Neheim. Heidi und Helmut Tillmann haben ihre Kultgaststätte in Neheim geschlossen. Doch die Räume bleiben erhalten. Ab April zu mieten.

Jetzt geht alles noch schneller als erwartet: Bereits am 7. März schließen Heidi und Helmut Tillmann ihre Kult-Kneipe „Tillmann‘s Bauer“ in Neheim. Aus gesundheitlichen Gründen wird das Aus noch einmal um einige Wochen vorgezogen. „Es geht nicht mehr“, sagt Helmut Tillmann, „meine Frau darf nicht mehr in der Küche arbeiten. Der Arzt hat es ihr strikt verboten“. Das lädierte Knie halte das nicht durch, die Schmerzen werden zu groß“.

An dem runden Tisch in der Ecke ihres Lokals ist Geschichte spürbar. Die Innenausstattung von „Tillmann‘s Bauer“ hat im wesentlichen bereits so an seine 60 Jahre auf dem Buckel. Helmut Tillmann ist hier groß geworden. Mit seiner Frau Heidi stieg er gemeinsam vor 43 Jahren in vierter Generation in den Familienbetrieb ein. Jetzt aber wird der Zapfhahn für immer zugedreht - eine Entscheidung, die das Gastronomen-Ehepaar nach all den Jahren emotional nicht kalt lässt.

Auch interessant

Schon in den vergangenen Jahren haben beide die Öffnungszeiten reduziert. „In der Coronazeit haben wir erstmalig gemerkt, dass es auch ein Privatleben gibt“, erzählt Helmut Tillmann. Die Inhaber, der bei Stammtischen beliebten Kneipe, traten ab da schon etwas kürzer. Seit Sommer 2023 ist nur noch donnerstags und freitags geöffnet. Immer zählen konnten sie dabei auf ihre Mitarbeiterinnen Sonja Schulze (Service) und Silvia Dülberg (Küche). „Die beiden haben immer alles gegeben“, so Helmut Tillmann.

Nein, die Lust an Gästen und die Arbeit haben beide nicht verloren, doch spielt die Gesundheit nicht mit. Heidi, die als Köchin und Neheimer „Schnitzelgöttin“ maßgeblich hinter dem Erfolgsgeheimnis von „Tillmann‘s Bauer“ steht, hat seit längerer Zeit starke Kniebeschwerden. „Eigentlich dürfte ich gar nicht mehr so lange in der Küche stehen“, erzählt die 64-Jährige.

Auf Schnitzel waren wir spezialisiert. Das war unsere Marke.
Heidi Tillmann - Köchin bei „Tillmanns Bauer“

Das aber machte sie immer mit Bravour. „Für Heidis Schnitzel kommen die Gäste von weit her“, schwärmt ihr Mann Helmut. Und seine Frau ergänzt: „Auf Schnitzel waren wir immer spezialisiert. Das ist unsere Marke.“ Die Kunst, einer immer gleichbleibenden Qualität, überzeugte über Jahrzehnte hinweg die Gäste.

Tillmann‘s Bauer: Helmut und Heidi Tillmann drehen den Zapfhahn bald zu.
Tillmann‘s Bauer: Helmut und Heidi Tillmann drehen den Zapfhahn bald zu. © WP | Martin Haselhorst

Dabei kam Heidi Tillmann an den Kochlöffel wie die Jungfrau zum Kinde. Als 14-Jährige lief ihr der drei Jahre ältere Helmut über den Weg - und es hat gefunkt. Die Beziehung veränderte den Lebensweg von beiden. Heidi war eigentlich auf dem Weg zum Abitur, begann dann aber 1978 eine Ausbildung zur Köchin im Rodelhaus. Und Helmut, der eigentlich Einzelhandelskaufmann gelernt hatte, landete dann doch da, wo Ur-Opa Wilhelm, Großvater Wilhelm und auch Papa Alfons mit seiner Frau Hildegard hart für ihren Lebensunterhalt gearbeitet hatten. „Das war ihr Lebenswerk“, sagt Heidi über ihre Schwiegereltern, „die haben so viel geschuftet“.

