Arnsberg. Die Parteien benötigen eine Frischzellenkur. Nun soll der Nachwuchs für die Kommunalpolitik gewonnen werden.
Der Arnsberger Rat soll jünger werden. Nicht nur an weiblichem Nachwuchs fehle es, generell gehörten Entscheiderinnen und Entscheider in Arnsberg eher der älteren Generation an. Mit diesem Thema beschäftigen sich die örtlichen Parteien seit längerem, die einen mit mehr, die anderen mit mäßigerem Erfolg. Wir befragten drei junge Lokalpolitikerinnen und -politiker nach ihren Motiven und warum sie für ihre Stadt „brennen“.
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Anna Lena Brandt ist Mitte dreißig und fühlt sich zu Hause, „wenn ich die Kirchturmspitze unseres Sauerländer Doms sehe. Das war bei meinem Opa schon so und ich habe das wohl geerbt.“ Für sie schien es ein logischer Schluss zu sein, für den Stadtrat zu kandidieren. „Da ich schon immer gerne das Leben in meiner Stadt aktiv mitgestalten wollte, bin ich schon lange in verschiedenen Ehrenämtern aktiv, zum Beispiel im Sport, aber auch in meiner Partei, der SPD. Als Ratsmitglied erhält man allerdings die Möglichkeit, Verantwortung für unsere Stadt und die Bürgerinnen und Bürger zu übernehmen, wie in keinem anderen Ehrenamt. Man darf die wesentlichen Entscheidungen in der Stadt mit treffen. Das macht unheimlich Spaß und ist nach wie vor eine ganz tolle Aufgabe.“
Sie denkt nicht, dass sich junge Leute nur wenig für die Entwicklung Arnsbergs interessieren. „Ob in Sportvereinen, Musikvereinen oder Jugendtreffs, überall trifft man junge Leute, die sehr wohl interessiert sind, was in ihrem Umfeld, in ihrer Stadt passiert. Was ich allerdings auch immer wieder feststelle, ist, dass junge Menschen nicht gerne in so starren Strukturen arbeiten wollen, wie wir das in der Politik beispielsweise oftmals tun. Sie wollen oft lieber projektbezogen arbeiten und somit schnell zu guten Lösungen kommen. Viele wollen ganz konkrete Projekte umsetzen und deren Auswirkungen unmittelbar erleben. Übrigens eine Arbeitsweise, die mir persönlich auch sehr sympathisch ist.“
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Auf die Frage, wie man mehr weiblichen Nachwuchs für den Stadtrat begeistern könnte, hat auch Anna Lena Brandt kein Patentrezept. „Ich sehe hier ganz klar ein strukturelles, gesellschaftliches Problem. Nach wie vor übernehmen Frauen den Löwenanteil der Care-Arbeit. Sei es die Betreuung der Kinder oder die Pflege von Angehörigen. Dass viele Frauen dann nicht noch ein solches Ehrenamt annehmen wollen, halte ich für sehr verständlich. Dieses Problem werden wir auch nicht kurzfristig lösen. Ich glaube, über direkte Ansprache und mit viel Unterstützung aus den eigenen Reihen, kann man hier einiges bewegen. Auch Programme, wie das der Stadt Arnsberg, „Frauen.Macht.Politik“, tragen erste Früchte und haben uns tolle Kontakte gebracht. Hier ist aber definitiv noch auf allen Ebenen sehr viel zu tun“, sagt sie. Für Familie, Freunde und andere Hobbys bliebe dennoch Zeit genug. Man müsse sich die Zeit, ihrer Meinung nach, nur gut einplanen, gerade in den Sitzungswochen. „Wichtig ist dennoch die Unterstützung und das Verständnis von Familie und Freunden. Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre für mich solch ein verantwortungsvolles Ehrenamt undenkbar. Ich bin dankbar, dass meine Familie mir den Rücken bei sämtlichen Terminen und Entscheidungen stets frei hält.“
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Florian Bordieck (FDP) ist 36 Jahre jung und seit dem Teenager-Alter ehrenamtlich engagiert. „Erst als Fußballtrainer, dann als Geschäftsführer der Fußballjugend und jetzt in der Politik. Für mich persönlich ist es wichtig, der Stadtgesellschaft etwas zu geben. Gespräche zu führen, was am besten für unsere Stadt ist, gibt mir viele verschiedene Eindrücke und Ideen, aber auch persönliche Energie und Motivation. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sind sehr unterschiedlich, müssen respektiert und berücksichtigt werden, das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Jegliche Entscheidung ist nicht passend für alle Menschen. Das ist klar. Hier ist es wichtig, den größtmöglichen Konsens zu finden.“
