Arnsberg. Das Krankenhaus in seiner bisherigen Form ist Geschichte. Es hat auch eine lange Geschichte: Wir wagen einen Blick zurück und nach vorn.
Der 12. Januar 1913 war ein denkwürdiger Tag für die Stadt und die Region, unterhalb des Lüsenberges wurde das neue Marienhospital in Arnsberg eröffnet. Das Krankenhaus mit seinen Wirtschafts- und Nebengebäuden zählte zu den modernsten in der Umgebung und war für die damalige Zeit wegweisend. Ende August gingen nun nach 110 Jahren pflegerischer und medizinischer Versorgung in dem teils unter Denkmalschutz stehenden Haus die Lichter aus. Nach Inbetriebnahme des Notfall- und Intensivzentrums in Hüsten wurde der Standort geschlossen. Zeit für einen Blick zurück und in die Zukunft.
Wie geht es mit dem schmucken Gebäude im Stadtteil Arnsberg weiter? Geplant ist ein Lehr- und Simulationskrankenhaus, das ein umfassendes Spektrum an Qualifizierungsangeboten für Beschäftigte im
Gesundheitswesen unter einem Dach vereinen soll. Das ist die Perspektive.
Ein Rückblick in die lange Geschichte des Marienhospitals: Ein Neubau ist nötig geworden, weil das 1857 in der Altstadt eingerichtete Krankenhaus keine ausreichenden Kapazitäten mehr bietet. Verhandlungen mit der Bezirksregierung und dem Kreis Arnsberg wegen einer finanziellen Beteiligung scheitern. Die Stadt wagt den Alleingang. Eine Viehweide am Lüsenberg wird 1907 von Landwirt Elkemann für 18.000 Mark erworben, ein Jahr später beschließt der Magistrat die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs. Den Zuschlag bekommen die „Gebrüder Langenberg in Cassel“, die mit ihrem Entwurf auch einen Kostenanschlag von 235.000 Mark vorlegen, hinzu kommen 60.000 Mark für Einrichtung, Honorare und Straßenanbindung.
Hier kommt die später namensgebende „Ave-Maria-Stiftung“ ins Spiel, die ein zinsloses, nicht zurückzahlbares Darlehen von 100.000 Mark bewilligt, einen Kreditbetrag von 200.000 Mark steuert die katholische Kirchengemeinde bei, die allerdings daran bestimmte Bedingungen an den religiösen Charakter des Krankenhauses und ein Mitspracherecht bei personellen Entscheidungen wie Chefarzt oder Verwaltungsleiter knüpft. Genau dieser Passus sorgt Anfang der 1990-er Jahre für politische Turbulenzen bei einer Chefarztwahl, als man sich im Krankenhausausschuss als politisches Gremium und dem Kuratorium als kirchliche Einrichtung uneins ist.
Am 11. Dezember 1911 wird in der Krankenhauskapelle der Grundstein gelegt. Propst Gerhard Hellweg sagt beim Richtfest: „Mit diesem Haus hat sich die Stadt Arnsberg ein Denkmal gesetzt, dauernder als Erz“.Die Eröffnungsfeier mit Schlüsselübergabe an Bürgermeister Max Löcke und Oberin Schwester Agnes findet nach zweijähriger Bauzeit am Sonntag, 12. Januar 1913, in der geschmückten Halle neben der Klausur statt. Das „Central Volksblatt“, Vorgänger der Westfalenpost, berichtet eindrucksvoll über das Ereignis: „Nachdem der Arnsberger Sängerbund die Feier mit dem Lied ‚Das ist der Tag des Herrn’ eröffnet hatte, ergriff Architekt Langenberg das Wort. Er gedachte der hohen Bedeutung des Tages, an dem es mit Recht heiße: die Fahnen heraus“. Jeder Arnsberger Bürger müsse stolz sein auf diese Schöpfung seiner Vaterstadt.
