Neheim. An Weihnachten strömen Menschen in die Kirche, die sonst nie dort hingehen. Gründe für dieses Phänomen finden Sie
Es sind schon Gegensätze, die man in vielen Gemeinden beobachten kann. Ein stinknormaler Sonntag im Oktober, und an der Messe in einer x-beliebigen Kirche der Region nimmt in der Regel nur noch eine Handvoll Menschen teil. Heiligabend sieht das oftmals dagegen ganz anders aus. Die Leute strömen in das Gotteshaus, und es ist so voll, dass etliche von ihnen sogar während der gesamten Messe stehen müssen, weil alle Sitzplätze besetzt sind. Entdecken die Menschen nur an Weihnachten ihre Frömmigkeit, oder was steckt dahinter?
Ein Impuls wird ausgelöst
Wir haben mit dem Vikar der Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist Neheim und Voßwinkel, Florian Reddeker, über genau dieses Phänomen gesprochen. „Weihnachten ist ein Fest, dass noch immer bei vielen Menschen den Impuls auslöst, zur Kirche zu gehen. Da wären zum einen die Krippenspiele, an denen oftmals Familien mit Kindern teilnehmen, zum anderen sind das die Christmetten. Ich finde das zunächst einmal grundsätzlich gut, dass viele Menschen an Heiligabend oder den Weihnachtstagen den Drang verspüren, Teil dieser Gottesdienste zu sein.“
Reddeker findet, dass die „Weihnachtsgeschichte noch immer begeistert“ und die Sehnsucht nach Geborgenheit, Familie und dem gemeinsamen Feiern bei den Christen groß sei. Mit dem oftmals spöttisch verwendeten Begriff „U-Boot-Christen“ für diejenigen, die sich nur einmal im Jahr an Weihnachten in der Kirche blicken lassen, kann der Vikar nichts anfangen. „Sie sind alle Christen, sonst würden sie nicht kommen!“ Florian Reddeker hat auch beobachtet, dass die Menschen in der Christmette zudem gerne bereit wären, etwas länger zu warten, „schließlich dauert diese deutlich länger als so manche Messe unter der Woche.“
Das könnte Sie auch interessieren>>>
Für die meisten Besucher der Weihnachtsmessen und Krippenfeiern stünde das Gottesdiensterlebnis im Mittelpunkt. An ein Erscheinen nur aus reinem Pflichtgefühl glaubt er nicht. „Dafür gibt es zu viele Alternativen. Man kann ja auch in den heimischen vier Wänden bleiben und dort mit der Familie feiern“, sagt Reddeker.
Er selbst bereitet sich etwas umfangreicher auf die Messen vor, die er an Heiligabend und den beiden Weihnachtstagen feiert. „Ich habe etwas mehr Zeit für die Predigt und nehme darin nicht bloß Bezug auf theologische Themen. Ich schaue eher auf Bezugspunkte in der Gesellschaft und der Weltpolitik. Das Thema Frieden spielt im Hinblick auf das Geschehen in der Ukraine eine andere Rolle dieses Jahr.“
Sorgfältige Planung
Damit das Weihnachtsfest nicht in Stress ausartet, plant er den Ablauf der Messen sorgfältig, schließlich ist er Heiligabend in St. Michael, am 1. Weihnachtsfeiertag in St. Elisabeth und im Sauerländer Dom sowie am 2. Weihnachtstag in St. Urbanus im Einsatz. „Ich komme dann nach diesen Tagen zur Ruhe und feiere das Weihnachtsfest, das ja offiziell noch bis zur Taufe des Herrn im Januar geht. Im Bewusstsein der Menschen hat sich dieser Zeitraum ja verschoben. Für viele ist die Adventszeit die Weihnachtszeit geworden, mit dem Höhepunkt vom 24. bis 26. Dezember“, so der Vikar.
Eine Übersicht aller Krippenfeiern und Christmetten in Ihrem Ort>>>
„Wir sind als Kirche im Grunde Experten für das Feiern, da wir die Gottesdienste als Feste begreifen. Und daraus lässt sich auch viel für die restliche Zeit des Jahres ableiten. Die Freude, die man an Weihnachten empfindet, kann man versuchen in den Alltag zu transportieren.“ Dass dieses Hochgefühl allerdings nicht jeden Tag anhalte, sei aus Sicht von Florian Reddeker normal. „Es gilt, auch in schwierigen Zeiten die Treue zu zeigen und auch mal nicht so schöne Zeiten auszuhalten, bevor man dann wieder ein Freudenfest erlebt.“