Balve. Balves SPD-Ratsfrau Sigrid Schmidt ist allein unter Männern. Wie fühlt sich die Arbeit im Rat an? Warum sind so wenige Frauen dabei?
Ein Bild sagt oft mehr als 1000 Worte. Entstanden ist es am 17. November vorigen Jahres. Der Landratskandidat der Sozialdemokraten stellt sich Balver Genossen vor. Dafür ist Kreis-Sozialdezernent Volker Schmidt ins Haus Padberg gekommen. Es ist ein Sonntagvormittag. Kaffee gibt’s, und ernste Gesichter. Am Tisch sitzt eine Männerrunde. Die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Sigrid Schmidt ist die einzige Frau. Ähnliche Szenen sind im Balver Stadtrat Standard. Die hauptberufliche Sozialarbeiterin ist allein unter Männern. Wird sich das bei der Kommunalwahl im September ändern?
Wir erreichen Sigrid Schmidt nach der Arbeit. Ihre Stimme ist heiser. Sie leidet an einer Erkältung. Zeit nimmt sie sich dennoch.
Andere Erfahrungen, andere Sichtweise
Sigrid Schmidt bedauert, dass sie ein ungewolltes Alleinstellungsmerkmal in der Kommunalpolitik hat. Die Ratsfrau und stellvertretende Bürgermeisterin könnte in den Wahlkampfmodus wechseln – sie tut es nicht. Sie bleibt bei sich und ihrer Partei. „Im vorigen Rat“, sagt Sigrid Schmidt, „waren wir deutlich mehr Frauen.“ Damit sei auch eine ganz andere Arbeitsatmosphäre verbunden – den Stimmungswechsel in Rat und Ausschüssen mag die Kommunalpolitikerin nicht bewerten; sie stellt nur fest.
„Ich finde es schade, dass so wenige Frauen im Rat sind. Dabei gibt es eine Menge Frauen, die das könnten. Ich kann nicht sagen, warum die anderen Parteien so wenige Frauen aufstellen“, erklärt Sigrid Schmidt. Wenn andere Parteien Kandidatinnen aufstellen, haben sie – so sieht es die Genossin – kaum Chancen, in den Rat einzuziehen.
Der Frauenanteil in der Kommunalpolitik stehe in keinem Verhältnis zum Frauenanteil in der Gesellschaft. Frauen stellen die Hälfte der Stadtbevölkerung. Bei den älteren Jahrgängen stellen sie sogar die Mehrheit. Das geht aus dem Demografiebericht für Balve aus dem Jahr 2017 hervor. „Frauen gehen anders an Themen heran“, meint Sigrid Schmidt. „Das hat gar nichts mit politischen Dogmen zu tun. Das hat etwas mit Sichtweisen zu tun. Frauen machen andere Lebenserfahrungen als Männer. Sie haben auch andere Lebensentwürfe.“
Welche Ursachen sieht Sigrid Schmidt für den auffällig niedrigen Anteil von Kommunalpolitikerinnen? „Politik ist extrem zeitaufwendig“, weiß sie, „man muss viel tun, allein den Haushalt zu lesen, ist viel Arbeit, und alle, die im Rat sitzen, machen das ehrenamtlich.“ Frauen haben nach Sigrid Schmidts Einschätzung meist eine Doppelbelastung: Familie und Beruf. Da bleibe für Kommunalpolitik wenig Zeit.
Wie können Frauen ermutigt werden, Politik zu machen? „Die Parteien müssen Frauen mehr Möglichkeiten geben“, fordert Sigrid Schmidt. „Sie müssen interessierte Frauen auf die Aufgaben vorbereiten. Man kann sie auch aufbauen, indem man sie erst mal als Sachkundige Bürgerinnen einsetzt. So erhält man schon mal Einblick in Themen, Einblick in einzelne Bereiche.“
Sigrid Schmidt sieht bei Frauen durchaus Bereitschaft, Verantwortung für ihre Stadt zu übernehmen: „Aber Frauen sind es gewohnt, eher im Hintergrund zu arbeiten.“
Die SPD wolle Frauen fördern. Die Partei habe das „relativ klar gemacht“. Es gelte bei der Besetzung von Posten und Kandidatenlisten das Prinzip: Mann-Frau-Mann-Frau.
Die örtliche SPD versucht die Vorgabe umzusetzen. Das hat auch eine Zeit lang leidlich funktioniert: fünf Ratsmandate, zwei Frauen. Neben Sigrid Schmidt hat Dr. Naciye Geyhan im Rat gesessen. Im Ortsverein hat sich das gespiegelt. Doch dann ist sie umgezogen. Seither ist Sigrid Schmidt auch in ihrem Parteivorstand allein unter Männern.