Herdringen. Lockeres, authentisches Lachen; die Beine quer daher - das ist die Regisseurin Bärbel Kandziora auf der Freilichtbühne Herdringen im Interview.

„Darf ich das?“, fragt Regisseurin Bärbel Kandziora, als sie ihre Beine schwungvoll auf den Holztisch vor Alm-Öhis Hütte wirft. Locker und authentisch lächelt sie in die Kamera. „Alles ist erlaubt.“

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Die 58-Jährige hat sichtlich Spaß. Und das nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Regiebank. Im Interview spricht sie über ihren Traumberuf, Kreativität und natürlich das Stück „Heidi“, das am Samstagnachmittag erstmals aufgeführt wird.

Wie kommt eine Regisseurin aus Hessen an die Freilichtbühne im beschaulichen Herdringen?

Ich führe seit 2015 unter anderem Regie auf der Freilichtbühne Hallenberg. Und da diese ganz gut mit der Freilichtbühne Herdringen befreundet ist, kam der Kontakt hierher zustande. 2021, also während Corona, hatten sich viele Bühnen darauf geeinigt, nur kleine Stücke aufzuführen – d.h. mit nur wenigen Leuten. Kein großes Ensemble. Die Herdringer haben dann statt zwei großer einfach drei kleine Stücke eingeplant und mich für zwei Regieführungen angefragt.

Sind Sie hauptberufliche Regisseurin?

Halb. Drehbuchschreiben und Regie bilden die größere Hälfte meines Berufslebens. Auf der anderen Seite gebe ich unter anderem Bildungsurlaube, beispielsweise zum Thema „Mit Humor Stress und Burnout begegnen“ – da sind dann auch Theaterübungen dabei oder z.B. Lachyoga. Und ich unterrichte Kinderzirkus, Schauspiel oder organisiere internationale EU-Theaterprojekte.

Also haben Sie Theaterpädagogik oder Ähnliches studiert?

Ja, ich bin Diplom-Sportlehrerin. Ich habe damals in Köln Sport studiert und als Hauptfach Spiel/Musik/Tanz /Bewegungstheater gewählt. Das ist schon sehr lange her. Seitdem spiele ich auch selbst auf der Bühne - sowohl in akrobatischen Shows als auch im Theater. Jetzt bin ich aber nicht mehr unbedingt akrobatisch unterwegs. (lacht) Regie auf einer Freilichtbühne habe ich dann erstmals 2015 in Hallenberg geführt.

Drehbücher schreiben Sie, wie Sie eben erwähnten, auch selbst?

Genau. Letztes Jahr habe ich z.B. Cinderella geschrieben und auch inszeniert. Beides ist immer eine Menge Arbeit. Wie lange ich für ein Textbuch brauche, kann ich gar nicht genau sagen. Auch, weil ich mit Unterbrechungen schreibe. Wegen der Bildungsurlaube und den anderen Projekten. Wenn ich schreibe, geistern mir, genau wie beim Regie führen, ständig viele Dinge aus den Stücken im Kopf herum. Welche Figur macht welche Aktion? Wer geht wann wohin? Wie lässt sich eine Idee in einer Szene umsetzen? Da ist es meine Aufgabe, Bilder zu entwickeln – und die entstehen bei mir vor meinem inneren Auge. Ich sehe die Szenen sozusagen in meinem Kopf.

Sie drehen also in Ihrem Kopf die jeweilige Szene bereits vor? Oder wie kann man sich das vorstellen?

Ja, so in etwa. Ein Beispiel: In der Corona-Zeit durften zu Beginn der Probenzeit immer nur zwei Personen gleichzeitig auf der Bühne stehen. Es gab eine große Szene mit vielen Leuten, die wir erst kurz vor der Premiere proben durften. Die Zeit war knapp und da habe ich mich halt vorher hingesetzt und sehr genau überlegt, wer genau wo-wie-was machen wird. Und als wir diese Szene dann endlich proben konnten, sagte ich zu den Beteiligten: „Dann geht mal alle auf eure Plätze“. Und sie sagten: „Welche Plätze?“ Und ich sagte: „Ja, da, wo wir gesagt hatten – wir haben das ja schon geprobt.“ Nein – hatten wir nicht. Aber ich war fest davon überzeugt. Ich hatte die Szene schon fertig in meinem Kopf gesehen. (lacht)

Ob beim Drehbuchschreiben oder in der Regie auf der Bühne – Sie müssen schon ein sehr kreativer Mensch sein. Wie halten Sie sich dafür den Kopf frei?

