Arnsberg. Pflegekräfte dringend gesucht: Lokale Dienstleister gehen neue Wege in der Rekrutierung und Ausbildung zur Krisenbewältigung.

Der Pflegenotstand ist kein neues Thema, trotzdem immer noch brandaktuell. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes fehlen bis zum Jahr 2049 bis zu 690.000 Pflegekräfte. Bis 2055 soll die Zahl der Pflegebedürftigen durch die zunehmende Alterung um 37 Prozent steigen. Dann wären mehr als 6,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Derzeit sind es rund fünf Millionen.

„Bereits jetzt haben wir in Deutschland einen eklatanten Mangel an Pflegefachkräften und an ärztlichem Personal. Verschärft wird diese Entwicklung durch unterschiedliche Lebenskonzepte: So wird das familiäre Betreuungspotenzial deutlich abnehmen, weil es zunehmend mehr Single-Haushalte gibt. Die Implikationen für die Gesellschaft sind gravierend“, meint Prof. Dr. Horst Christian Vollmar von der medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (Quelle Science Media Center).

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„Und auch die Situation vor Ort spitzt sich zu“, erklärt Dr. Ahmet Özkapi, Geschäftsführer des heimischen Pflegedienstes Mobi-Doc. „Zeitweise können wir gar keine Patienten mehr aufnehmen.“ Die Gründe dabei sind vielfältig. Allen voran der höhere Bedarf an Personal, bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Auch an geeignetem und vor allem motiviertem Nachwuchs fehle es. „Vor drei Jahren haben wir daher neue Wege beschritten“, so Özkapi. Er und sein Team versuchen, das Image des Pflegeberufes zu stärken und attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wir bieten unseren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten an, damit besonders Mütter keinen Spagat zwischen Familie und Beruf ausüben müssen.
Ahmet Özkapi, Geschäftsführer des Pflegedienstes Mobi-Doc

„Beispielsweise bieten wir unseren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten an, damit besonders Mütter keinen Spagat zwischen Familie und Beruf ausüben müssen.“ Die 38-Stunden-Woche, in der Früh- oder Spätschicht, können die Mitarbeitenden individuell verplanen. „Bei Bedarf kann erst das Kind zur Schule oder zum Kindergarten gebracht werden und dann geht es weiter zum Patienten.“ Auch mit 36 Urlaubstagen im Jahr sei der Pflegeberuf deutlich attraktiver geworden. Teambuilding, Gruppencoaching und auch Weihnachtsfeiern und Sommerfeste fördern das soziale Miteinander am Arbeitsplatz.

KI kann Dienstpläne erstellen

Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, Homeoffice-Tage in den Alltag einzubauen - für die Dokumentation der Patientenbesuche, der Organisation und der Pflegebedarfsplanung vom Schreibtisch aus. „Auch künstliche Intelligenz (KI) und moderne Technologie kommt bei uns zum Einsatz“, so der Mobi-Doc-Chef. Dabei gehe es zum Beispiel darum, den Verwaltungsaufwand so weit wie möglich zu minimieren. KI kann mittlerweile Dienstpläne erstellen, die alle Wünsche der Pflegekräfte und der Pflegebedürftigen berücksichtigen.

Ähnlich modern und flexibel geht es im Arnsberger Pflegeverbund zu. „Der Zusammenschluss zum größten Anbieter von Pflegeleistungen der Region ermöglicht uns ein vielfältiges Angebot“, erklärt Geschäftsführer Thorsten Vlatten. Mit 120 Fahrzeugen und noch mehr Mitarbeitenden versorgt der Dienstleister rund 1800 Klienten und Pflegeheim-Bewohner. Jobs werden auf der Homepage übrigens ständig angeboten: Von der Pflegekraft bis hin zum Ergotherapeuten können Bewerber und Bewerberinnen unter zahlreichen Berufsbildern auswählen. „Zurzeit bilden wir 30 Pflegefachkräfte aus und konnten noch acht junge Leute für die einjährige Weiterbildungsmaßnahme begeistern.“

Mehr Hochbetagte

Der Geschäftsführer weiß, dass Nachwuchs auch in Zukunft gefragt sein wird. „Daher laufen bei uns zahlreiche Kampagnen und Projekte“, verrät er, zum Beispiel an den Pflegeakademien in Dortmund und in Lippstadt. Auch die Rekrutierung medizinischer Fachkräfte aus dem Ausland werde immer wichtiger, so Vlatten.

„Die Anzahl an Hochbetagten, 85 Jahre und älter, die gelegentlich oder dauerhaft auf Hilfe angewiesen sind, wird dramatisch ansteigen“, warnt Prof. Vollmar. Das ist auch den Pflegediensten in Arnsberg und Sundern bewusst. Sie versuchen auf unterschiedlichen Pfaden, dem Fachkräftemangel in ihrer Branche entgegenzuwirken. „Aber auch der Gesetzgeber könnte mehr leisten, zum Beispiel die Beitragssätze über Steuern finanzieren oder bundesweite Kampagnen starten, um dem Pflegeberuf mehr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen“, meint Özkapi.