Auch interessant

„Ich wollte eigentlich gar nicht hier sein, bin aber doch so reingerutscht“, erzählt Helmut Tillmann. „Und heute ist er der geborene Gastwirt“, schiebt Heidi nach. Seit 43 Jahren arbeiten sie in der Gaststätte, die sie vor 25 Jahren als Inhaber übernahmen. „Am Anfang war es wirkllch eine harte Zeit“, sagt der Neheimer. Das Publikum war früher ein anderes, daran musste in den Jahren gearbeitet werden. „Der Laden muss sauber bleiben. Die Gästestruktur muss stimmen“, so Helmut Tillmann.

Wir gehen mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
Helmut Tillmann - Inhaber von „Tillmanns Bauer“

Bei „Tillmann‘s Bauer“ stimmt sie bis zuletzt. „Deswegen tut mir das auch wirklich leid, dass wir nun aufhören“, so Helmut Tillmann. 99 Prozent der Besucher seien Stammgäste. Alles in allem käme die Gastronomie auf 1000 Gäste aus mehr als hundert Stammtischen, die sich nun nach einer neuen Kneipe umschauen müssen. „Wir gehen mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, sagt der 67-Jährige. Man wollte sich persönlich bei den Gästen verabschieden. Ein Abschiedsfest sollte es nicht geben. Erstens, ahnte Heidi, dass ihr Knie das nicht mehr mitmacht. „Und außerdem könnten wir bei so einem Fest wahrscheinlich auch die Straße sperren“, sagt Heidi Tillmann nicht ohne Stolz.

Künftig Vermietung für private Feiern

Und wie geht es weiter in dieser doch so urigen Kneipe, die mitsamt Haus in Familienbesitz ist. Einen neuen Pächter wird es nicht geben, dafür wären die Auflagen für einen Neu-Starter viel zu groß. Anfangs hatten Heidi und Helmut Tillmann geplant, die komplette Innenausstattung von der Theke über Deko bishin zu den Tischgruppen zu versteigern. Diese Idee aber wurde verworfen. Die Kneipe bleibt unverändert und wird - so wie sie jetzt ist - ab April für Feierlichkeiten bis maximal 60 Personen von privat an privat vermietet. Fünf Buchungen gibt es schon und alle wünschen sich, dass die Räume ihren Charme nicht verlieren. „Die Leute sehnen sich nach Gemütlichkeit. Und das hier ist ja ein Kneipen-Museum“, sagt Helmut Tillmann. Bier gezapft wird aber nicht mehr. Die Mieter können Getränkekisten über die Tillmanns liefern lassen und müssen sich um das Catering selbst kümmern.

Auch interessant

Jetzt geht es an die letzten Tage eines langen Lebensweges. Vieles wird fehlen. „Wir haben tolle Gäste“, sagt Heidi Tillmann. Und doch habe Helmut immer darauf aufgepasst, die Distanz zu den Besuchern zu wahren. Vermissen wird er „die Sprüche, die man loslässt, wenn es eine Runde Friesengeist oder Helgoländer und Sauerländer Feuer gibt“. Und auch von den aktuell noch vier Mitarbeitenden heißt es Abschied zu nehmen. „Ohne die wären wir ja immer aufgeschmissen gewesen“, so Heidi Tillmann.

Eine Übergabe der Kneipe an die eigenen Kinder war nie Thema. Die beiden heute 41- und 38-jährigen Söhne leben zwar in Arnsberg und haben beide auch schon in der Gaststätte mitgearbeitet, so Mutter Heidi. „Doch wissen sie auch, was das für eine Maloche ist“. Rückwirkend stellt Helmut Tillmann fest - fast so, als wollte er sich bei seinen Kindern entschuldigen: „dass das Vereinbaren von Gastronomie und Familie sehr schwer ist.“

Auch deshalb wissen beide genau, was sie nun wollen. Sie erzählen nichts von Hobbies und großen Reisen. „Wir hatten zu wenig Zeit für unsere Kinder, die wollen wir uns aber jetzt für unsere fünf Enkelkinder nehmen“, sagt Heidi. Aus Neheim wollen sie nicht weg - aber „Tillmann‘s Bauer“ ist bald Geschichte.

Helmut und Heidi Tillmann in ihrer Gaststätte.
Helmut und Heidi Tillmann in ihrer Gaststätte. © WP | Martin Haselhorst