Ja, ein freier Kopf ist da sehr wichtig. Ich kann nicht sagen, dass ich von 9 bis 12 Uhr schreibe, eine Pause einlege und dann weitermache. Das funktioniert nicht. Manchmal sitze ich da und mir fällt nichts ein. Dann gehe ich spazieren und plötzlich schießt mir eine Idee in den Kopf. Zum Glück gibt es Handys, ich spreche dann direkt ein Memo. (lacht) Wenn die Szenenidee steht, ist sie oft auch in kurzer Zeit geschrieben. Yoga hilft mir auch zum Entspannen. Und Kreativtechniken beim Schreiben.

Das Drehbuch zu „Heidi“ haben Sie aber nicht selbst geschrieben, oder?

Nein. Der Drehbuchautor ist Claus Martin. Toll geschrieben. Ich habe allerdings, der Aktualität halber, einen kurzen Dialog hinzugeschrieben. In der Stadtszene habe ich eine Begegnung mit geflüchteten Menschen eingebaut.

Was ist das Besondere an dem Stück? Außer Ihre eigens hinzugeschriebene Szene?

Das Thema Heimat zieht sich komplett durch das gesamte Stück. Es ist schön, einmal darüber nachzudenken: Was heißt denn Heimat oder zu Hause eigentlich für mich? Was bedeutet das für mich? Wie viel Halt gibt mir das oder wie viel Sehnsucht habe ich danach? Und wie beeinflusst das mein Leben, wenn ich mal nicht in meiner Heimat bin – oder andersherum gar nicht mehr rauskomme. Natürlich ist das Stück „Heidi“ für Familien geschrieben. Locker und fröhlich, mit Witz und toller Musik. Enthält also keine tiefgründig schwierige Message, sondern wird Groß und Klein unterhalten und zum Lachen bringen, aber auch zum Weinen, und ich hoffe auch ein bisschen zum Nachdenken. Auch der Bühnenaufbau ist etwas Besonderes. Das Bühnenbild für „Heidi“ war komplizierter als die anderen. Denn in den Berg mit den Wiesen wurde eine Drehbühne eingebaut – auf der anderen Seite ist die Hütte des Alm-Öhis. Das war nicht einfach – und ist super gelungen.

Dürfen wir uns im kommenden Jahr auch wieder auf Sie als Regisseurin freuen?

Das steht noch nicht fest. Die Verhandlungen laufen noch. (lacht)

Auf jeden Fall gilt für mich: Nach der Premiere ist vor der Premiere. Ich fange dann direkt mit der Arbeit fürs kommende Jahr an.

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Und trotzdem sind Sie mit Freude dabei. Woher nehmen Sie diesen Elan?

Ich fahre mit Spaß zur Arbeit und teilweise empfinde ich es gar nicht wirklich als Arbeit. Das liegt natürlich auch an der tollen Atmosphäre, die hier an der Freilichtbühne herrscht. Es ist einfach schön zu sehen, wie hier so viele Menschen, ob jung, ob alt, mit so viel Engagement und Freude dabei sind. Manchmal ist Regie machen für mich hier wie ein Spiel, das ich den ganzen Tag spielen darf. Wobei natürlich auch viel „echte“ Arbeit dahintersteckt. Organisation – zum Beispiel Probepläne schreiben. Ich kann nicht behaupten, dass ich das gar nicht gerne machen würde, aber es erfordert echt viele Stunden am Computer. Insgesamt ist einfach sehr viel Vergnügen dabei. Das ist mein Leben.