Neheim. Der Schulabschluss bedeutet auch für junge Migranten wenige Jahre nach ihrer Flucht den wichtigen Schritt ins Berufsleben.

Sechs Jahre ist es her, dass Amer Zidan zum ersten Mal den Fuß in die Agnes-Wenke-Sekundarschule setzte. Für ihn eine besondere Situation, denn es war auch der erste Schritt ins deutsche Schulsystem.

Lesen Sie auch <<<Bewegender Abschied von der Abschlussklasse der Grimmeschule>>>

Amer kommt 2016 gemeinsam mit einer jüngeren und einer älteren Schwester sowie seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland – und landet, wie viele junge Menschen, in einem fremden Schulsystem, geprägt durch eine fremde Sprache. Und zuletzt auch geprägt von einer kulturellen Lebensweise, die er so nicht kannte. Für ihn beginnt eine schwierige Zeit.

Während seine ältere Schwester seinerzeit viel über ihre Heimat nachdenkt und auch über den dortigen Bürgerkrieg, scheint es ihm und seiner kleineren Schwester leichter zu fallen, die neue Situation zu akzeptieren. Durch seine lockere und humorvolle Art findet er schnell Freunde. Allerdings muss er sich zunächst an die Situation gewöhnen, mit seinen damals 12 Jahren gut ein bis zwei Jahre älter zu sein als seine Mitschülerinnen und Mitschüler.

„In Syrien wäre ich in der siebten Klasse gewesen“, sagt er, „weil ich noch kein Deutsch sprechen konnte, musste ich sozusagen nochmal in der fünften Klasse anfangen.“ Gerade beim Deutschlernen jedoch tut er sich schwer. Es dauert seine Zeit, bis er sich bewusst darüber wird, wie wichtig das Deutschlernen ist, gleichzeitig aber auch, wie schwer.

„Ich habe zwei Jahre kein Deutsch gesprochen“, sagt Amer, „irgendwann habe ich mir dann gesagt, dass ich es endlich probieren muss. Ich war schüchtern.“ Ab dem dritten Jahr, also in der siebten Klasse, realisiert er, dass er und seine Familie in Deutschland bleiben müssen – und dass es „hier ganz gut ist.“ Erst jetzt beginnt er, das Deutschlernen ernstzunehmen.

Menschlichkeit ist dem jungen Mann aus Neheim wichtig

Seit der neunten Klasse ist Amer Teil der sozialen Arbeitsgemeinschaft, die sich immer donnerstags mit älteren Menschen trifft, um mit diesen Zeit zu verbringen. Und auch, wenn er nach wie vor ein „wildes Kerlchen“ ist, scheint er in diesen Momenten genau zu wissen, worum es geht. So erzählt seine Lehrerin Susanne Stegmann, dass für die Damen und Herren die Sonne aufginge, betrete Amer den Raum.

Umso treffender, dass er schon bald ein Teil des Teams dort sein wird. „Ich werde Pflegefachkraft in einem Altenheim“, sagt er stolz, „ich möchte Menschen helfen.“ Seine Eltern, Rana Darkal und Mazen Zidan, finden Amers Entscheidung gut. „Für mich ist wichtig, dass er das, was er tut, liebt. Dann kann man in jedem Bereich gut sein“, so der syrische Arzt. Er selbst scheitere an der Deutschen Sprache und absolviere aktuell einen Online-Fachdeutschkurs für den medizinischen Bereich.

Auch interessant <<<Neheimer Jugendliche haben Lust auf politische Mitbestimmung>>>

„So kann ich Amer bei schwierigen Begriffen helfen“, sagt er, „und in einem halben Jahr kann er dann mir helfen.“ Mazen Zidan grinst. Für die gesamte Familie beginnt nun eine spannende Zeit, denn als einer von 91 Schulabsolventen an der AWS hält Amer nun sein Abschlusszeugnis in der Hand und startet in den neuen Lebensabschnitt.

Das haben weitere Schülerinnen der Agnes-Wenke-Sekundarschule Neheim geplant

Zehn Jahre Schule liegen hinter den Schülerinnen und Schülern, die in diesen Momenten ihre Abschlusszeugnisse in den Händen halten. Was sie für ihren neuen Lebensabschnitt geplant haben, wohin es sie verschlägt oder wovon sie beruflich träumen, erzählen sie hier:

Hala Altroudi Azzam, AWS. 
Hala Altroudi Azzam, AWS.  © Thora Meißner

„Ich möchte Fachabitur (Erziehung) machen und gehe dafür ins Jahrespraktikum in einem Kindergarten“

Hala Altroudi Azzam, Agnes-Wenke-Sekundarschule

Klara Komorowski, AWS. 
Klara Komorowski, AWS.  © Thora Meißner

„Ich mache jetzt das Vollabitur im Bildungsgang BWL auf dem Wirtschaftsgymnasium am Berliner Platz. Ich hoffe jetzt erstmal, dass das klappt und dann schaue ich weiter.“

Klara Komorowski, Agnes-Wenke-Sekundarschule