Seezunge und Hammelrücken
Regierungspräsident Alfred von Bake war neben Bürgermeister Max Löcke und Landgerichtspräsident Friedrich von Schilgen einer der weiteren Festredner. Bürgermeister Löcke rief den Gästen zu: „Das Alte fällt und Neues tritt an seine Stelle.“ Durch die Kunst der Ärzte und Schwestern, so Löcke weiter, könne jeder, der dies Haus verlasse, es in wiedererlangter voller Gesundheit tun. Am Nachmittag gibt es für die Ehrengäste einen Empfang mit Galabüfett im Kurhotel auf dem Klosterberg, auf dem Speiseplan stehen gebratene Seezunge, Hammelrücken und gefüllter Puter, zum Nachtisch gibt es „Fürst Pückler Eis“ und einen kräftigen Mokka.
Bei Einbruch der Dunkelheit ist das neue Krankenhaus auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt mit Magnesiumlicht prächtig illuminiert. In den lauten Ruf von Regierungspräsident von Bake „Kaiser Wilhelm II., unser allergnädigster König und Herr, er lebe hoch, hoch, hoch!“ hätten alle mit eingestimmt, schreibt der „Centräler“. Und weiter: „Die Musik wurde ausgeführt von der 15 Mann starken Keckschen Kapelle, die
kurz nach 2 Uhr das Festessen mit dem Marsche ‚Unter dem Sternenbanner’ einleitete“.
Mit dem Neubau des Krankenhauses im Jahre 1913 hatte die Stadt Arnsberg etwas Einmaliges geschaffen, was ihr auch von der Regierung bescheinigt wird. Das Haus verfügt anfangs über 75 Krankenbetten, einen Operationssaal, Räume für medizinische Bäder sowie ein Laboratorium und Unterkünfte für die Schwestern und das Haus- und Küchenpersonal. Neben dem Hauptgebäude sind die Isolierstation, das Waschhaus und die Stallungen sowie das Leichenhaus angesiedelt. Seine erste Belastungsprobe erfährt das Marienhospital im Ersten Weltkrieg als Lazarett, neben den Patienten werden viele verwundete Soldaten behandelt. Durch die Inflation explodieren im September die Preise, ein Pflegetag im Marienhospital kostet 500 Milliarden Mark; das Geld wird in Wäschekörben zur Sparkasse gebracht.
Bomben auf das Krankenhaus
Erste Umbaumaßnahmen werden notwendig, als sich 1933 mit Dr. Reinhard Baumeister ein Internist in Arnsberg niederlässt, 1938 folgt der Frauenarzt Dr. Josef Beaufays aus Münster. Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes die Geburtsstunde der Frauenklinik im ehemaligen Altersheim und Waisenhaus an der Schloßstraße. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges muss das Marienhospital wiederum Lazarettzwecken dienen, das Gebäude der SA-Führerschule im heutigen SGV-Jugendhof wird zum Notkrankenhaus mit 40 Betten umfunktioniert. Dramatische Szenen spielen sich nach einem Fliegerangriff auf das Krankenhaus ab. Von zwei Bomben bleibt glücklicherweise eine ein Blindgänger, die andere schlägt am oberen Eingang des Luftschutzbunkers ein und fordert mehrere Todesopfer.
1952 beauftragt die Stadt den Münsteraner Architekten Peter Steven mit der Planung eines neuen Gebäudeflügels mit 150 Betten, der erste Spatenstich findet ein Jahr später statt. Im August 1955 wird dann das Westbettenhaus fertiggestellt, zeitgleich erfolgt eine umfassende Renovierung des Altbaus. Das Jahr 1969 ist geprägt durch die Fertigstellung der beiden Personal-Wohnheime „Notburga“ und „Hedwig“ sowie der Krankenpflegeschule und des medizinischen Schwimmbades. „Diese modernen Gebäude geben dem Krankenhauskomplex am Fuße des Lüsenbergs ein neues Gepräge“, heißt es später in einer Chronik.
