Arnsberg. Jörg Freitag leitet die Stadtwerke Arnsberg übergangsweise in einer herausfordernden Zeit.
Noch ist vieles neu. Seit wenigen Wochen ist Jörg Freitag der neue Geschäftsführer der Stadtwerke Arnsberg. Übergangsweise soll der 61-Jährige nach dem Weggang von Ulrich K. Butterschlot zu den Stadtwerken Warendorf die Geschicke des kommunalen Versorgungsunternehmens leiten. Als langjähriges Mitglied des Verwaltungsvorstands und Rechtsamtsleiter der Stadt Arnsberg kennt er die Stadtwerke. Nun sitzt er „auf der anderen Seite“. Mit Jörg Freitag sprach unsere Zeitung über die großen Herausforderungen seiner Arbeit.
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In welchem wirtschaftlichen Zustand übernehmen Sie die Geschäfte der Stadtwerke?
Jörg Freitag: Die Stadtwerke Arnsberg sind solide. Dafür sorgt ein breites Aufgabenspektrum von der Daseinsvorsorge über Dienstleistungen für die Stadt bis zu Energiedienstleistungen für die Arnsberger Bürgerinnen und Bürger, die im freien Wettbewerb stattfinden. Aufgrund der städtischen Haushaltssituation wurden seit jeher alle Gewinne an die Stadt abgeführt. Dadurch besteht keine Möglichkeit, zusätzliches Eigenkapital im Unternehmen zu binden.
Zur Person: Jörg Freitag
Der Warsteiner Jörg Freitag – er ist gebürtiger Lünener und lebt in Sichtigvor – ist seit Beginn dieses Monats Geschäftsführer der Stadtwerke Arnsberg.
Der 61-Jährige hat Rechtswissenschaften in Gießen und Münster studiert.
Zuvor hatte er seit 1992 bei der Stadt Arnsberg gearbeitet. Zunächst als stellvertretender Leiter und bis zuletzt als Leiter des Rechtsamtes der Stadt.
Zwischenzeitlich war er auch eine Zeit lang Leiter des Bürgermeister-Amtes.
Seit dem Jahr 2008 arbeitete er zudem im städtischen Beteiligungsmanagement, war für Compliance-Fragen zuständig und war Mitglied des Verwaltungsvorstandes und Verhinderungsvertreter des Bürgermeisters, wenn auch der Kämmerer ausgefallen wäre.
Ulrich Butterschlot hatte nach ambitionierten Projekten seines Vorgängers auch den Auftrag bekommen, etwas „konservativere“ Geschäftsstrategien zu fahren und so auch Bilanzen in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Ist das gelungen?
In 2018 verbuchten die Stadtwerke noch einen Verlust in Höhe von rund 1,420 Millionen Euro. Bereits 2019 wurden wieder Gewinne erwirtschaftet, die aber durch Bildung von Rückstellungen zu einem Verlust von rund 475.000 Euro wurden. Auch das Ergebnis 2020 hätte mit einem Gewinn abgeschlossen werden können. Durch die Bildung von Drohverlustrückstellungen kam es aber noch zu einem geringen Minus in Höhe von 27.000 Euro. Für das Geschäftsjahr 2021 gehen wir momentan von einem Gewinn vor Steuern in Höhe von zirka 800.000 Euro aus. Der Abschluss befindet sich noch in der Prüfung. Trotz der widrigen Umstände im Geschäftsjahr 2022, Ukrainekrieg und den damit einhergehenden Preissteigerungen, Lieferengpässen bei Material, gehen wir davon aus, das geplante Ergebnis von rund 200.000 Euro zu erreichen. Die Strategie wurde abgepasst. Der Stadtwerke Campus ist natürlich ein Eye-Catcher und hier machen auch weiterhin öffentliche Veranstaltungen Sinn. Wir gehen da aber kein Risiko mehr ein.
Was ist aktuell der erfolgreichste Geschäftszweig der Stadtwerke?
Neben den Geschäftsfeldern Geschäftsbesorgung für die Stadt und Beschaffung ist monetär gesehen der Bereich der Wasserversorgung am erfolgreichsten.
Welche Rolle spielten die Stadtwerke zuletzt beim Ausbau der regenerativen Energien? Welche großen Projekte sind geplant?
Seit 2017 fokussieren sich die Stadtwerke Arnsberg zunehmend auf den Ausbau regenerativer Energien und die Versorgung mit regenerativ erzeugtem Strom. Als erster und bisher einziger Energieversorger im HSK initiierten die Stadtwerke Arnsberg im Jahr 2018 das Strommodul „Regionalstrom“ zur Versorgung mit regional erzeugtem und regenerativem Strom. Im gleichen Jahr wurde das Themenfeld Photovoltaik und „Energiedach“ konsequent aufgenommen. Die Stadtwerke bauen und verpachten seither Photovoltaikanlagen auf „fremden“ Dächer im Bereich Wohnen und Industrie sowie in der Freifläche - auch zur Eigenversorgung. Zunehmend werden Stromabnahmeverträge und Kooperationen mit Erzeugergemeinschaften, wie zum Beispiel auch die Beteiligung an Windparkprojekten, gesucht, generiert und mit Hochdruck vorangetrieben, um die dezentrale erneuerbare Stromversorgung in der Region voran zu bringen. „Wärmeseitig“ sind verschiedene Quartierslösungen in Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern in der Prüfung. Insgesamt verzeichnet dieser Geschäftsbereich aufgrund der großen Nachfrage eine sehr starke Ausweitung.
