Oeventrop. Lilli Grönegreß, Narrelogin der Vereinigten Staaten, feierte am gestrigen Samstag ihren 99. Geburtstag. Wie sie lebte und was sie erlebte ...
Das Haus von Lilli Grönegreß ist eines von vielen in ihrer Siedlung, welches im 60er-Jahre-Baustil am Berg steht. Von außen ist es sauber und gepflegt, und auch innen hat alles seinen Platz. Mittlerweile hat Lilli Grönegreß seit über zehn Jahren Mieter im Dachgeschoss – und im Erdgeschoss lebt sie auf 100 Quadratmetern allein, nachdem ihr Mann vor zwanzig Jahren verstarb.
Sie kocht und putzt, sorgt dafür, dass es immer ordentlich ist und dass sie immer eine Kleinigkeit hat, die sie auf den Tisch stellen kann, wenn Besuch kommt. Auch ihren Garten, vorn wie hinten, versorgt sie noch selbst.
Die Liebe zog sie nach Oeventrop
All das klingt erstmal nicht nach einer nennenswerten Errungenschaft – ist es aber! Denn Lilli Grönegreß wurde gestern, am 19. November, 99 Jahre alt. Sie ist ein echtes Sauerländer Original, in Meschede geboren und für die Liebe nach Oeventrop gezogen.
Nach der Heirat 1946 hat sie erst am Bahnhof in Oeventrop bei ihren Schwiegereltern in einer Wohnung gewohnt, in den 1960ern haben sie und ihr Mann dann das Haus im Birkenweg gebaut. Seitdem lebt sie dort – und ihre stilvoll eingerichtete Wohnung erzählt die Geschichte eines Lebens voller Liebe, voller Lachen und voller Freude.
Bekennende Narrelogin
Eine Urkunde im Flur von 1983, handgeschrieben, ehrt sie als „Narrelogin der Vereinigten Staaten“ – das sind Oeventrop, Dinschede und Glösingen. Denn 32 Jahre lang stand Lilli auf der Bühne des lokalen Frauenkarnevals und hat jeden einzelnen Sketch für die Bühne selbst ausgedacht, geschrieben und vorgetragen – und auch die Kostüme selbst gemacht. Ihre Inspiration: die Leute im Dorf.
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„700 Frauleute standen auf den, das war ganz schlimm“, erinnert sie sich lachend, und fängt wie selbstverständlich an, eines ihrer Gedichte aufzusagen:
„Dinschede, herrliches Fleckchen Land! Als Gott sprach, es werde Licht, da hat er sein‘ Blick auf Dinschede gericht‘. Und als er sagte „Es werde“, entstand dies‘ schöne Stückchen Erde. Dinschede, herrliches Fleckchen Land, beginnst unten am Ruhresstrand , ziehst dich hinauf zu den waldigen Höh’n … Ach Dinschede, wie bist du schön!“
Auswendig lernen, das war immer schon ihre große Stärke. „Ich bin nie mit einem Zettel auf die Bühne gegangen.“
22 Pfund Spritzgebäck zu Weihnachten
Und auch für Rezepte braucht sie kein Buch. „Sie weiß noch jedes Kuchenrezept auswendig“, verrät Erika Kraus, die Frau von Lillis Enkel. „Und sie backt einfach die beste Torte!“ Ganz ohne Rezeptbuch natürlich, die Rezepte hat sie im Kopf.
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Generell backt Lilli gerne, jetzt, wo Weihnachten ins Haus steht, besonders viel Spritzgebäck. „22 Pfund jedes Jahr - da wartet die ganze Familie nur drauf!“, verrät sie mit einem Augenzwinkern. Das hat sie immer schon gern gemacht, anderen Leuten eine Freude. Obwohl sie nur eine Tochter hat, war ihr Haus immer voll: „Alle Nachbarskinder waren immer bei mir. Und ich hab ihnen immer gekocht, was sie am Liebsten essen wollten – Pfannkuchen oder Reibeplätzchen waren besonders beliebt …“
Sie hat als Wochenpflegerin gearbeitet und wurde dann durch Zufall Teil des Teams des A & O-Geschäfts Susewind – ihrer Freundin gehörte der Laden, und sie brauchte während einer Schwangerschaft Hilfe. 27 Jahre lang blieb sie bis zur Rente Teil davon – und war an der Wurst- und Käsetheke der „reinste Beichtstuhl“, mit ihr unterhielten sich die Leute immer gern. Auch heute noch: zwei Freundinnen besuchen sie, jede jeweils einen Tag in der Woche. Eine der Freundinnen hat mittlerweile Demenz, und wenn die Dame unruhig wird, dann spielen sie zusammen „Mensch Ärgere Dich Nicht“.
Topfit mit 99 Jahren
Sie ist mit 99 Jahren noch topfit, und dankbar dafür – aber 100 will sie eigentlich nicht werden. Trotzdem stehen schon die Planungen für die große Feier fest, die im nächsten Jahr auf einen Sonntag fällt: in der Oeventroper Schützenhalle soll gefeiert werden, mit großen Gulaschkanonen und Brot. Und dann wird den ganzen Tag gefeiert – mit dem ganzen Dorf, schließlich kennen gefühlt alle Bewohnerinnen und Bewohner Lilli Grönegreß!
Außerdem hat sie noch eine ganze Menge vor. „Ich will noch meine Schränke ausräumen“, verrät Lilli, „Da hat sich so viel angesammelt!“ Und ihre Familie soll nicht so viel zum Ausmisten haben, wenn sie mal nicht mehr ist. Erika Kraus weiß genau, woher der Gedanke kommt: „Sie macht gern noch alles alleine und will keine Last für andere sein. Sie hat jetzt erst alle Gardinen im Haus selbst abgenommen, gewaschen und wieder aufgehängt, weil ja ihr Geburtstag ansteht.“
Lillis Tipp fürs Altwerden ist: fröhlich sein, zufrieden sein und immer am Machen bleiben. Und gleichzeitig auch bescheiden sein: „Entweder man hat’s, oder man hat’s nicht“, sagt sie sowohl über ihren Humor, als auch über ihre Backkünste. Doch Erika Kraus sieht das ganz anders: „Lilli ist einfach eine großartige Frau, mein großes Vorbild. Was sie alles erlebt hat, und trotzdem steht sie noch voll im Leben. Einfach klasse!“