Neheim. Alzheimer-Demenz kann auch jüngere Menschen betreffen - wie ein Neheimer und seine Angehörigen damit umgingen, hier zum Welt-Alzheimertag.
Axel war ein Macher. Unterwegs als freier Handelsvertreter in der Sanitätsbranche. Später auch als Dozent in Handwerker-Schulungen. Er liebte Sport. Schwamm, fuhr regelmäßig Rad, joggte und tanzte. Unter anderem moderierte er fünf Jahre lang den „Fahrrad-Dreikampf“ beim Fahrradfest am Möhnesee.
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Mit einem lachenden und einem weinenden Auge stellte Georg Jeche mir 2018 seinen an Alzheimer-Demenz erkrankten Bruder vor. Denn Axel lebte zu dem Zeitpunkt mit seinen gerade einmal 65 Jahren bereits in einer Altenhilfeeinrichtung. Die ersten Warnzeichen gab es etwa sechs Jahre zuvor - genau sagen könne man das nie, erzählt er damals.
Und dennoch waren es die vermeintlichen kleinen Dinge, die sowohl ihn selbst, aber auch seine Verwandten, insbesondere seinen jüngeren Bruder Georg, zum Nachdenken brachten. Sie häuften sich - bis er irgendwann nach einem Mittagsschlaf panisch seinen Sohn anrief und sagte: „Du musst schnell kommen, ich weiß gar nichts mehr!“ Das Wirrwarr in seinem Kopf machte ihm Angst. Sofort fuhr sein Sohn mit ihm ins Krankenhaus - etliche Untersuchungen folgten, bis die Diagnose stand: Demenz.
Traurig und depressiv in Neheim
Zunächst lebte er noch weiter in einer kleinen Wohnung in Neheim - verlor jedoch nach und nach seinen Lebensmut, seinen Antrieb. Er war traurig. Depressiv. Sein Sohn kümmerte sich um ihn. Ebenso sein Bruder Georg, der ihn später dann, nachdem ein Arzt einen Umzug in eine Pflegeeinrichtung empfahl, regelmäßig besuchte. Er „spielte mit“ - auch wenn Axel sich mal neben das Auto auf den Boden setzte, statt einzusteigen. „Machst du Picknick?“, habe er ihn damals gefragt, erinnert sich Georg. Axel sprach damals relativ klar über seine Krankheit, erklärte seine Gefühlslagen.
Arnsberger Netzwerk „Leben mit dem Tod“
Im Arnsberger Netzwerk „Leben mit dem Tod“ engagieren sich unterschiedliche Organisationen aus Arnsberg und der Region für eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer.
Weitere Informationen: www.netzwerk-leben-mit-dem-tod.de.
Es lädt aktuell zur Informationsveranstaltung „Mein Leben, meine Entscheidung. Ausweg assistierter Suizid?“ ein am Donnerstag, 21. September, um 18 Uhr in der Liebfrauenkirche, Hellefelder Straße 15.
Die Veranstaltung ist kostenlos und eine Teilnahme ohne Anmeldung möglich.
„Ich muss reden können - sonst geh’ ich kaputt“, erklärte er damals seine permanente Langeweile in der Altenpflegeeinrichtung - trotz zahlreicher Freizeitangebote. Immer dann rief er seinen jüngeren Bruder Georg an - und konnte seinen nächsten Besuch kaum abwarten. Auf die damalige Frage, was er denn den gesamten Tag über mache, antwortete er, er warte auf den nächsten Tag. Highlights waren die Treffen mit Georg.
Etwa drei Jahre nach unserem Treffen, am 1. Oktober 2021, verstarb Axel. „Ich liebe und vermisse meinen Bruder sehr“, so Georg Jeche heute. Das schwere Schicksal betraf nicht ausschließlich Axel, sondern die gesamte Familie.
Emotionale Herausforderung für Neheimer
„Der Welt-Alzheimertag am 21. September ist ein sehr wichtiger Tag, damit die Betroffenen, und ebenso wichtig ihre Angehörigen, nicht allein mit dieser schrecklichen Krankheit und den Auswirkungen sind“, sagt Jeche.
Es sei genau diese Intention gewesen, die ihn selbst dazu gebracht habe, sich auch mit 60 Jahren noch einmal selbstständig zu machen - als Alltagsbegleiter (§ 45a SGB XI). Mit diesem Schritt wolle er die Angehörigen entlasten und ihnen eine Unterstützung bieten. „Denn ich weiß, wie schwierig der Alltag mit einem lieben Menschen ist, der vor seinen Augen all das verliert, was ihn ein Leben lang ausgemacht hat!“
Daher appelliert er auch an all die Angehörigen, sich nicht zu scheuen, Hilfe und Beistand in Anspruch zu nehmen, „bevor er oder sie selbst krank wird“. Es sei ein großer Unterschied, ob jemand eine leichte bis mittelschwere Altersdemenz habe oder ob jemand vor allem in jungen Jahren die Diagnose Alzheimer-Demenz bekomme. „Bei meinen dementen Klientinnen und Klienten bin ich manchmal selbst erstaunt, was man durch Beschäftigung und gezielte Ansprache noch bewirken kann“, so der Alltagsbegleiter, „bei Alzheimer ist das nach meiner Erfahrung sehr schnell nicht mehr möglich. Was die Krankheit vernichtet, ist unwiderruflich vernichtet und kann nicht mehr aktiviert werden.“
Welt-Alzheimertag 2023 - auch in Arnsberg
Mit der Diagnose steht die Welt erst einmal Kopf - sowohl für Betroffene selbst als auch ihre Angehörigen. Daher steht der diesjährige Welt-Alzheimertag auch unter dem Motto „Demenz - die Welt steht Kopf“.
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Viele Menschen, bei denen eine Demenz diagnostiziert worden sei, zögen sich zurück. sie fänden sich nicht mehr zurecht, fühlten sich unverstanden, heißt es vom Verein Deutsche Alzheimer Gesellschaft. „Und doch gehören sie dazu (...). Dazu brauchen sie von uns vor allem Geduld, Verständnis und Unterstützung. Denn Demenz bedeutet nicht allein ein ,Nicht-mehr-Können’. Vielmehr haben Menschen mit Demenz viel zu geben, sie nehmen Schwingungen auf, sind humorvoll und sie wollen sich einbringen. Wir alle können etwas tun, damit Menschen mit Demenz den Boden unter den Füßen spüren, sich aufgefangen fühlen und Teil unserer Gemeinschaft sind“, heißt es auf der Website des Vereins.