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Die Stadtwerke Arnsberg sind im Kern auf Trinkwasserversorgung und Abwasser (sowie Parkbewirtschaftung) konzentriert. Im Vertrieb von Strom und Gas sind die Stadtwerke dennoch seit einigen Jahren aktiv beteiligt (Stadtwerke Arnsberg Vertriebs und Energiedienstleistungs GmbH). Welche Probleme bringen hohe Beschaffungspreise für die Stadtwerke und ihre Kunden?
Aufgrund der extremen Schwankungen des Preisniveaus an den Gas- und Strom-Märkten birgt die Beschaffung deutlich erhöhte Risiken. Zeitweise setzte sogar für kurze Zeit der Handel aus. Sowohl für die Stadtwerke als auch für die Kunden ist es sehr herausfordernd, mit den extremen Preisen umzugehen. Die Anforderungen an den Kundenservice steigen dadurch deutlich. Die dramatisch gestiegenen Preise drohen in erheblichem Ausmaß, die finanzielle Leistungsfähigkeit privater Haushalte und Unternehmen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette zu überfordern. Die Expertenkommission der Bundesregierung hat dazu ein zweistufiges Entlastungsprogramm mit einer Einmalzahlung im Dezember 2022 und einer Gas- und Wärmepreisbremse ab März 2023 vorgestellt. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die erhoffte schnelle Entlastungswirkung greift. Dies hängt unter anderem auch von der Ausdifferenzierung und Zielgenauigkeit der noch im Detail zu erwartenden Regelungen ab. Wichtig ist, dass dies jetzt mit Augenmaß pragmatisch umgesetzt wird, worüber wir die Kunden umgehend informieren werden.
Ende des Jahres gab es einen Neukunden-Stopp für Gas und Strom bei den Stadtwerken. Wurde dieser zwischenzeitlich aufgehoben oder aufgrund der schwierigen Beschaffungslage seit Beginn des Ukraine-Krieges aufrechterhalten?
Leider können wir nach wie vor grundsätzlich keine neuen Kunden aufnehmen. Das ist derzeit aufgrund der schwierigen Situation nicht darzustellen. Nur für bestimmte Beschaffungsarten im Industriesektor ist das, allerdings zu sehr hohen Beschaffungspreisen, darstellbar. Für die Bestandskunden wurden die Preise für Gas und Strom für Kunden ohne Preisgarantie zunächst moderat angehoben.
Die Tiefengeothermie in Hüsten am Nass galt als wirtschaftlicher Totalschaden: Ist dies jetzt angesichts der explodierenden Energiepreise anders zu bewerten? Kann sich das Projekt aufgrund der Umstände aus dem Markt nun möglicherweise doch noch ansatzweise amortisieren?
Eine Amortisation ist aufgrund nicht zu erhöhender Fördermengen eher nicht realistisch. Aber die perspektivisch erhöhten Marktpreise für „Wärme“ könnten sich positiv auswirken. Wir sind zuversichtlich, dazu mit dem Freizeitbad Nass als einzigen Abnehmer der geförderten Wärme zu einer für beide Seiten zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Wir verkaufen die Energie ja nicht auf dem freien Markt.
Gibt es einen Investitionsrückstau bei der Erneuerung von Trinkwasser- und Abwasserleitungen? Wie hoch sind die Investitionen, die in den kommenden Jahren anstehen?
Bei der Erneuerung von Trinkwasserleitungen gibt es keinen Investitionsstau, es ist in den kommenden Jahren ein Betrag in Höhe von rund 750.000 Euro pro Jahr eingeplant und für die Erneuerung der Hausanschlüsse ein jährlicher Betrag in Höhe von rund 200.000 Euro. In der Stadtentwässerung gibt es seit einigen Jahren bei den Investitionen ins Kanalnetz einen Rückstau. Die Stadtentwässerung Arnsberg versucht dem durch die verstärkte Konzentration auf grabenlose Sanierungsmaßnahmen und eigene Kanalbaumaßnahmen, unabhängig von anderen Baumaßnahmen, entgegen zu wirken. Aufgrund der regelmäßigen Kanalinspektionen ist der Bedarf an Sanierung, Renovierung und Erneuerung im Kanalnetz weiterhin hoch. Mit der Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes ab dem Jahre 2024 werden wir die notwendigen Kanalbaumaßnahmen der nächsten sechs Jahre von 2024 bis 2029 einplanen, um eine generationengerechte Kanalunterhaltung darzustellen. Im Jahr 2022 sind 5,63 Millionen Euro im Wirtschaftsplan für Investitionen ins Kanalnetz vorgesehen. Der Wirtschaftsplan für 2023 ist noch in den Vorbereitungen.
Was sind die großen Herausforderungen für die Stadtwerke Arnsberg in den kommenden Monaten?
Es gilt durch eine vorausschauende Vorsorgeplanung sicherzustellen, dass die Stadtwerke sich fortlaufend den veränderten Marktbedingungen, insbesondere auf dem Energiesektor, resilient anpassen und ein verlässlicher Partner für unsere Kundinnen und Kunden in allen Lebensbereichen bleibt. Auch beim Thema „Blackout 72“ im Falle eines totalen Stromausfalls ist das Ziel, vor der Lage zu bleiben. Aber auch da sind wir gut unterwegs und sind gewappnet.