Hachen. Vom Handwerk zur Leinwand: Relindis' Lebensgeschichte spiegelt sich in ihrem Humor und auch in ihren Werken. Ein Kurzporträt.
„Hi, komm‘ rein - es ist aber noch kalt, ich muss eben den Ofen anschmeißen“, sagt Relindis Bergmann und öffnet ihren Ofen. Vorher habe sie einen schönen Kamin gehabt, doch dieser „wurde vor zwei Jahren weggeschwemmt“. Die 64-Jährige spricht von der Jahrhundertflut 2021, die auch ihr Atelier völlig unter Wasser setzte. „Als es dann vor ein paar Wochen wieder drohte, hatte ich beim Malen Gummistiefel an.“ Relindis lacht, schließt ihren Ofen und befeuert ihn.
Das Atelier befindet sich direkt am Kreisel in Hachen. Dort, wo es früher Jeans zu kaufen gab. Noch stehen nur ein paar Bilder im Schaufenster. Doch schon bald möchte sie auch mit ihren Acryl- und Öl-Farben, der Staffelei und all ihrer Kreativität „nach oben ziehen“, wie Relindis es sagt. Denn aktuell besteht ihr Atelier aus zwei kleinen Räumen im Keller - zwar mit eigenem Eingang, aber doch recht kühl und überschwemmungsbedroht.
Plötzlich steht ihr Bruder in der Tür. „Kannst du kurz anpacken? Ich habe einen Ofen im Auto“ - „Klar!“ Anpacken kann sie; als einst ausgebildete Maschinenschlosserin. Auch die Tür zu ihrem Atelier habe sie selbst eingebaut. Als Tochter eines Elektrikers vielleicht nicht ganz ungewöhnlich, auch wenn ihr Vater eher dagegen gewesen sei, dass sie einen solchen handwerklichen Beruf ausübte. Und so lernte sie in genau diesem Atelier vorher das Handwerk des Schneiderns. „Meine Mutter war Schneiderin. Gemeinsam mit ihren acht Mitarbeiterinnen schneiderte sie in diesen Räumen“, sagt Relindis.
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Stand-up-Comedy, Malerei und Relindis Lampenfieber
Heute sind es keine Stoffe mehr, die das Atelier ausfüllen, sondern ihre Kunstwerke. Prachtvolle Farben und eine blühende Kreativität. „Ich sehe was und es spricht mich direkt an. Eigentlich wollte ich abstrakter malen, vielleicht lerne ich das ja noch.“ Relindis lacht. Eine gewisse Art von Abstraktivität haben ihre Werke jedoch. Denn sie malt Tiere auf abstrakten Hintergründen. „Inspiration hole ich mir überall her - aus dem Internet, aus Prospekten, aus Magazinen“, sagt sie, „wo auch immer ich ein süßes Tiermotiv sehe.“
„Bei diesem Bild muss ich nochmal nacharbeiten“, sagt sie plötzlich, „das gefällt mir nicht.“ Es komme oft vor, dass sie nacharbeiten müsse. Ihre Bilder hätten mehrere Schichten Farbe. Aktuell arbeitet sie auch an einem „schwimmenden Nilpferd“, eine Farbmischung aus unterschiedlichen Blautönen im Hintergrund und ein fröhliches Nilpferd mit etwas zu groß geratenen Augen vorneweg. „Das ist eine Kundenbestellung“, sagt Relindis. Denn seit etwa sieben Jahren verkauft sie ihre Kunstwerke.
Auch ihre Leinwände handwerkt sie selbst. „Manche Sondergrößen gibt es nicht“, so die Kreative, „und so baue ich meine Rahmen halt selbst, überziehe sie mit dem Leinwandmaterial und tackere sie fest.“ Ihre Werke sind also rundum handgemacht.
Das Malen ist jedoch nicht das einzige, das ihr Spaß bereitet. Sie schreibt Texte und tritt mit ihnen auf - zumindest bis vor kurzer Zeit. Kreativ und humorvoll. „Anfangs trat ich auf privaten Geburtstagen auf“, so die Hachenerin, „zum 40. Geburtstag meines Bruders schrieb ich einen lustigen Text und stellte mich damit auf die Bühne.“ Auftritte bei der kfd und auf vielen weiteren Veranstaltungen folgen. Gar nicht so einfach, wie sie feststellen musste. Denn „ich bin ein Hasenfuß“, wie sie es sagt. Sie habe totales Lampenfieber.
„Und dann weißt du ja auch nicht, ob die Leute es lustig finden, was du da auf der Bühne machst.“ Genau das sei ihr schon passiert. Sie hat einen ihrer Meinung nach „astreinen Text“, stellt sich trotz Lampenfieber mutig vor die Gäste und was geschieht? „Ich hatte gerade drei Worte gesagt, da schlief eine Dame in der ersten Reihe ein.“ Relindis lacht. Denn auch dieses Highlight spornt sie nur dazu an, einen Text zu schreiben. „Ich habe dann ein Lied darüber geschrieben: Gähn‘ doch!“
Kreativität und Humor prägen ihr Leben
Während Corona hätten die Auftritte nachgelassen. „Und jetzt denke ich, dass ich zu alt dafür bin.“ Sie widmet sich voll und ganz der Malerei - und ihrem Atelier-Umzug in das Ladengeschäft eine Etage höher. „Eigentlich bin ich nicht mutig, aber dieser Schritt ist mir wichtig. Ich bin zwar alt, aber möchte dennoch etwas Mutiges tun.“
Kreativ sei sie schon immer gewesen. „Seit ich schreiben und lesen konnte, tat ich das“, sagt sie, „unentwegt.“ Sogar ihren langen Aufsatz in der Schule verziert sie mit einem kleinen Bildchen. Dies sei ihr erst kürzlich beim Klassentreffen erzählt worden. „Ich hatte das total vergessen.“ Denn manche Ereignisse löschten gewisse Erinnerungen aus ihrem Leben aus. Sie spricht von einer unschönen Trennung von ihrem ersten Mann; einer gesundheitlichen Problematik, die sie lange Zeit begleitete und auch von der Pflege ihrer Eltern, die sie bis zu deren Tod beschäftigte.
All diese Lebensabschnitte prägen - schmälern aber keineswegs ihre Kreativität. Und schon gar nicht ihr Lachen. „Als ich meine gesundheitliche Diagnose bekam, schrieb ich auf dem Heimweg ein Gedicht. Ein humorvolles.“ Die Künstlerin sieht den Ernst des Lebens - und verpackt ihn in eine angemessene humorvolle Kreativität. Und das wird sie auch die nächsten Jahre tun ...