Notfallambulanz in Sundern schließt+++
1973 wird auf der Station 1 das erste Intensivzimmer mit zwei Betten eingerichtet, im gleichen Jahr erfolgt die Fertigstellung der neuen Cafeteria. Nach dem plötzlichen Tod des internistischen Chefarztes Dr. Anton Knoche ist seit April 1974 mit Prof. Dr. Otto Neu erstmals ein Professor am Marienhospital tätig. Die Entwicklung der Medizin macht in diesen Jahren rasante Fortschritte, zunehmend werden im Marienhospital endoskopische Untersuchungen wie Magen- und Darmspiegelungen sowie Ultraschalluntersuchungen durchgeführt.
Neue Intensivstation im Jahr 1977
Ein Meilenstein in der Notfallversorgung ist 1977 die Eröffnung einer neuen Intensivstation mit acht Betten, im gleichen Zuge werden im Westbettenhaus alle Zimmer mit Toiletten und Nasszellen ausgestattet. Im gleichen Jahr verlassen die Clemensschwestern das Marienhospital, erste männliche „Oberin“ wird der Hirschberger Franz Fischer. Es folgen zahlreiche Baumaßnahmen, 1987 wird das ehemalige Waschhaus zur Verwaltung umgebaut, 1990 wird die neue OP-Abteilung und ein Zentral-Archiv eröffnet und 2005 das gesamte Westbettenhaus neu gestaltet.
Auf der ehemaligen Station 2 wird 2015 eine „Zentrale Notaufnahme“ eingerichtet, diese entsprach aber nicht den gesetzlichen Vorgaben und war somit nur eine Übergangslösung. Das hat sich jetzt alles geändert, Mitte Juli 2023 wurde am Standort Hüsten das neue „Notfall- und Intensivzentrum“ mit „Zentraler Notaufnahme“ und Intensivstation sowie interdisziplinärem Bettentrakt eröffnet. Nach über einem halben Jahrhundert haben zahlreiche, meist unsinnige und nichts bringende Gespräche doch zum Erfolg geführt. Denn bereits seit Anfang der 1960-er Jahre erfolgten erste Gespräche über einen zentralen Krankenhausneubau, Standortfavoriten waren der Parkplatz Hasenwinkel, ein kreiseigenes Grundstück bei Gut Wintrop und ein Gelände neben dem Karolinen-Hospital. Alle Gespräche und politischen „Willensbekundungen“ führen ins Leere, das „Kirchturmdenken“ ist bei den Beteiligten zu groß.
Gegen das Kirchturmdenken
Ab 1993 keimt das Thema Kooperation der drei Arnsberger Krankenhäuser aber wieder auf. In Gremien auf unterschiedlichen Ebenen wird viel diskutiert und auch beschlossen, heraus kommt am Ende, bis auf viel Unruhe in den Krankenhausstandorten, nichts. Die Umsetzung scheitert wieder einmal am „Kompetenzgerangel der Partner“, wie es eine Lokalzeitung schon 1977 treffend formuliert. Im September 2010 kommt mit der Planung einer Fusion wieder Bewegung in die Sache. Dann geht alles ganz schnell, bereits einen Monat später gibt der Rat der Stadt Arnsberg grünes Licht für eine Fusion. Die drei Arnsberger Krankenhäuser firmieren 2011 als „Klinikum Arnsberg“, nach der Übernahme des St. Walburga Krankenhauses Meschede als „Klinikum Hochsauerland“.
Corona-Krankenhaus
In der Zwischenzeit bekommt das Marienhospital auch zeitgeschichtliche Bedeutung. Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 konzentriert das Klinikum Hochsauerland die Versorgung von an Corona erkrankten Patienten auf den Standort Arnsberg. Der Begriff „Corona-Krankenhaus“ macht die Runde. Einmal mehr stellt sich das Haus auf die Gegebenheiten der Zeit ein. Mit der geplanten Umwandlung zu einem reinem Schulungs- und Simulationskrankenhaus endet zwar die medizinische Patientenversorgung vor Ort, doch soll die Qualifikation von Pflegekräften zum neuen Meilenstein werden.