Hüsten. Die Chefärztin spricht über schöne Momente - aber auch über Grenzen: Was, wenn einem Kind nicht wie gewünscht geholfen werden kann?

Dieser Job ist für sie Berufung. Schon in der Abi-Zeitung ihres Jahrganges verkündete sie: „Ich will Kinderärztin werden“. Das ist inzwischen schon ein paar Jährchen her. Und doch gesagt und getan: Heute ist Dr. Jila Schauerte Chefärztin der Kinderklinik des Klinikums Hochsauerland am Standort Karolinenhospital Hüsten.

Die 52-Jährige ist angekommen. Nicht nur in ihrem Traumberuf, sondern nun auch in Hüsten. Am 1. April trat sie die etwas länger vakante Stelle von Dr. Bartholomäus Urgatz an, der das Klinikum verlassen hatte. Die „Neue“ steht nun einem Team mit 3,5 Oberarzt-, weiteren 7,8 Oberarzt- und 33 Pflegevollzeitkräften vor. Im Mittel betreut die Kinderklinik in Hüsten rund 3000 junge Patientinnen und Patienten im Jahr.

Im Normalfall. Im vergangenen Herbst und Winter aber war alles anders. Die Kinderkliniken standen allerorts mächtig unter Druck durch Virus- und Atemwegserkrankungen. „Man hatte gerade bei Kleinkindern und Grundschülern gemerkt, dass sie in der Coronazeit wenig Kontakt zu Erkältungskrankheiten hatten“, sagt Dr. Jila Schauerte, „die Immunsysteme der Kinder waren nicht geschult.“ Insbesondere für die Jüngsten sei das schlimm gewesen. Der Herbst 2022 war somit eine große Herausforderung und auch im laufenden Jahr zeigten sich noch Nachwirkungen. „Normalerweise erholen sich die Immunsysteme der Kinder im Sommer“, sagt die Medizinerin. Das aber sei in der aktuellen Saison nicht festzustellen.

Not und Anspruch

Das erhöhe die Anforderungen an eine Kinderklinik - zumal Kindermediziner immer nicht nur mit den Kindern und ihren Krankheiten, sondern auch der Gefühlslage der besorgten Eltern konfrontiert sind. Diese kämen in ihrer Not oft mit einem sehr hohen Anspruchsdenken. „Man muss viel Empathie mitbringen und sich auch in deren Situation hineinversetzen können“, sagt Schauerte, „Sorge um die Kinder ist das schlimmste Gefühl, was Eltern haben können.“ Auch das spricht sie aus Erfahrung. Die in Hemer lebende Ärztin hat vier Kinder großgezogen. Inzwischen ist das letzte aus dem Haus.

In die Zuständigkeit der Kinderklinik fällt auch die Ambulanz, wenn die Notfälle minderjährig sind. „Die Kinderambulanz nimmt eine immer größere Rolle ein“, weiß Schauerte. Das liege auch daran, dass Eltern heute nicht mehr so gut auf auch normale Krankheitssituationen der Kinder vorbereitet seien. „Da sind Eltern oft auf sich alleine gestellt“, sagt die Pädiaterin, „und Doktor Google ist da dann sicherlich kein guter Ratgeber.“ Wünschenswert seien Telefonhotlines für besorgte Eltern. Kinderkliniken könnten so etwas nicht leisten. So müssten nicht alle Kinder bei Fieber und Husten sofort ins Krankenhaus. Die Ärztin appelliert: „Eltern sollten sich auf ihr Gefühl verlassen!“, sagt sie. Und natürlich gelte, dass man lieber ab und an mal zu früh ins Krankenhaus kommt als nur einmal zu spät. Außerhalb von Notfällen seien die vertrauten Kinderärzte auch die ersten Ansprechpartner.

Wildschweine sind eine Plage++++

Die 52-Jährige ist den Weg in der Kindermedizin konsequent gegangen. „Ich habe schon ganz früh gemerkt, dass ich gut mit Kindern kann“, erzählt sie, „und ich wollte immer dafür sorgen, dass Kinder gesünder werden.“ Bis heute ist das noch einer der schönsten Momente ihres Arbeitsalltags: „Wenn vorher so kranke Kinder gesund nach Hause gehen, ist das wirklich ein gutes Gefühl“, sagt sie Bis es soweit kommt, haben die Kindermediziner oft große und kleine Hürden zu nehmen. „Das ist viel Detektivarbeit“, sagt Dr. Jila Schauerte. Die kleinsten Patienten könnten ja noch nicht sagen, wo es zwickt. Das Gespräch mit den Eltern sei da besonders wichtig, um von deren Beobachtungen zu profitieren.

Und doch gibt es Grenzen in einem Traumberuf am Limit: „Natürlich versuchen wir alles, was in unserer Macht steht“, sagt die Chefärztin. Wenn Fälle aber zu komplex und zu spezialisiert werden, so dass auch die gute Vernetzung zu den anderen Fachabteilungen des Klinikums Hochsauerland nicht mehr helfen kann, werden Kinder auch verlegt. Das Klinikum arbeitet als Lehrkrankenhaus hier auch eng mit der Uniklinik Münster zusammen.

Einer der Schwerpunkte der Chefärztin ist die Weiterentwicklung der neonatologischen Schwerpunktes zur bestmöglichen Versorgung von Früh- und kranken Neugeborenen. Hier sollen zusammen mit der Geburtshilfe und der Urologie und Kinderurologie die Möglichkeiten ausgebaut werden. In die Kinderklinik kommen Kinder nach der Geburt erst und nur, wenn nicht alles normal läuft. So gehört auch die Neugeborenen-Intensivstation mit ihren acht Betten zur Kinderklinik (weitere 36 Betten).

Auch in einer Kinderklinik liegen Leid und Freude oft nahe beinander. „Ein neues Leben und eine Geburt ist für mich immer wieder ein echtes Wunder“, benennt Dr. Jila Schauerte eine der größten Faszinationen ihres Berufes. Und ebenso nahe liegt die Schattenseite: „Man gewöhnt sich nie daran, wenn einem schwerkranken Kind nicht geholfen werden kann“, sagt sie. Und genau das sei auch der Ansporn für alle im Team - trotz aller manchmal schwierigen Umstände den kleinen Patienten immer die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen.