Balve. Bundesfinanzminister Scholz hält Schützenbruderschaften und Männerchöre für nicht mehr gemeinnützig. Wie ist das Echo in Balve?
Der Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, reinen Männer- und Frauenvereinen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, sorgt in Balve für Unmut.
Jochen Voigt, Kassierer der Garbecker Schützenbruderschaft Heilige Drei Könige, erklärte auf Anfrage der WESTFALENPOST: „Der Bundesfinanzminister versucht sich mit falschen Mitteln in Position für die Spitze seiner Partei zu bringen.“ Es sei ein Unterschied, ob sich ein Traditionsverein wie eine Schützenbruderschaft für die Allgemeinheit engagiere oder ob es sich um Gemeinschaften wie Freimaurerlogen handele, bei denen im Einzelfall entschieden werde. Wenn sich ein Verein für die Allgemeinheit engagiere, sei Frauen und Mädchen inbegriffen.
Respekt vor Frauen
„Bei unserer Schützenbruderschaft sind wir froh, unsere Frauen im Rücken zu haben und feiern unsere Königinnen an der Seite des Schützenkönigs mitgebührendem Respekt“, sagte Voigt. „Nach meinen Erfahrungen sind unsere Mädchen und Frauen auch mit dieser Rolle durchaus zufrieden und einverstanden.“
Voigt befürchtet: „Sollte sich Herr Scholz mit seiner Meinung durchsetzen, wird es bald keine Männer- oder Frauenchöre, keine Knaben- oder Mädchenchöre, keine Frauengemeinschaften et cetera mehr geben. Die Arbeit vieler Ehrenamtler, die in diesen Gemeinschaften für die Allgemeinheit geleistet und von der Politik immer wieder gelobt und ja angeblich gefördert werden (obwohl über immer neue strengere Gesetze und Vorschriften genau das Gegenteil erfolgt), wird damit konterkariert. Als nächster Schritt wäre dann zu prüfen, ob man als Rentner nicht in einem Kinderchor aufgenommen werden muss, da man ansonsten ja altersdiskriminiert wird.“
Am Rande des St. Martinszuges zeigte der Vorsitzende der Balver Schützenbruderschaft St. Sebastian, Christoph Rapp, „absolutes Unverständnis“ für die Idee des Finanzministers. Ohne das ehrenamtliche Engagement der Schützen sei das Leben in einer kleinen Stadt wie Balve gar nicht zu denken: „Und es ist jetzt schon schwer, Leute für diese Aufgabe zu gewinnen.“
Finanzielle Schwierigkeiten drohen
Kritik kam auch vom Vorsitzenden des Männerchors 1874, Bernhard Krüdewagen. Auf Anfrage der WESTFALENPOST sagte er, er fände es „unsäglich schade“, wenn aus Scholz’ Plan letztlich ein Gesetz würde. Er befürchtete, dass das Ehrenamt durch eine derartige Regelung Schaden nehmen könnte.
Ein Verein wie der Männerchor sei nach rund zwei Jahren zahlungsunfähig, wenn er keine beim Finanzamt absetzbaren Spenden mehr erhalte, fügte Krüdewagen hinzu. Aktuell wird der Chor jährlich mit bis zu 8000 Euro Spendengeld unterstützt. „Selbst wenn wir die Beiträge der Mitglieder massiv erhöhten, könnten wir die Deckungslücke nicht schließen.“ Dasselbe gälte für vermehrtes Sammeln von Altpapier.
Krüdewagen wies darauf hin, dass der Männerchor nicht nur Konzerte gebe. Er setze sich darüber hinaus vielfach fürs Stadtleben sowie für wohltätige Zwecke ein. Zudem sei Jugendarbeit eine wichtige Aufgabe für die Sängerschar.
Den Männerchor dürfte eine Neuregelung der Gemeinnützigkeit vermutlich nicht treffen. Zwar besteht der Chor - dem Vereinsnamen entsprechend - nur aus Männern. Aber die Satzung erlaubt auch Frauen bei den Beitritt - etwa als Fördermitglied.
Krüdewagen betonte, der Verein beziehe Partnerinnen oder Witwen von Sängern ins Programm ein - nicht nur bei der Jahresfahrt.
Engagement für Dorf und Gesellschaft
Der heimische Landtagsabgeordnete Marco Voge (CDU) sekundierte Schützen und Sängern. Am Montagabend sagte er der WESTFALENPOST auf Anfrage, er finde die Initiative von Finanzminister Scholz „nicht nachvollziehbar“. Die Verknüpfung von Geschlecht und Gemeinnützigkeit verurteile er „aufs Schärfste“, erklärte Voge. Scholz’ Plan nannte er „zutiefst verletzend“.
Der Politiker betonte das gesellschaftliche Engagement der Vereine, vor allem aber der Schützenbruderschaften: „Sie arbeiten karitativ, sie arbeiten für ihre Dörfer, sie betreiben die Schützenhallen, und hier, in Balve, betreiben sie auch die Höhle.“
Dagmar Freitag ist bereits Mitglied in einer Schützenbruderschaft
Die heimische Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag (SPD) teilte der WESTFALENPOST auf Anfrage mit, sie kenne noch keine Details der eventuell geplanten Änderungen. Zugleich versicherte sie, die SPD-Bundestagsfraktion schaue den Gesetzentwurf „genauestens“ an. „Historisch gewachsene Traditionen spielen nach wie vor in unserer Gesellschaft eine bedeutenden Rolle, sind aber bereits jetzt erkennbaren Veränderungen ausgesetzt. Manchmal ist die gesellschaftliche Entwicklung ohnehin schneller als der Gesetzgeber.“
Die Abgeordnete argumentierte mit dem eigenen Beispiel: „Ich bin seit Jahren zahlendes Mitglied in der Schützenbruderschaft St. Sebastian Sümmern!“ Und auch für den Gesetzentwurf zum Gemeinnützigkeitsrecht gelte das sogenannte Strucksche Gesetz: „Das besagt, dass kein Gesetzentwurf genau so aus den parlamentarischen Beratungen herauskommt, wie er eingebracht worden ist!“