Arnsberg. Kurz vor dem Tod spricht Sarah M. für ihre beiden kleinen Töchter bei Arnsberger Audiobiografin einen ganz persönlichen Nachlass ein.

Hauptberuflich ist Martina Schneider aus Arnsberg als freie Journalistin und Audiobiografin tätig und ehrenamtlich ist sie Sterbebegleiterin beim Sternenweg. Der Tod stellt für sie kein Tabu-Thema dar. Daher nimmt die Arnsbergerin beispielsweise auch Aufträge der Familienhörbuch gGmbH aus Bergisch Gladbach an. „Das ist eine gemeinnützige Organisation, die schwerstkranken jungen Eltern die Erstellung eines professionellen Hörbuchs ermöglicht“, erklärt sie. Dabei kommen Menschen zu Wort, die ihre Geschichte und Lebenserfahrungen für ihre minderjährigen Kinder festhalten und auf Band aufnehmen möchten.

Martina Schneider ist Familienhörbuch-Audiobiografin.
Martina Schneider ist Familienhörbuch-Audiobiografin. © WP | Privat

So lernte Martina Schneider beispielsweise die schwerkranke Sarah M. kennen, deren Herzenswunsch es war, für ihre Kinder (7 und 9 Jahre alt) und ihren Partner Philipp ein persönliches Hörbuch aufzunehmen. „Für die junge Mutter war dies ein Wettlauf gegen die Zeit. Im November 2023 wurden bei ihr Hirnmetastasen diagnostiziert, vorausgegangen war eine Erkrankung an schwarzem Hautkrebs.“ Sarah schien zu ahnen, dass ihr nicht mehr viel Spielraum blieb, um ihre letzten Dinge zu erledigen. Anfang Dezember fuhr sie deshalb gemeinsam mit ihrem Partner nach Arnsberg, um ihren kleinen Töchtern ein ganz besonderes Abschiedsgeschenk zu machen: ein selbst aufgesprochenes Hörbuch mit der eigenen Lebensgeschichte.

Für die junge Mutter war dies ein Wettlauf gegen die Zeit. Im November 2023 wurden bei ihr Hirnmetastasen diagnostiziert, vorausgegangen war eine Erkrankung an schwarzem Hautkrebs.
Martina Schneider - Familienhörbuch-Audiobiografin

„Das Bergen dieses Hör-Schatzes entsteht in mehreren Etappen. In der Regel nehmen wir uns drei Tage Zeit, um ein stimmiges, facettenreiches Bild jenes Menschen zu zeichnen, der im Familiengefüge bald fehlen wird“, erklärt Martina Schneider die Herangehensweise bei der Erstellung einer vertonten Biografie.

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Sarah fokussierte sich bei ihrer Rückblende vor allem auf die Zeit als junge Mutter. Von den Glücksgefühlen beim Schwangerschaftstest, vom turbulenten Familienalltag, vom Spagat zwischen Job und Kindergarten, von den Urlauben im Schnee. Doch auch der nahende Abschied wurde nicht ausgespart. „Meine Töchter wissen, dass unsere gemeinsame Zeit fast vorbei ist. Beim ersten Liebeskummer werde ich nicht mehr da sein, um sie in den Arm nehmen und trösten zu können. Aber über das Hörbuch können sich die Mädchen jederzeit mit meiner Stimme und meiner grenzenlosen Liebe verbinden“, formulierte Sarah nach Abschluss der Aufnahmen ihre Hoffnung, auf diese Weise ihnen Kindern immer nah sein zu können. Bei der Wahl des Titels musste sie nicht lange überlegen. „Für immer wir drei“ heißt ihre aufgesprochene Lebensgeschichte.

Förderung durch die Hospiz-Stiftung Arnsberg-Sundern

Vom Bearbeiten des Aufnahmeantrags bis zum Hochladen der fertigen Audiodatei stecken rund 100 Arbeitsstunden in einem Familienhörbuch. Für lebensverkürzend erkrankte junge Eltern ist die Erstellung kostenfrei; die Finanzierung basiert ausschließlich auf Spenden und Crowdfunding-Aktionen. Sarah hat beispielsweise über die Spendenplattform GoFundMe überwältigende Unterstützung erfahren und konnte für die Familienhörbuch gGmbH 6000 Euro sammeln.

Im regionalen Bereich engagiert sich auch die Hospizstiftung Arnsberg-Sundern für das mehrfach ausgezeichnete Projekt, wie Stiftungs-Vorstand Georg Schelle erklärt: „Sofern wir hier im stationären Hospiz Rafael oder im ambulanten Hospizdienst Sternenweg junge Väter oder Mütter begleiten, die ihren Kindern dieses ganz persönliche Hör-Vermächtnis hinterlassen wollen, übernehmen wir einen Großteil der Produktionskosten. Der Leitspruch des Familienhörbuchs lautet „Alles, was eine Stimme hat, überlebt“. Diesen Ansatz finden wir absolut unterstützenswert.“ Nähere Infos: www.familienhoerbuch.de / www.hospiz-stiftung.info

Der technische Feinschliff erfolgt derzeit im Tonstudio. Die einzelnen Tracks werden von einem professionellen Sounddesigner aufwändig editiert, geschnitten und mit den Musikwünschen der Teilnehmerin unterlegt. „Musik ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Familienhörbücher“, erklärt die Arnsberger Audiobiografin. „Jeder von uns hat doch bestimmte Lieder und Interpreten, die unser Lebensgefühl als Kind, als Teeny, als junger Erwachsener widerspiegeln. Über diesen speziellen Mix aus Wort und Klang entstehen Audio-Dokumente, die ebenso individuell und einzigartig sind wie das Leben der Erzählenden selbst.“

Während das Familienhörbuch für die jungen Eltern eine Reise in die Vergangenheit ist, stellt es für deren Kinder ein Zukunftsgeschenk dar. „Oft sind die Kinder noch im Säuglings- oder Kleinkindalter, wenn sie zu Halbwaisen werden“, erläutert Martina Schneider. „Wenn sie dann später mehr über Mama oder Papa wissen wollen, finden sie im Familienhörbuch Antworten aus erster Hand.“

Sarah kann ihr Hörbuch leider nicht mehr selbst abhören. Sie verstarb am 25. Dezember 2023. „Sie war überglücklich, dass es ihr noch gelungen ist, ihre Lebensgeschichte festzuhalten. Daher war es ihr bis zuletzt wichtig, die Idee des Familienhörbuchs zu unterstützen und weiterzutragen, damit möglichst viele Betroffene von diesem Projekt erfahren“, fasst Philipp den Wunsch seiner verstorbenen Partnerin zusammen.