Er glaubt ebenfalls nicht, dass es zu wenig junge Leute gibt, die sich für die Lokalpolitik interessieren, allerdings sei das wohl eher nach der Schule, Ausbildung oder Studium der Fall. „Eine Legislatur in der Kommunalpolitik dauert fünf Jahre. Sich über diese lange Zeit an einen Ort zu binden muss eine bewusste Entscheidung sein. Denn die Aufgabe und Verantwortung sollte mit Herzblut ausgeführt werden. Das braucht eine Menge (Frei-)Zeit.“ Umso wichtiger sei es, mit jungen Menschen zu sprechen und die Wünsche und Ängste zu kennen, „damit auch nach dem Studium Arnsberg eine attraktive Heimat ist“, sagt er. Frauen sollten, seiner Meinung nach, nicht durch den „Zwang der Quote“ gewonnen werden. „Das kann nicht erzwungen werden, sondern jede Partei muss sich die Frage stellen, was sie möchte und leisten kann.“
So nebenbei könne man ein Ratsmandat nicht erfüllen. Dieses Ehrenamt sei sehr zeitintensiv. „Ich persönlich stecke viel Zeit in das Ehrenamt, setze mich vorab gründlich mit den Vorlagen auseinander, führe Gespräche über Themen, eigne mir zusätzliches Wissen an, mache mir Ideen über neue Umsetzungen und versuche alle Termine, die auf einen zukommen, neben meinem Vollzeitjob zu vereinbaren.“ Problematisch seien für ihn Termine, die vor 17 Uhr lägen und damit in seine Arbeitszeit fielen.
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„Es ist übrigens ganz wichtig, einen Ausgleich zu haben. Vom Bürojob zu den Sitzungen bewege ich mich sehr wenig. Daher ist ein Verlangen nach Bewegung da. Ich nehme mir die Zeit für Sport. Es ist ein fester Bestandteil in meinem Kalender, für die mentale und physische Gesundheit sehr wichtig. Beim Joggen an der Ruhr oder auf dem Crosstrainer im Fitnessstudio sind mir schon die eine oder andere Idee für unsere Stadt gekommen. Sport und Politik kann sogar verbunden werden. Zum Glück hat mein Verlobter ebenfalls seine Verpflichtungen im Job und bei der Theaterpädagogik und wartet nicht jeden Abend auf mich. Das ergänzt sich gut, aber wir nehmen uns auch bewusst Zeit für einander.“
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Chantal Krengel (35) meint, dass man als Mitglied im Rat die Geschicke der Stadt am ehesten mitgestalten könnte. Ihre Partei ist die CDU. Sie sieht es als Herausforderung an, junge Leute für die Lokalpolitik zu begeistern. „Hierbei sind Verbindlichkeit und vor allem Ausdauer gute Begleiter. Veränderungen und Entwicklung entstehen selten von jetzt auf gleich. Man braucht also oft einen langen Atem, bis Ziele erreicht sind.“ Ebenfalls eine Herausforderung sei die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt. „Aber machbar“, sagt sie. „Ich bin verheiratet, seit kurzem Mutter und arbeite in Vollzeit. Da muss man gut planen, damit alles passt. Mein Mann hält mir den Rücken frei, wo es nur geht. Und wenn es mal nicht passt, kommt die Kleine einfach mit zu den Sitzungen. Das ist überhaupt kein Problem. Trotzdem denke ich, dass dieser Umstand viele Frauen davon abhält, sich politisch zu engagieren. Politik ist zudem oftmals noch als ‘Männersache’ verschrien, was völliger Quatsch ist. Frauen sind in der Regel so viel politischer als Männer, in jeglichen Bereichen des täglichen Lebens. Ich halte nichts von der Frauenquote. Stattdessen sage ich, wann immer ich Frauen begegne, die leise Interesse an Politik äußern: Kommt wenigstens mal vorbei und schaut es euch an. Niemand schickt euch weg. Und wenn ihr erst mal da seid, dann findet ihr sicher Gründe, warum ihr bleiben solltet.“