik im Gespräch vom Senior nicht hinterfragt wird. Denn warum sollte – im Iserlohner Fall – das Ehepaar tatsächlich Geld von der Bank abholen, um der falschen Polizei beim Aufspüren der falschen Enkelin zu helfen? „Klar ist das nicht plausibel“, sagt Marcel Dilling. „Aber so was fällt im Gespräch meist zunächst nicht auf.“ Hinzu komme, dass die kriminellen Anrufer „einen enormen Druck aufbauen“.

Die Vorbeugung

Die Telefon-Betrügereien seien „ein absolutes Massendelikt“, sagt Marcel Dilling, bei dem von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen sei. Denn wenn jemand erst mal auf einen der Telefon-Tricks reingefallen ist, sei die Scham oft hoch.

Die Polizei setze mittlerweile auch darauf, nicht nur Senioren als potenzielle Opfer zu warnen, sondern auch auf Nachbarn und Angehörige, die mit den Senioren über das Thema sprechen, damit diese im Ernstfall besser gewappnet sind.