Holzen/Amsterdam. Anna Stegmann aus Holzen lebt für ihren Beruf und liebt ihren Lifestyle - Großstadtleben in Amsterdam, Professorin in London, Oase in der Heimat.
Sie wirkt, als befände sie sich in ihrer ganz eigenen Welt, wenn sie auf der Bühne Blockflöte spielt. Emotional abgestimmt. Ausgeglichen. Schon entspannt. Auf der elterlichen Terrasse in Holzen wirkt sie jedoch eher beschäftigt, mit Laptop, Tablet und Smartphone. „I have an interview now“, sagt sie und bricht das Telefonat ab. Eigentlich ist sie übers Wochenende ins Sauerland gekommen, um ein paar Tage auszuspannen.
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Eine verdrehte Work-Life-Balance? Keinesfalls. Denn Anna Stegmann lebt für ihren Beruf, liebt ihren Lifestyle.
Die 39-Jährige lebt seit 16 Jahren in Amsterdam, unterrichtet seit neun Jahren in London und tourt quer durch Europa, um gemeinsam mit ihrem Ensemble „The Royal Wind Music“ und als Solistin zu musizieren. „Nach dem Abitur am St. Ursula-Gymnasium in Neheim habe ich beschlossen, Musik zu studieren“, sagt Anna Stegmann, „und da lag die Blockflöte auf der Hand.“
Musik liegt in der Holzener Familie
Denn Anna Stegmann wächst mit der Musik auf – Mutter Susanne unterrichtet Musik an einer weiterführenden Schule und Vater Martin ist Kirchenmusiker (Organist) in der Gemeinde. Blockflöte jedoch lernt sie von ihrer Oma, die einen guten Draht zu einer der erfolgreichsten Blockflöten-Dozentinnen Deutschlands, Gudula Rosa, hat. Die Probestunde ist gesichert.
„Die Blockflöte war bis dahin eher ein Instrument zum Hausmusizieren“, sagt Anna Stegmann, „aber ich hatte das Glück, dass Gudula mich innerhalb kürzester Zeit auf die Aufnahmeprüfung vorbereitete, um damit an der Musikhochschule angenommen zu werden – eigentlich war ich naiv. Gut so. Denn wenn ich gewusst hätte, was hinter dem Musikerinnen- und Musikerberuf steckt, hätte ich mich nicht getraut, das zu machen.“
Allerdings, so verrät sie, habe sie auch mal Klavier gespielt. „Ich hatte aber keine so direkte Verbindung zu dem Instrument wie zur Blockflöte.“ Vier Jahre lang studiert sie Instrumentalpädagogik bei Winfried Michel an der Musikhochschule in Münster und schließt mit einem Diplom in Musik ab. Doch sie möchte mehr, sich insbesondere künstlerisch auf dem Instrument entwickeln. „Amsterdam war das Mekka der Blockflöte“, sagt sie, „da haben viele bekannte Blockflötisten und -innen studiert, es gibt viele gute Musiker und Musikerinnen, und die Stadt hat eine tolle experimentelle Musikszene – das wollte ich unbedingt machen.“
2007 bewirbt sie sich daher beim Konservatorium von Amsterdam für die Blockflötenklasse und wird angenommen. Lebt fortan in Amsterdam. „In den Ferien bin ich oft nach Hause gekommen und habe den Freiraum zum Üben genutzt – bis spät in die Nacht“, sagt sie, „niemand beschwerte sich – außer vielleicht mein kleiner Bruder, wenn die Übe-Sessions mal wieder über sechs Stunden am Tag gingen.“
Musikerin aus Holzen gründet viele Ensembles
Anna Stegmann lacht. „Aber der war ja dann auch irgendwann zum Studium weg.“ Zwei Jahre lang studiert sie bei Paul Leenhouts, einem bekannten Blockflötisten und Arrangeur aus Amsterdam sowie Gründer des Ensembles „The Royal Wind Music (1997)“ und schließt mit einem Bachelor of Music ab. „Ich war gut dabei, hatte 2009 viele Ensembles gegründet und dachte: Ach, dann kann ich jetzt auch noch für einen Master bleiben.“
Mittlerweile hat sich die Flötistin ein großes Netzwerk gesponnen, viele Menschen aus der Musikbranche kennengelernt und sich ein Leben in der Metropole der Niederlande aufgebaut.
Sogar fließend Niederländisch gelernt – trotz internationalem Studium auf Englisch. Wirklich gebraucht, so sagt sie, habe die die holländische Sprache erst nach dem Studium. Als es unter anderem darum gegangen sei, Konzerte zu bewerben und in der niederländischen Musikszene anzukommen.
Genau diese Konzerte nehmen schnell Fahrt auf. Sie wird heimisch – im nur wenige Stunden entfernten Amsterdam. Tritt in Konzerten mit ihren Ensembles auf und genießt das Großstadtleben. „Die Verbindungen zu Deutschland waren ein wenig verwässert – und so blieb ich in Amsterdam“, sagt Anna Stegmann. Schon immer habe sie weg vom Land und hinein in die Großstadt gewollt.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, aber sie sehe mittlerweile auch die Vorteile des ruhigen Dorflebens in Holzen. „Die meiste Zeit der Pandemie war ich zu Hause in Holzen – da habe ich das Land und die Freiheit hier wiederentdeckt.“
Holzen ist die Oase der Musikerin
Nachdem sie lange Jahre in kleinen Wohnungen in Großstädten lebe, schätze sie Holzen heute wieder mehr. „Das ist hier meine Oase – vor allem in den letzten Jahren. Ich bin so oft es geht hier, um den Raum zu haben und wegzulaufen vor dem schnelllebigen Berufsalltag.“
Anna Stegmann verbringt ihr halbes Leben in Amsterdam und die andere Hälfte in London. Denn seit neun Jahren ist sie selbst Blockflötendozentin an der Royal Academy of Music in London. „Ich wurde damals eingeladen, ein paar Stunden zu unterrichten und habe dann später die Stelle meiner pensionierten Kollegin übernommen“, sagt sie, „ich finde es großartig, Studierende auf ihrem Weg in die Musikerkarriere zu begleiten.“
Und dennoch führt der Job dazu, dass ihr Leben noch rasanter wird. „Ich plane jetzt schon meine Tour und meine Kurse von September bis ins nächste Jahr hinein.“ Manchmal gestalte sich das wie eine kleine Rundreise durch Europa.
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„Ich kenne den Amsterdamer Flughafen leider zu gut“, sagt Anna Stegmann. „Ich würde unglaublich gerne mehr mit dem Zug fahren – es gibt ja auch den Eurostar von Amsterdam nach London. Und das dauert, man glaubt es kaum, von Tür zu Tür genauso lange wie mit dem Flugzeug. Aber es ist leider oft viel zu teuer.“
Anna Stegmann ist mit Leib und Seele Blockflötistin – ihren Beruf sieht sie als Berufung. Und dennoch sehnt sie sich ab und an nach einem Moment der Ruhe. Eine Ruhe, die sie in ihrer ganz persönlichen Oase im Elternhaus in Holzen findet.