Grübeck. Die Geschichte eines Hofes kann mustergültig stehen für das Schicksal eines ganzen Tales. Dr. Rudolf Tillmann erforschte die Historie der Grübeck.
Dass jemand seinem Heimathof ein Buch gönnt, kommt vor. Dass aber einen zweiten Band nachlegt, fällt auf. Regionalhistoriker Dr. Rudolf Tillmann hat es getan. Was trieb ihn an, ein zweites Buch über den Hof Mittelste Grübeck, heute Hof Tillmann, zu verfassen?
Vor 15 Jahren erschien der erste Band. In der Zwischenzeit aber tauchten weitere spannende Dokumente auf. „Die Geschichte ist nie abgeschlossen“, sagt Dr. Rudolf Tillmann augenzwinkernd: eine allgemeingültige Aussage. Jetzt mit dem zweiten Band, der die Geschichte dieses Hofes aufarbeitet, ist dieses Thema erschöpfend behandelt, berichtet der Historiker weiter.
Der erste Band behandelte 600 Jahre – von der ersten urkundlichen Erwähnung 1403 des Hofes Mittelste Grübeck bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Gibt es einen oberen und einen niederen Hof in der Grübeck? Der ersten Band aus 2004 „Ein Hof im Sauerland wird 600 Jahre“ beantwortet die Frage mit Ja. Er ging auch auf die Geschichte des Hönnetals und der Grübeck ein.
Familien-Saga aus dem Hönnetal
Nach der Veröffentlichung widmete sich Dr. Rudolf Tillmann erstmal anderen Projekten. Ein weiteres Buch veröffentliche er etwa über den Hof Niedernhöfen bei Neuenrade-Blintrop, von dem sein Vater stammt, der später auf den Hof in der Grübeck einheiratete. Ebenso gibt es von Tillmann auch Veröffentlichungen über den Hof Schulte-Horst oder eine Chronik von Eisborn und Asbeck.
Dann aber fand er auf Hof Tillmann, auf dem Dachboden, weitere Dokumente. Ein ungefähr 300 Jahre altes Hausbuch zum Beispiel, das die wichtigsten Ereignisse der Familie von der Taufe über Hochzeiten bis zu Beerdigungen festhält. Die meisten jüngeren Menschen können die altertümliche Schrift gar nicht mehr lesen. Dr. Rudolf Tillmann kann es.
Irgendwann wurde dem heute 78-Jährigen klar, dass die Geschichte über seinen heimatlichen Hof noch nicht zu Ende erzählt ist. Vor zwei bis drei Jahren war ihm dann auch klar, dass noch ein weiterer Band entstehen wird. Die Arbeit begann. Ein großes Augenmerk dieses zweiten Werkes liegt auf der dunklen Zeit der Hexenverfolgung. In Balve und Umgebung trieb man sie besonders erbittert voran. „Ich finde es erstaunlich, dass man hier in der Region doch so massiv davon betroffen war“, sagt Dr. Rudolf Tillmann. Auch Hofbesitzer und Hofpächter blieben nicht verschont, ebenso wenig weltliche und geistige Würdenträger. Auch Bürger von den Grübecker Höfen wurden denunziert. Es kam zu berüchtigten Prozessen.
Allerdings gab es auch Widerstand in Balve. Und zwar nur in Balve, wie Rudolf Tillmann ausführt. Den sogenannten Hexenkommissaren, die bei Prozessen entscheidend waren, wurde nur in der Hönnestadt Widerstand geleistet. Ein Attentat auf Hexenkommissar Kaspar Reinhard indes scheiterte.
Bezogen auf die Attentäter sieht Düsseldorfs ehemaliger IHK-Chef eine gesellschaftliche Verantwortung bis in die heutige Zeit: „Diese Personen sollten in der Öffentlichkeit viel mehr gewürdigt werden.“ Rehabilitiert seien sie bis heute nicht. Diesen Vorgängen widmet sich das neue Buch ausführlich.
Ein Verwandter namens Heinrich Lübke
Es geht aber auch um die kleinen Episoden des Hoflebens. Manchmal auch tragisch über einen heute nicht mehr aufzuklärenden Tod einer Magd auf dem Hof.
Die Recherche hat Tillmann viele neue Erkenntnisse gebracht. So forschte er zu einem Bruder seines Großvaters. Heinrich Lübke heißt er, mit dem ehemaligen Bundespräsidenten ist er nicht verwandt. Heinrich Lübke aus Tillmanns Familie, der sich nach dem zweiten Weltkrieg einige Jahre um den Hof mit kümmerte, hatte wiederum einen Verwandten, der vom englischen König zum Ritter geschlagen wurde. „Aber über all das hat er nie gesprochen. Und wir wissen nicht, warum.“
Den Grund kann man in den traumatischen Erlebnissen des Weltkrieges nur vermuten, sagt Tillmann, der ja auch so viele andere Menschen sprachlos zurückgelassen hat.
Die Schilderungen des passionierten Geschichtsforschers reichen bis in die Gegenwart, verzeichnen etwa die Eisborner Schützenkönige, die aus der Grübeck kamen. Für den heutigen Hausherrn Michael Tillmann sind die Veröffentlichungen seines Onkels äußerst spannend. „Man sollte die Geschichte nicht vergessen. Wir finden hier immer wieder Relikte von früher, einen alten Brunnen, eine alte Wasserleitung draußen im Wald. Man kennt die Geschichten ja nur aus den Erzählungen von Eltern und Großeltern. Manchmal kann man aber auch keinen mehr fragen.“