Voßwinkel. Nicht nur Wild trägt eindrucksvolle Geweihe, auch der Hirschkäfer hat eines. Zur Zeit schwärmt er durch den Wildwald Voßwinkel. Schon gesehen?
Haben Sie schon mal einen der seltenen und eindrucksvollen Hirschkäfer mit seinem mächtigem Geweih gesehen? Auf verschiedenen Social-Media-Plattformen im Sauerland tauchen derzeit jede Menge Schnappschüsse von ihm auf. Es ist Schwarmzeit für den „Macho-Käfer“. Jetzt will ich auch einen vor die Linse bekommen und Näheres über diesen Kraftprotz erfahren, der so groß wird, dass er ausgewachsen gerade mal in eine Kinderhand passt. Auf geht’s!
Arnsberger Bürgerschützen in Feierlaune
Kaum im Wildwald Voßwinkel angekommen, richte ich meinen Blick auf die wunderschönen Seerosen im Teich und da brummt auch schon ein großes Insekt an meiner Nase vorbei. Verdammt, war das bereits ein verpasstes Fotomotiv? Völlig unaufgeregt bietet Diplom-Forstingenieurin und Wildwald-Chefin Anneli Noack mir einen Platz auf einer Holzbank an. Mit allen Sinnen die Natur genießen, die frische Luft tief ein- und ausatmen. „Möchten Sie ein Glas Wasser?“, fragt sie in der schwülen Sommerhitze.
Ich werde ruhiger und genieße die Atmosphäre, lege die Kamera zur Seite. Nach ein paar tiefen Atemzüge erzählt sie mir Wissenswertes über das kleine Tierchen, das noch immer auf der Roten Liste steht und als stark gefährdet gilt: „Der Hirschkäfer ist mit zirka neun Zentimetern der größte Käfer in Mitteleuropa. Er hat leider nur ein sehr begrenztes Dasein in diesem Stadium. Seine Lebenserwartung beträgt ungefähr drei bis acht Wochen“, erklärt mir die erfahrene Forstingenieurin.
Dabei ist er doch gerade in dieser kurzen Lebensphase besonders eindrucksvoll. Mit seinem rotbraun glänzenden Panzer und dem Geweih sieht er nahezu unverwundbar aus. Feinde hat er nur wenige, denn fast jedes Tier würde sich an seinem festen Panzer den Magen verderben. „Eulen, Fledermäuse, Dachse und andere Wirbeltiere verschmähen ihn natürlich nicht“, sagt Anneli Noack.
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In seiner kurzen Käferzeit sollte der „Platzhirsch“ schnell alles für die nachfolgenden Generationen unter Dach und Fach bringen. Sein Geweih dient also nicht nur dem Imponiergehabe. Er muss damit auch Rivalenkämpfe austragen, um ein Weibchen zu ergattern. „Der stärkere Hirschkäfer schubst den Konkurrenten vom Baum oder wirft ihn auf den Rücken“, erklärt Anneli.
Danach umwirbt das Männchen das auserkorene Weibchen. Anneli Noack erklärt , dass der Gewinner sein Geweih zudem benutzt, um sein Weibchen „zärtlich“ festzuhalten und zu begatten. „Das kann durchaus Tage dauern.“ Während dieser Zeit nährt sich das Paar vom Baumsaft alter Eichen, die Anneli mir bei einer Begehung durch den Wildwald zeigt.
Wir wandern über die Wege, die ich zwar kenne, aber die ich mit der Forstingenieurin neu erleben darf. Sensibel deutet sie auf viele Kleinigkeiten hin, die Großes für die Natur bedeuten. „Nach der Paarung werden die Eier vom Weibchen an Wurzeln oder an toten beziehungsweise abgestorbenen Bäumen abgelegt, da die Larven morsches Holz als Nahrung benötigen. Deshalb ist es auch so wichtig, Totholz im Wald zu belassen“, erklärt die Wildwald-Betriebswirtin.
Wildwald Voßwinkel
Es ist für mich eine kleine Abenteuer-Exkursion, kurz vor einem angekündigten Unwetter durch den naturbelassenen Wildwald Voßwinkel zu streunen. Anneli stapft mit festem Schuhwerk voraus und ich tänzle in leichten Sommerschuhen hinterher, um möglichst keine frischen Pflanzen zu beschädigen. Da lugt beispielsweise ein vorwitziges Eichenblatt aus der Erde. „Manche Leute denken, das sei Unkraut und ziehen die Pflanze einfach heraus. Wir werden das Heranwachsen dieses Baumes vielleicht noch erleben, aber ihn nicht mehr als stolze Eiche sehen. Doch eines Tages könnte dieser Baum viel Leben spenden“, sagt Anneli Noack nachdenklich. Aber auch Totholz könne Leben schenken, zum Beispiel für die Larven des Hirschkäfers, die eine Lebenserwartung von bis zu acht Jahren haben. Das wusste ich bislang nicht, doch mein Respekt vor Totholz und dem brummenden Hirschkäfer ist mit dieser Reportage gewachsen. Ein Besuch im Wildwald Voßwinkel lohnt sich auch ohne Kamera und Social Media, sofern man alle Sinne an Bord hat.