Balve. . Seit 16 Jahren “jagt“ der LWL Fossilien in einem Balver Steinbruch. Ein Ende ist nicht in Sicht. Dafür gibt es einen besonderen Grund.

Seit 16 Jahren buddeln Forscher des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in einem Balver Steinbruch. Ein Ende ist nicht absehbar. Gerade hat die diesjährige Grabungssaison begonnen. Nächstes Jahr gehen die Grabungen weiter. Das steht bereits fest. Was, bitte, macht den Fundort am Nordrand des Sauerlandes so besonders? Die WP fragte nach – vor Ort.

Dr. Achim Schwermann untersucht Dino-Fossilien im Kleinformat.
Dr. Achim Schwermann untersucht Dino-Fossilien im Kleinformat. © Jürgen Overkott

Dieser Tage, es ist später Vormittag. Die Sonne am blauen Himmel steht schon hoch. Grabungsleiter Dr. Achim Schwermann muss selbst im Halbschatten blinzeln. Die Kalkfelsen spiegeln das grelle Licht.

Der Urzeitforscher liebt das trockene Sommerwetter – nicht nur, weil es ihm erlaubt, im T-Shirt zu arbeiten. Die Dürre, die mancher Landwirt beklagt, hilft ihm und seinem vierköpfigen Team bei der Arbeit. In trockener Tonerde lässt sich deutlich besser graben. Denn der Ton bindet Wasser. Feuchtigkeit macht ihn zäh und fest.

Jetzt aber haben die jungen Leute – teils Studenten, teils LWL-Nachwuchs – leichtes Spiel in schwerer Erde. Vor Sonne und Regen schützen weiße Gartenpavillons. Forschung kann schweißtreibend sein. Mit Blumenkellen und Tonschlingen lockert Schwermanns Team den Boden. Fündig werden die Forscher immer. Im Ton finden sich Knochenreste von Dinos und Frühsäugern in rauen Mengen.

Ton schützt Knochenreste

Ton , Steine, Scherben
Ton , Steine, Scherben © Jürgen Overkott

Ton und Kalk – wie geht das zusammen? Vor 130 Millionen Jahren, im Erdmittelalter, lag das heutige Balve an der südlichen Nordsee. Das Klima war subtropisch. Warme unterirdische Quellen höhlten den heimischen Massenkalk aus. Die Löcher füllten sich durch Ablagerungen toter Tiere und letztlich auch durch Ton. Der wasserspeichernde Boden umschloss die Reste der Urzeit-Viecher luftdicht. Deshalb blieben sie erhalten. Zugleich zerdrückte die Masse von oben die Knochen. Am Ende blieben selbst von vorgeschichtlichen Monstern nur noch Krümel, Zähne, Knorpel, Hautpanzerplatten.

Das Team
Das Team © Jürgen Overkott

Schwermanns Mannschaft arbeitet systematisch. Mit bloßem Auge erkennbare Fossilien werden direkt geborgen. „Sie werden eingemessen in der Fläche“, erläutert der Grabungsleiter, „damit man nachher den Fund-Zustand wieder rekonstruieren kann.“ Die Erdbrocken enthalten aber weit mehr Versteinerungen tierischer Überreste. „Deshalb heben wir alles an Sediment auf und packen es auf Planen. Sie sind aufgeteilt nach verschiedenen Proben, damit man sagen kann, das ist eine Probe aus der Ecke und aus jener Tiefe. Da steckt auch viel Information drin, aus welcher Tiefe die Fundstücke kommen.“

Die Planen liegen in der Sonne, die trockene Wärme lässt die Tone aufplatzen. Nach dem Trocknen – das in der Paläontologie vergleichsweise neu – werden die Reststücke mit Wasser behandelt. Schlämmen nennt sich das Verfahren. Student Konrad siebt und siebt und siebt. Forscher und Goldsucher unterscheiden sich kaum. Fossilien sind Urzeit-Nuggets. Später, im Büro, werden die Fundstücke durchgesehen, mit Mikroskop und Binokular.

Funde, gut eingetütet
Funde, gut eingetütet © Jürgen Overkott

Die Funde in Balve überraschen die Forscher ein ums andere Mal. „Die Knochen, die wir hier gefunden haben, sind leicht. Sie sind kaum mineralisiert“, weiß Schwermann. „Da ist von außen kaum etwas eingedrungen.“

Die Forscher indes dringen immer mehr in die Geheimnisse der Frühzeit ein. „Es sind hauptsächlich terrestrische Tiere, die also auf dem Festland gelebt haben“, stellt Schwermann fest, „sie lebten aber auch im Süßwasser. Das fängt an bei Resten von Knochenfischen. Dann haben wir verschiedene Hai-Arten gefunden, Schildkröten, Krokodile. Dann gibt es natürlich die Dinosaurier. Von denen findet man Zähne oder Wirbel. Welche Arten sind dabei? Vor allem Iguanodon und Iguanodon-Arten.“

Iguanodons gefunden

Das Iguanodon im Balver Museum bekommt eine Stimme.
Das Iguanodon im Balver Museum bekommt eine Stimme. © Marcus Bottin

Diese Dinos sind genau das, was sich die meisten Menschen unter Urviechern vorstellen: Erwachsene Tiere waren bis zu zehn Metern lang. Das Lebendgewicht betrug locker 5000 Kilo. Kein Wunder, dass Bestseller-Autor Michael Crichton seinen „Jurassic Park“ mit diesen Tieren bevölkerte.

Die Iguanodons sind keineswegs die einzigen Dinos, die durch Balve taperten. Auch Fleischfresser und Flugsaurier wurden im Steinbruch nachgewiesen.

Die eigentliche Sensation

Aber die eigentliche Sensation verrät Schwermann so beiläufig, als erzähle er von seinem jüngsten Urlaub: „In Balve haben wir auch Säugetiere, und das ist ganz selten.“

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Ganz selten, weil Säuger den Riesen folgten? „Nein“, widerspricht Schwermann, „zur Zeit der Dinos gab es auch schon Säugetiere. Aber sie haben damals eher ein Schattendasein geführt.“ Die Säuger des Erdmittelalters waren eher klein. Großformen erreichten gerade mal Fuchs-Ausmaße.

Das Besondere an der Fundstelle Balve: Im Steinbruch werden Dinos und zugleich Säuger gefunden. Und noch etwas kommt dazu: ein andernorts in Mitteleuropa unerreichter Artenreichtum.