Arnsberg. „Hast du schon einmal in einem Interview geweint?“, fragt Greta unsere WP-Redakteurin Thora Meißner im Lesecamp in Arnsberg. Hier ist die Antwort
„Hast du schon einmal in einem Interview geweint?“, fragt mich Greta. Ich lasse mir einige Sekunden Zeit, bevor ich antworte. Denn vor mir sitzen keine Jugendlichen oder Erwachsenen, sondern Kinder. Kinder, die ab nächste Woche in der fünften Klasse am Laurentianum Gymnasium unterrichtet werden. Jungen und Mädchen, die sich freiwillig für das relativ spontane „Lesecamp“ angemeldet haben. „Ja, es gibt viele traurige Geschichten, die mir auch mal eine Gänsehaut bescheren“, antworte ich. Prompt folgt: „Welche?“
Lesen Sie auch <<<Holzenerin zurück aus den USA: „War ich überhaupt weg?“>>>
Über das Programm „Extrazeit zum Lernen“ des Landes NRW nehmen 26 Kinder an dem Projekt zur aktiven Leseförderung teil, das sich durch verschiedene Aktivitäten in und außerhalb der Schule prägt. Vier Vormittage verbringen sie daher im Laurentianum - lesen Informationen zum Thema „Borkenkäfer und Waldrettung“, lösen ein Museum-Quiz, beschreiben Personen steckbriefartig, lesen Gruselgeschichten, lösen Ratekrimis, löchern eine Redakteurin mit Fragen rund um den Journalismus und schreiben dann ihre ganz eigene Reportage über das Lesecamp.
Inzwischen habe ich Greta und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ein paar traurige Schicksale genannt, die auch einen Journalisten nicht kalt lassen. Sie fragen nach dem erfolgreichsten Artikel, nach dem Verrücktesten, möchten mehr über den Alltag im Journalismus erfahren. Ob ich schon einmal im Ausland recherchiert habe (und ob ich in der Ukraine war), wie die Themenfindung funktioniert, ob der Job stressig ist und auch, wie viel man arbeiten muss und verdient.
Vorbereitete Nachwuchstalente
Es ist spürbar, dass sich die jungen Menschen vorab wirklich Gedanken gemacht haben, was sie wissen möchten. Auch über Fake-News sprechen wir - und darüber, ob eine Journalistin oder ein Journalist immer die Wahrheit schreiben muss. Selbst Lars Mense (Lehrer), Andrea Gördes (Schulassistentin), Ulrike Bohn (Schulsozialarbeiterin) und Schülerhelferin Finja Mense hören gespannt zu - das Team setzt das Lesecamp gemeinsam um und kümmert sich um die inhaltliche Gestaltung.
Wie schreibt man einen Bericht? Wie schreibt man eine Reportage? Worauf sollte man achten? Gespannt hören mir die Nachwuchstalente der schreibenden Zunft zu - kleben förmlich an meinen Lippen, als ich ihnen versuche zu erklären, wie wichtig ein „knackiger“ Einstieg ist. Und wie wichtig es ist, kurze Sätze (statt nervenaufreibende Schachtelsätze) zu schreiben.
Wir drehen den Spieß um - jetzt sind die Kinder dran. Sie erzählen, was sie alles im Lesecamp erlebt haben. Berichten mir vom Besuch in der Bücherei, im Museum - und auch vom gruseligen Dachboden des Schulgebäudes. Denn dort tauchten sie am dritten Tag in die Welten der „Monster, Hexen und Verbrecher“ ein. Genau darüber möchten sie eine Reportage schreiben - über den Dachboden, den herausstehenden Nägeln in der Decke, über die Gruselgeschichten und all ihre subjektiv geprägten Eindrücke. Tipps, die ich ihnen für ihre Lesecamp-Reportage gebe, setzen sie gezielt um. „Die tosende Menge an Kindern trampelt die Treppe hoch“, heißt es in einem Texteinstieg. Oder auch: „Wer waren Albert Einstein, Anne Frank und Pablo Picasso? Dieser Frage stellten sich am Montag 25 Kinder des Laurentianum Gymnasiums.“ Spannende Ergebnisse liegen auf dem Tisch.
Vom Lesecamp ins Deutschlernen
Ein paar Türen weiter treffe ich auf Annette und Franzi Schemme. Mutter und Tochter führen gemeinsam das Ferienintensivtraining FiT in Deutsch aus - und lernen gemeinsam mit bis zu 17 Kindern und Jugendlichen die Tücken der deutschen Sprache kennen. Das Programm richtet sich an Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien zugewandert sind und aktuell „noch“ die deutsche Sprache lernen. In den Sommerferien, in den Herbstferien wie auch in den Osterferien läuft das Ferienintensivtraining dann an verschiedenen Orten im Stadtgebiet (für Kinder und Jugendliche auf Grund- und weiterführenden Schulen) - gefördert von der Berufs-Bildungs-Akdademie (BBA) der Volkshochschulen im HSK e.V. im Bereich der weiterführenden Schulen.
Auch interessant <<<Wildwald Voßwinkel für Familienfreundlichkeit gelobt>>>
Auch diese jungen Menschen sind sehr gut vorbereitet und berichten mir aus ihrem zweiwöchigen Programm. „Gestern haben wir Feuerwehr und Rettungsdienst besucht - das war sehr, sehr, sehr schön“, sagt einer. Alle kommen zu Wort. Auch die Ausstellung „Wunder Wald“ besuchte die Lerngruppe im Zuge ihres Hauptthemas „Tier im Wald“. Ihr Highlight: Selbst gebastelte Eulen, Igel, Hasen und Co. aus dem Wald.